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Gewalt

Die Frage nach der Notwendigkeit und Nützlichkeit von gewalttätigem Widerstand gegen antidemokratische Kräfte gewinnt durch das Erstarken des Rechtspopulismus in westlichen Demokratien neue Aktualität und Dringlichkeit. Gewalt ist deshalb so problematisch, weil sie jenseits der Grenze regulärer demokratischer Aushandlung liegt. Aus der Perspektive mancher Aktivist_innen ist die temporäre Überschreitung dieser Grenze hin zur antidemokratischen Gewalt jedoch nötig, um die Demokratie aufrechtzuerhalten.

So wird beispielsweise die Legitimität und strategische Angemessenheit von Gewalt innerhalb der Linken diskutiert. Es wird gefragt, welche Positionen zur Gewalt und zivilem Ungehorsam wie begründet werden, beispielsweise im Rahmen einer Differenzierung von Gewalt gegen Sachen oder Personen, oder gegen staatliche und nichtstaatliche Organisationen bzw. Akteure, und in welchem Verhältnis sie zu juristischen und demokratietheoretischen Debatten um ein Widerstandsrecht stehen. Zweitens kann Gewalt breiter als ein Ausschluss von Diskursen und einer Strukturierung der Öffentlichkeit verstanden werden. Einerseits werden Ausschlüsse des politischen Gegners von Diskussionsveranstaltungen oder aus Räumen als Gewalt kritisiert. Viele linke Kritiker_innen sehen den Aufstieg von rechten Parteien auch darin begründet, dass ihnen die Medien eine Bühne geben, wodurch sich der politische Diskurs insgesamt nach rechts verschiebt, weshalb sie ausgeschlossen werden sollten. Andere argumentieren, dass nur ein nach Begründungen fragender Dialog mit Rechten dabei hilft, sie in Schach zu halten, unter anderem weil Rechte ihren Ausschluss nutzen, um sich als Opfer der Gewalt der Mehrheitsmeinung darzustellen.

Andererseits wird von Gewalt auch im Falle politischer Regulierungen des Sagbaren gesprochen („Sprechverbote“, „political correctness“), die das Sprechen in (linken) Räumen regulieren. Die Diskussionen um soziale Positionen und deren Bedeutung für politische Debatten haben sich in letzter Zeit verschärft. Im Zentrum steht dabei die Frage, ob und wie auf die Gewalt von Privilegienstrukturen reagiert werden kann, indem nicht-privilegierten sozialen Positionen mehr Diskursmacht eingeräumt wird als privilegierten.

Die fünfte Ausgabe von diskurs beschäftigen sich in Beiträgen von Nikolaus Lehner; Daphne Tokas; Ralf Parade, Friederike Thole und Steffen Wittig; Felix Kronau; Harald Strauß sowie in einer Rezension von Michael Schäffler theoretisch wie empirisch mit dem Verhältnis von Gewalt und Politik.

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