Stephanie Frahn: Einfluß der Stoffzustände des Quellmittels auf das Quellverhalten von chemisch vernetzten Polymeren in Lösemitteln

Inhalt
Kap. 1
Kap. 2
Kap. 3
Kap. 4
Kap. 5
Kap. 6
Kap. 7
Kap. 8
Kap. 9
Anhang
Literaturverzeichnis
  • Zusammenfassung
  • Das Thema der vorliegenden Arbeit ist das Quellverhalten chemisch vernetzter Gele unter besonderer Berücksichtigung von Phasenübergängen des Quellmittels. Hierbei sollen über Regressionsanalysen experimentell bestimmte Quellungskurven durch geeignete Ansätze für den Flory-Huggins-Staverman-van Santen-Wechselwirkungsparameter beschrieben werden.

    Bei den untersuchten Netzwerken handelt es sich um chemisch über Endgruppen verknüpfte Polyurethane. Sie sind aus Polyethylenglykol, dem linearen Polymer und einem trifunktionalen Vernetzer aufgebaut, wobei die Verbindung durch ein Diisocyanat über Urethanbindungen erfolgt.

    In den Quellungsexperimenten an dem System Polyurethan-Netzwerk/ Wasser sind für alle untersuchten Gele Gleichgewichtsquellungsgrade im Temperaturbereich 203,15 K £  T £  328,15 K, d. h. über ein Intervall von 125 Grad, bestimmt worden. Hierbei konnten sogar Quellungsgrade im flüssigen metastabilen Wasser bis 267,15 K realisiert werden.

    Der Verlauf der experimentellen Quellungskurven bestätigt den aus der Quellungstheorie vorhergesagten Verlauf. Im Bereich der Quellung im flüssigen Wasser weisen sie einen nahezu linearen Verlauf mit einer großen, negativen Steigung auf. Am Schmelzpunkt des Wassers liegt eine Unstetigkeit vor. Die Steigung der Quellungskurve ist für Temperaturen unterhalb der Schmelztemperatur sehr klein und positiv. Mit abnehmender Temperatur wird die Steigung zunehmend größer, bis die Quellungskurve bei 203 K fast parallel zur Temperaturachse verläuft.

    Aus der Theorie sind Gleichungen zugänglich, die die Konzentrationsabhängigkeit der Temperatur entlang der Gleichgewichtsquellungskurve beschreiben. In der vorliegenden Herleitung dieser Funktionen ist sowohl der Ansatz c
    x = a x +b x/T, als auch ein um die lineare Konzentrationsabhängigkeit erweiterter Ansatz für den FHSS-Wechselwirkungsparameter verwendet worden. Für den Temperaturbereich der Quellung im flüssigen bzw. im kristallinen Wasser ergeben sich unterschiedliche Zusammenhänge. Unterhalb der Schmelztemperatur des Quellmittels muß dessen Schmelzenthalpie in der Herleitung der T()-Abhängigkeit berücksichtigt werden. Es sind Regressionsanalysen durchgeführt worden, in denen die Gele als binäre (Wasser/Netzwerk) bzw. ternäre Systeme (Wasser/Netzwerkketten/Knotenpunkte) betrachtet werden. In beiden Betrachtungen führt der Ansatz c x = a x +b x/T+ kx des FHSS-Wechselwirkungsparameters zu einer ausgezeichneten Beschreibung der experimentellen Quellungskurven. Ausnahme ist das Netzwerk 6, dessen Quellungskurve nur durch die Behandlung als ternäres System beschrieben wird. In der Behandlung der Gele als ternäre Systeme werden die experimentellen Wertepaare auch durch den Ansatz c x = a x +b x/T hinreichend gut wiedergegeben. Die Beschreibung wird aber durch die Hinzunahme des konzentrationsabhängigen Terms im FHSS-Wechselwirkungsparameter verbessert.

    Regressionsanalysen ausschließlich für den Bereich der Quellung im flüssigen Wasser zeigen, daß eine Berücksichtigung des Volumenterms (B/z)
    x nicht zu einer Verbesserung der Beschreibung der experimentellen Wertepaare führt. Wird der Polymerisationsgrad der Netzwerkketten als endlicher Wert in der Beschreibung der experimentellen Wertepaare berücksichtigt, verändern sich lediglich die absoluten Beträge der einzelnen Parameter. Die Beschreibung der Quellungskurve wird hierdurch nicht beeinflußt.

    Die thermodynamische Relevanz der aus den Regressionsanalysen erhaltenen Parameter wird durch die Berechnung der Exzeßfunktionen, das heißt der Mischungsenthalpie bzw. -entropie, überprüft. Hierbei zeigt sich, daß sowohl die Exzeßenthalpie als auch die Exzeßentropie im Vergleich zu Literaturwerten für das System lösliches Polyethylenglykol/ Wasser zu klein sind. Es ist davon auszugehen, daß sowohl der Enthalpie- als auch der Entropieterm des FHSS-Wechselwirkungsparameters abhängig von der Temperatur und der Konzentration sind. Dieses bedingt eine Abhängigkeit der Exzeßfunktionen von der Temperatur. Regressionsanalysen, die einen solchen erweiterten Ansatz des FHSS-Wechselwirkungsparameters berücksichtigen, führten aufgrund der hohen Zahl unbekannter Größen zu keinen physikalisch sinnvollen Ergebnissen.

    Zur näheren Charakterisierung der Polyurethannetzwerke sind temperaturabhängige Entquellungsexperimente durchgeführt worden. Die Temperaturen dieser Experimente liegen zwischen 298,15 K und 323,15 K. Die erhaltenen Quellungskurven für die beiden Schritte verlaufen etwa parallel. Außerdem stimmen die für die Quellung in reinem Wasser bestimmten Quellungsgrade sehr gut mit den Ergebnissen der anderen Quellungsexperimente überein. Die Auswertung der Ergebnisse erfolgte auf zwei Wegen. Zum einen werden der FHSS-Wechselwirkungsparameter und der Netzwerkparameter für jede Temperatur direkt berechnet. Dies führte leider zu keinem befriedigenden Ergebnis, da negative und von der Temperatur abhängige Netzwerkparameter berechnet werden. In der zweiten Möglichkeit der Auswertung werden mit einer Kombination der Gleichungen für das Entquellungs- und Quellungsgleichgewicht Regressionsanalysen durchgeführt. Auch in diesen Rechnungen sind die Netzwerkparameter der Proben 1 und 7 negativ. Es wird davon ausgegangen, daß die in der thermodynamischen Beschreibung der Polyethylenglykol-Lösung verwendeten Werte für den FHSS-Wechselwirkungsparameter fehlerhaft sind.

    In den durchgeführten Quellungsexperimenten ist nicht nur Wasser als Quellmittel verwendet worden. Zusätzlich ist das Quellverhalten der Netzwerke in zwei flüssig-kristallinen Substanzen - Ölsäure und Octadecansäuremethylester - untersucht worden. Die bei diesen Experimenten gefundenen Quellungskurven stehen im Gegensatz zu den aus der Theorie vorhergesagten Kurven. Bei der Phasenübergangstemperatur isotrop-nematisch bzw. isotrop-smektisch weisen zwar alle bestimmten Kurven die erwartete Diskontinuität der Steigung der Quellungskurve auf, jedoch nehmen die Netzwerke mit abnehmender Temperatur Quellmittel auf.

    Als Erklärungsmöglichkeit für dieses Phänomen wird eine zumindest partielle Umwandlung der beiden Quellmittel im Innern des Netzwerkes angenommen, wobei die Polymerketten mitorientiert werden. Zur Überprüfung dieser Erklärung sind Experimente mit einem Polarisationsmikroskop durchgeführt worden. Es konnte gezeigt werden, daß im flüssig-kristallinen Bereich das Quellmittel innerhalb des Gels als flüssig-kristalline Phase vorliegt. Eingehende Betrachtungen der Überführungsenthalpie des Quellmittels zeigen, daß neben der differentiellen Verdünnungsenthalpie und der Umwandlungsenthalpie des Quellmittels für die Phasenumwandlung flüssig/ flüssig-kristallin auch die Schmelzenthalpie der Mischphase Gel/ "flüssig-kristallines Gel" berücksichtigt werden muß. Hierbei bestimmt die Schmelzenthalpie sowohl das Vorzeichen als auch den Betrag der Steigung der Quellungskurve.

    Die Auswertung der durchgeführten Entquellungsexperimente erforderte die Kenntnis der thermodynamischen Eigenschaften der verwendeten Polymerlösung. Aus diesem Grund ist das System Polyethylenoxid 35000/ Wasser mit Hilfe der Membranosmose im Temperaturbereich 25°C £  T £  50°C zusätzlich untersucht worden. Hierbei ist festgestellt worden, daß das Polyethylenoxid 35000 einen hohen Anteil kurzer Ketten enthält. Die Auswertung der Ergebnisse ergibt mit steigender Temperatur steigende Molmassen. Dieses Verhalten wird damit erklärt, daß im stark verdünnten Konzentrationsbereich der osmotische Druck ein Minimum durchlaufen kann. Eine lineare Regression liefert zu niedrige Achsenabschnitte und damit zu große Polymerisationsgrade für die untersuchte Polymerprobe, was allerdings in den Experimenten nicht bestätigt wird. Unabhängig von den molaren Massen zeigt die Darstellung des reduzierten osmotischen Drucks in Abhängigkeit von der Konzentration mit zunehmender Temperatur Geraden abnehmender Steigungen. Eine Auftragung des aus dem zweiten osmotischen Virialkoeffizienten berechneten FHSS-Wechselwirkungsparameters gegen die reziproke Temperatur liefert einen linearen Zusammenhang. Dieser bestätigt, daß der c
    x-Parameter für ein lineares Polymer durch den Ansatz c x = a x +b x/T dargestellt werden kann, was wiederum bedeutet, daß die Mischungsentropie und -enthalpie von der Temperatur unabhängig sind.