Stephanie Frahn: Einfluß der Stoffzustände des Quellmittels auf das Quellverhalten von chemisch vernetzten Polymeren in Lösemitteln

Inhalt
Kap. 1
Kap. 2
Kap. 3
Kap. 4
Kap. 5
Kap. 6
Kap. 7
Kap. 8
Kap. 9
Anhang
Literaturverzeichnis
  • 5. Theorie
  • Das Quellverhalten einer vernetzten Substanz in Gegenwart eines Lösemittels wird allgemein herangezogen, um die physikalischen Eigenschaften des betrachteten Systems zu ermitteln. Die Entwicklung einer Theorie für die Beschreibung der Quellung geht auf Frenkel sowie Flory und Rehner zurück [49-50]. Ihre Theorie basiert auf der Annahme, daß die durch Quellung hervorgerufene Änderung der Freien Enthalpie eines gequollenen Netzwerks aus zwei Beträgen besteht. Es handelt sich hierbei um die Freie Mischungsenthalpie und die Freie Enthalpie der elastischen Verformung.

    Die Freie Mischungsenthalpie wird im allgemeinen durch die Gittertheorie der Polymerlösung beschrieben. Diese Theorie haben, unabhängig voneinander, Flory und Huggins entwickelt [51-56]. Sie berechnen die Mischungsenthalpie einer Polymerlösung über die Anzahl der Polymer-Lösemittel Kontakte, während sie die Mischungsentropie über die Zahl der unterschiedlichen Anordnungsmöglichkeiten der Polymer- und Lösemittelmoleküle auf einem Gitter bestimmen.

    Für die Beschreibung der Gummielastizität existieren mehrere Theorien. Die erste im wesentlichen richtige molekulare Theorie, die von Kuhn entwickelt wurde, beruht auf der statistischen Behandlung freier Polymerketten [57-58]. Bei hinreichend langen Ketten ergeben sich Zusammenhänge, die nur von der Kettenzahl, jedoch nicht von ihrer chemischen Struktur abhängen. Wall und Flory bzw. James und Guth entwickelten Theorien, in denen das Elastomer als eine Ansammlung statistisch geknäuelter Ketten behandelt wird, die in einem Netzwerk über chemische Bindungen verbunden sind [51,59-66].

  • 5.1. Flory-Huggins Theorie; Berechnung der Gibbsschen Freien Enthalpie
  • 5.1.1. Die Mischungsentropie einer binären Lösung
  • Ausgangspunkt der Berechnungen ist eine Mischung aus Lösemittel- und Polymermolekülen, die auf einem Gitter verteilt werden [67,68]. Ein Polymermolekül soll hierbei ein Volumen besetzen, welches r mal größer ist als das, das von einem Lösemittelmolekül benötigt wird.

    Es erfolgt eine Abschätzung der Zahl der Möglichkeiten, mit der jedes Polymermolekül in das Gitter eingeordnet werden kann. Die Analyse des Problems wird hierbei begonnen, nachdem eine beliebige Anzahl Polymermoleküle auf einem leeren Gitter plaziert worden sind. Die Gesamtzahl der Möglichkeiten die Polymermoleküle auf dem Gitter zu plazieren, ist dann durch das Produkt der Möglichkeiten für jedes einzelne Molekül gegeben. Nachdem die Polymermoleküle auf dem Gitter verteilt sind, existiert eine Möglichkeit, die Lösemittelmoleküle auf die noch leeren Plätze zu verteilen.

    In den skizzierten Berechnungen werden die folgenden drei Annahmen gemacht:

    1. Annahme: Eine sich wiederholende Monomereinheit der Polymerkomponente und ein Lösemittelmolekül benötigen ein gleich großes Volumen.

    2. Annahme: Die Gitterplätze werden zuerst völlig statistisch durch die vorhandenen Polymermoleküle aufgefüllt. Anschließend werden die übriggebliebenen Plätze durch Lösemittelmoleküle besetzt.

    3. Annahme: Die Polymermoleküle sollen untereinander austauschbar, das heißt ununterscheidbar sein.

    Die berechnete Gesamtzahl der Verteilungsmöglichkeiten entspricht der thermodynamischen Wahrscheinlichkeit eines Systems, das durch das verwendete Modell wiedergegeben wird. Die thermodynamische Wahrscheinlichkeit ist über die Boltzmann-Gleichung mit der Entropie der untersuchten Mischung verknüpft. Für die molare Mischungsentropie eines Zweikomponentensystems aus Polymer- und Lösemittelmolekülen erhält man schließlich den Ausdruck

    , (5.1)

    wobei R die Gaskonstante ist und n
    1 bzw. n2 der Stoffmenge des Lösemittels bzw. des Polymeren entsprechen. r ist der Polymerisationsgrad der Komponente 2, das heißt die Zahl der sich wiederholenden Monomereinheiten der Polymerkomponente.

    In den Berechnungen der Mischungsentropie wird die Stirling-Näherung eingeführt, die exakt nur für unendlich große Werte von N
    i gilt. Übertragen auf Gl.(5.1) heißt dieses, daß sie eigentlich nur auf konzentrierte Lösungen anwendbar ist.

    Die beiden Quotienten in den logarithmischen Termen der Gl.(5.1) entsprechen den Definitionen des Grundmolenbruchs

    bzw. , (5.2)

    mit den Indizes 1 und 2 für das Lösemittel und die Polymerkomponente [69]. r
    x entspricht dem Polymerisationsgrad in der Grundmolenbruchskala. Er ist durch , dem Quotienten aus der molaren Masse der Polymerkette M2 und der molaren Masse einer Monomereinheit des Polymers M0 gegeben.

    Mit der allgemeinen Definition einer grundmolaren Größe [69]

    (5.3)

    ergibt sich somit für die grundmolare Mischungsentropie einer idealen Lösung der Zusammenhang

    . (5.4)

    Für die dargestellte Herleitung gilt unter anderen die Voraussetzung, daß es sich um ein athermisches System handelt, das heißt bzw. als grundmolare Größe geschrieben . Gl.(5.4) stellt somit die grundmolare Mischungsentropie einer binären ideal-athermischen Lösung dar. Unter Einbeziehung der Zustandsfunktion

    , (5.5)

    folgt für die grundmolare Freie Mischungsenthalpie einer binären ideal-athermischen Lösung

    (5.6a)

    . (5.6b)

    Die Änderung des chemischen Potentials des Lösemittels D m
    1, hervorgerufen durch den Mischungsprozeß eines Polymers mit einem Lösemittel, ist durch den Differentialquotienten

    (5.7a)

    bzw. mit Gl.(5.6a) durch

    (5.7b)

    bestimmt. Hierbei werden die Temperatur T, der Druck P und die Stoffmenge des Polymers n
    2 konstant gehalten. Anwendung der Gl.(5.7a) auf Gl.(5.6b) führt zu

    , (5.8)

    mit m
    1 dem chemischen Potential des Lösemittels in der Lösung und m 01 dem chemischen Potential des reinen Lösemittels.

  • 5.1.2. Darstellung des Zusammenhangs zwischen dem Volumenbruch und dem Grundmolenbruch
  • Der Ausdruck für das chemische Potential des Lösemittels einer binären ideal-athermischen Lösung ist von Flory und Huggins mit dem Volumenbruch als Konzentrationsmaß hergeleitet worden. Dieses ergab sich zwangsläufig aus der Annahme, daß die Wiederholeinheit der Polymermoleküle und ein Lösemittelmolekül ein gleich großes Volumen einnehmen.

    Die Definitionen der beiden Konzentrationsmaße, auf das Lösemittel bezogen, sind in den Gln.(5.9) und (5.10) gegeben.

    Volumenbruch:

    (5.9a)

    mit Þ (5.9b)

     

    Grundmolenbruch:

    (5.10a)

    mit Þ (5.10b)

    V
    i bzw. V0i bezeichnet das partielle molare Volumen bzw. das Molvolumen der Komponente i. Mi steht für die Molmasse der Komponente i, während M0 der Molmasse eines Grundbausteins der Polymerkomponente entspricht. rx bezeichnet den Polymerisationsgrad in der Grundmolenbruchskala. Er entspricht der Zahl der Monomereinheiten, die ein Polymermolekül enthält. rj ist der Polymerisationsgrad in der Volumenbruchskala und ist, wie Huggins gezeigt hat, gleich dem Quotienten (V02/V01) [70].

    Eine Unterteilung der Polymermoleküle wird so vorgenommen, daß ein Polymersegment das Volumen eines Lösemittelmoleküls hat. Dieses bedeutet, daß das Molvolumen des Polymermonomeren gleich dem Molvolumen des Lösemittels ist, . In diesem Fall sind die beiden Polymerisationsgrade gleich, der Grundmolenbruch entspricht dem Volumenbruch [67,71,72,73].

  • 5.1.3. Die Mischungsenthalpie einer binären Lösung berechnet mit der "mean field" Näherung
  • Gl.(5.1) entspricht der Mischungsentropie eines ideal-athermischen Zweikomponentensystems, dessen Mischungsenthalpie gleich Null ist. Da jedoch im flüssigen Zustand ein enger Kontakt zwischen den Molekülen gegeben ist, müssen auch die energetischen Gesichtspunkte der Wechselwirkungen zwischen diesen Molekülen in Form einer Mischungsenthalpie, die von Null verschieden ist, berücksichtigt werden.

    Die Voraussetzungen für die Herleitung der Mischungsenthalpie können wie folgt formuliert werden:

  • Bei den Kräften, die die Mischungsenthalpie hervorrufen, handelt es sich um zwischenmolekulare Kräfte, die mit zunehmendem Abstand zwischen den Molekülen schnell kleiner werden. Im Ausdruck für müssen, hieraus resultierend, nur die nächsten Nachbarn berücksichtigt werden [68].
  • Die Wechselwirkungen zwischen zwei Teilchen sind unabhängig von allen anderen Teilchen.
  • Nur die potentielle Energie der betrachteten Moleküle ist für die Wechselwirkungsenergie zwischen ihnen verantwortlich.
  • Die Lösemittel- und Polymermoleküle werden auf einem Gitter verteilt, wobei untersucht wird, in welcher Weise sich die Enthalpie eines Systems ändert, wenn ein zu einem Molekül benachbartes Molekül durch ein anderes ersetzt wird. Eine Betrachtung der Paarwechselwirkungsenergie zwischen den einzelnen Spezies bezogen auf eine große Anzahl vorhandener Teilchen und die Berücksichtigung der Konzentrationsabhängigkeit des erhaltenen Ergebnisses, führt schließlich zu der Mischungsenthalpie einer nicht-ideal-athermischen Lösung

    , (5.11)

    die hier als grundmolare Größe angegeben ist. c
    H,x ist der von Flory, Huggins, Staverman und van Santen eingeführte Wechselwirkungsparameter [54,74,75]. Er entspricht dem Ausdruck

    . (5.12)

    D w ist hier die Änderung der Paarwechselwirkungsenergie, hervorgerufen durch die Verteilung der Moleküle auf einem Gitter, dessen Gitterplätze eine mittlere Koordinationszahl haben.

    Mit Gl.(5.11) ergibt sich somit entsprechend Gl.(5.5) für die grundmolare Gibbssche freie Mischungsenthalpie einer binären nicht-ideal-athermischen Lösung

    . (5.13)

    Für die Änderung des chemischen Potentials des Lösemittels ergibt sich hieraus durch Bildung des Differentialquotienten

    . (5.14)

  • 5.1.4. Der FHSS-Wechselwirkungsparameter
  • Der Flory-Huggins-Staverman-van Santen-(FHSS)-Wechselwirkungsparameter c ist eine dimensionslose Größe, die die Wechselwirkungsenergie zwischen einem Lösemittel- und einem Polymermolekül charakterisiert. Er ist somit ein Maß für die Abweichung eines Systems von einem ideal-athermischen [12].

    Im allgemeinen muß der Wechselwirkungsparameter in Abhängigkeit von der Temperatur, dem Druck sowie der Konzentration beschrieben werden, . Die Konzentrationsabhängigkeit wird häufig mit einer Reihe beschrieben, die einem Ansatz von Margules für niedrigmolekulare Nichtelektrolytlösungen entspricht [76]

    . (5.15)

    Für i=0 ist kein konzentrationsabhängiger Term in dieser Reihenentwicklung berücksichtigt. Die Größen c
    i in Gl.(5.15) sind nur von Temperatur und Druck abhängig.

    Betrachtet man nur die Temperaturabhängigkeit des Wechselwirkungsparameters, wird diese allgemein ebenfalls durch eine Reihenentwicklung wiedergegeben [76].

    (5.16)

    In den meisten Fällen wird die Temperaturabhängigkeit von c durch die ersten beiden Parameter dieses Reihenansatzes beschrieben [73]. Der resultierende Ausdruck für den Wechselwirkungsparameter ist gleichbedeutend mit der Aussage, daß die Änderung der Entropie und Enthalpie unabhängig von der Temperatur sind.

    (5.17)

    a
    x ist hier der entropische Anteil, während b x den enthalpischen Anteil des Wechselwirkungsparameters wiedergibt, der der sogenannten Überschußwechselwirkungsenergie proportional ist.

  • 5.1.5. Das chemische Potential eines nicht-ideal-athermischen Mehrkomponentensystems
  • Gl.(5.14) entspricht dem chemischen Potential einer binären nicht-ideal-athermischen Lösung. Ausgehend von ähnlichen Voraussetzungen können mit Hilfe statistischer Überlegungen die Ausdrücke der Mischungsentropie bzw. -enthalpie eines Mehrkomponentensystems hergeleitet werden [67,77]. Diese Relationen sind zum Beispiel interessant in der Beschreibung realer Polymerlösungen. Da eine Polymerprobe im allgemeinen eine Molmassenverteilung aufweist, wird diese durch die Beschreibung eines Polymer/ Lösemittel Systems als Mehrkomponentensystem berücksichtigt. Genauso kann eine Lösung aus einem Copolymer und einem Lösemittel beschrieben werden. Die unterschiedlichen Blöcke des Copolymers zeigen im allgemeinen unterschiedliche Wechselwirkungen mit dem Lösemittel, die im Ansatz des chemischen Potentials für ein Mehrkomponentensystem einfließen.

    Der Zusammenhang für die Mischungsentropie eines solchen Systems lautet

    (5.18)

    bzw. für die Mischungsenthalpie

    mit i=1,2,3, ... u. j=2,3, ... (5.19)

    wobei in der Summe der Gl.(5.19) alle Paare ungleicher Spezies berücksichtigt werden. c
    ij sind die FHSS-Wechselwirkungsparameter zwischen diesen Paaren. rx,i bezeichnet den Polymerisationsgrad der Komponente i. Für die Gibbssche Enthalpie eines solchen nicht-ideal-athermischen Mehrkomponentensystems ergibt sich somit

    mit j=2,3, ... . (5.20)

    Betrachtet man nun zum Beispiel ein 3-Komponentensystem wird aus Gl.(5.20)

    . (5.21)

    Partielles Ableiten dieses Ausdrucks nach n
    1 unter Konstanthaltung der Temperatur, des Drucks und der Stoffmengen n2 und n3, führt, analog zu der Herleitung für ein binäres System, zum chemischen Potential der Komponente 1. rx,i bezeichnet hier den Polymerisationsgrad der Komponente i in der Grundmolenbruchskala.

    (5.22)

  • 5.1.6. Die Exzeßfunktionen
  • Die Exzeßfunktionen beschreiben die Abweichung einer realen Lösung von einer idealen Lösung [76]. Auf die Thermodynamik der Polymerlösung bezogen, entsprechen die Exzeßfunktionen also dem Unterschied zwischen einer realen und einer ideal-athermischen Lösung [69]. Die Freie Exzeßenthalpie , als grundmolare Größe, ist durch den Ausdruck

    (5.23)

    gegeben. Mit der Gleichung für die Exzeßfunktion des chemischen Potentials des Lösemittels, Index 1,

    , (5.24)

    und der Bedingung für =0, beschreibt der Ausdruck

    (5.25)

    die Freie Exzeßenthalpie. Hierbei ist für die Summe in Gl.(5.24) nur der Fall N=1 berücksichtigt worden. Die Exzeßentropie ist über die allgemein gültige Aussage

    (5.26)

    mit der Freien Exzeßenthalpie verbunden. Für die Exzeßenthalpie folgt

    . (5.27)

    Entsprechend der Gleichungen der Exzeßentropie bzw. -enthalpie für binäre Systeme können die Terme für Mehrkomponentensysteme hergeleitet werden. Betrachtet man z. B. die Exzeßgrößen für ternäre Systeme, lautet die freie Exzeßenthalpie

    , (5.28)

    wobei die Wechselwirkungsparameter c
    12, c 13 und c 23 sowohl temperatur- als auch konzentrationsabhängig sein können. Die Indizes kennzeichnen die Komponenten 1 bis 3. Die Ableitung der Gl.(5.28) nach der Temperatur führt zu der Exzeßentropie

    (5.29)

    Analog Gl.(5.27) folgt somit für die Exzeßenthalpie


    (5.30)

  • 5.2. Statistische Theorie der Entropieelastizität
  • Eine Betrachtung der Entropieelastizität ist gleichbedeutend mit der Entwicklung eines molekularen Modells der Spannungs-Dehnungs-Beziehung in einem Netzwerk. Hierzu erfolgt eine Verbindung der "random flight" Statistik für den End-zu-End Abstand einer freien Kette mit der statistischen Definition der Entropie [67,68].

    Da die Vernetzung, durch die ein Netzwerk entsteht, ein zufälliger Prozeß ist, haben die Netzwerkketten eine zufällige Konfiguration. Die Vektoren, die ihre End-zu-End-Abstände charakterisieren, weisen eine Verteilung auf, die durch eine Wahrscheinlichkeitsdichte-Funktion W(x,y,z) dargestellt werden kann. Im allgemeinen geht man davon aus, daß es sich bei den Ketten um sog. Gauß-Ketten handelt, das heißt daß die Kettenanordnung mit genügend großer Genauigkeit durch eine Gauß-Verteilungsfunktion beschrieben wird.

    In der Herleitung der Gaußschen Verteilungsfunktion werden folgende Voraussetzungen gemacht [67,71,72]

  • Die Wahrscheinlichkeitsfunktionen für die drei Raumrichtungen sind voneinander unabhängig.
  • Jede der vorhandenen Bindungen hat die Möglichkeit, jede der drei Raumrichtungen mit gleich großer Wahrscheinlichkeit einzunehmen.
  • Das betrachtete Netzwerk wird nun einer affinen Verformung unterworfen, die dadurch gekennzeichnet ist, daß jedes Volumenelement der Probe in exaktem Verhältnis zum Gesamtnetzwerk deformiert wird. In Abb.(5.1) ist eine affine Deformation dargestellt, wobei Abb.(5.1a) die undeformierte Probe zeigt, Abb.(5.1b) die gleiche Probe nach einer Dehnung in z-Richtung. Die hier gezeigte Dehnung einer Polymerkette, entspricht dem Fall einer uniaxialen Deformation, wobei mit der Deformation keine Volumenveränderung verbunden ist.

    Abb.(5.1): Darstellung der uniaxialen Dehnung einer Probe in z-Richtung. Hierbei kennzeichnen die durchgezogenen Linien das betrachtete Volumenelement; die gestrichelten Linien veranschaulichen die Gesamtprobe [68].

    Die Änderung der Entropie eines Netzbogens, die durch eine solche affine Deformation der Probe verursacht wird, ist über die Boltzmann-Gleichung mit der thermodynamischen Wahrscheinlichkeit verknüpft. Die Gesamtentropieänderung des Netzwerks wird dann als Summe der Entropieänderungen der einzelnen Polymerketten angenommen.

    Die Entropieänderung während einer Deformation für ein Mol des Netzwerks lautet

    . (5.31)

    n * bezeichnet die Netzwerkkettenzahl in Molen, R ist die allgemeine Gaskonstante und l
    i entspricht einer Verlängerung des Netzwerks in Richtung i. Gl.(5.31) beschreibt, unter der Voraussetzung seiner Idealität, das elastische Verhalten eines Netzwerks. Ausgehend von diesem Zusammenhang ist die Beschreibung der Gummielastizität von zahlreichen Autoren untersucht und modifiziert worden [61-66,78,79]. Ihre Ergebnisse werden durch den Zusammenhang

    , (5.32)

    den Ausdruck für die Änderung der Freien Energie einer Deformation, zusammengefaßt. Betrachtet man eine isotherm-isobare Deformation, werden, mit der Definition der Freien Enthalpie G=F+PV, die Größen D G
    el+vern und D Fel+vern gleich.

    . (5.33)

    Mit der Voraussetzung der isotropen Quellung eines Netzwerks können die relativen Längenverhältnisse l
    x, l y und l z durch den Volumenquellungsgrad Qv wiedergegeben werden. Qv entspricht dem reziproken Volumenbruch des Netzwerks j 2, der, unter den in Kapitel 5.1.2 aufgeführten Annahmen, gleich dem Grundmolenbruch gesetzt werden kann.

    (5.34)

    V ist das Volumen der gequollenen Gelmischphase bzw. V
    0 das Volumen des isotropen, ungequollenen Netzwerks. Ersetzen der relativen Längenverhältnisse l i in Gl.(5.62) führt, unter Benutzung des Grundmolenbruchs, zu dem Zusammenhang

    . (5.35)

    Die Größe A wird als "Strukturfaktor" bezeichnet, der die Mikrostruktur des Netzwerks berücksichtigt. B ist der sogenannte "Volumenfaktor". Zuerst von Tobolsky als "Memory Term" eingeführt, wird die Größe h auch als Dilatationsfaktor bezeichnet [80].

    (5.36)

    entspricht dem mittleren End-zu-End-Abstand der Ketten im isotropen, unverformten Netzwerk. ist die entsprechende Größe für die freie Kette in der gleichen molekularen Umgebung. Von Flory und Wall sowie Hermans wird der Wert von h mit 1 diskutiert. Sie gehen von der Annahme aus, daß bei der Netzwerkbildung die beiden End-zu-End-Abstände gleich groß sind [66]. Dieses sollte dann erfüllt sein, wenn das Netzwerk in Substanz, das heißt ohne Lösemittel, synthetisiert wurde. James und Guth hingegen argumentieren, daß während der Netzwerkbildung eine Kontraktion der schon verknüpften Ketten auftreten kann [61,62]. Unter der Voraussetzung der vollständigen Relaxation des Systems nach Bildung eines Knotenpunktes, erhalten sie .

    In Abhängigkeit von den Annahmen, die die Autoren ihren Berechnungen zugrunde gelegt haben, werden für die Faktoren A und B unterschiedliche Werte angegeben. So ist von Flory, Wall, Kuhn und Hermans angenommen worden, daß die Knotenpunkte eines Netzwerks in ihrer wahrscheinlichsten Position festliegen und sich bei einer Deformation affin zur makroskopischen Verformung verschieben [51,58,65,66]. Sie geben den Wert für A mit 1 an. James und Guth gehen von einer statistischen Bewegung der Knotenpunkte aus, was zu A=0,5 führt [61,62,81,82]. Weitergehend betrachten Duiser und Staverman sowie später Eichinger und Graessley bewegliche Knotenpunkte beliebiger Funktionalität f [83-85]. Sie kommen zu der Aussage , wobei für tetrafunktionelle Netzwerke ihr Wert für A mit dem von James und Guth übereinstimmt.

    In einer weitergehenden Theorie läßt Flory beide Betrachtungsweisen unter gewissen Umständen zu [86,87]. In unverdünnten Netzwerken bei kleinen Deformationen ist die Beweglichkeit der Knotenpunkte, bedingt durch die dichte Packung der Ketten, unterdrückt bzw. stark eingeschränkt. Die Knotenpunkte verhalten sich wie Einschlüsse in einem Kontinuum, für A resultiert der Wert 1. Werden verdünnte, das heißt gequollene oder auch stark deformierte Netzwerke betrachtet, sollen Behinderungen durch Nachbarketten keine Rolle spielen. Die Bewegung der Ketten und Knotenpunkte ist unabhängig von ihrer unmittelbaren Umgebung. Solche Netzwerke bezeichnet Flory als Phantom-Netzwerke. Der Wert von A entspricht . Liegen mittlere Deformationen bzw. kleine Quellungsgrade vor gilt . Ronca und Allegra haben eine ähnliche Behandlung des Problems durchgeführt, die zu dem gleichen Ergebnis geführt hat [88].

    Tab.(5.1): Die Konstanten A und B in der statistischen Netzwerktheorie.

    Autoren

    A

    B

    James und Guth [61,62]

    0,5

    0

    Flory und Rehner [50]

    Flory und Wall [66]

    1

    0,5

    J. J. Hermans [65]

    1

    1

    Duiser und Staverman [83]

    1-2/f

    0,5

    Eichinger [84]

    Graessley [85]

    Edwards [89]

     

    1-2/f

     

    0

    Ziabicky [90]

    1

    0,5

    Flory [86,87] Phantom-Netzwerk

    reales Netzwerk

    1-2/f

    1

    0

    2/f

    Der Volumenfaktor B muß dann berücksichtigt werden, wenn eine Volumenänderung während der Deformation oder Quellung auftritt. Flory hat für ihn den Zusammenhang vorgeschlagen. In der Theorie des Phantom-Netzwerks hat B den Wert Null, während er in einem realen Netzwerk der genannten Beziehung entspricht.

  • 5.3. Das chemische Potential des Quellmittels in einem gequollenen Netzwerk
  • Zur Bestimmung des chemischen Potentials einer Gelmischphase werden die in den Kapiteln 5.1 und 5.2 hergeleiteten Ausdrücke für die Größen D G
    m und D Gel + D Gvern entsprechend

    (5.37)

    zum Ausdruck für die durch Quellung hervorgerufene Änderung der Freien Enthalpie eines Gels, D G
    q, zusammengesetzt. Hierin beschreibt D Gm die Änderung der freien Enthalpie, wenn Polymermoleküle mit niedrigmolekularen Lösemittelmolekülen gemischt werden. Für eine binäre nicht-ideal-athermische Lösung ist D Gm durch Gl.(5.13) gegeben. Änderungen der End-zu-End-Abstände der Netzwerkketten, wie sie z. B. aus der Quellung resultieren, sind durch den Ausdruck D Gel, d.h. die Änderung des elastischen Anteils der Freien Enthalpie, wiedergegeben. Der dritte Beitrag, D Gvern, beruht auf Änderungen, die durch die Vernetzung von freien Polymerketten zu Netzwerken hervorgerufen werden. Er ist zusammen mit der Größe D Gel durch Gl.(5.35) gegeben.

    Ableiten der Gl.(5.37) nach der Stoffmenge des Lösemittels unter Konstanthaltung der Temperatur, des Drucks und aller anderen Stoffmengen außer der des Quellmittels, führt zum Ausdruck des chemischen Potentials einer binären Gelmischphase.

    (5.38)

    (5.39)

    Die Größe entspricht dem Kehrwert des mittleren Polymerisationsgrades der Netzwerkketten zwischen zwei Knotenpunkten z
    x, so daß sich nach Umformung der Zusammenhang

    (5.40)

    ergibt [78]. Im folgenden wird das Produkt zu der Konstante C
    x, den sog. Netzwerkparameter, zusammenfaßt. Der Index x bezeichnet das verwendete Konzentrationsmaß, den Grundmolenbruch.

    Für den Polymerisationsgrad des Polymeren r
    x können in einem Netzwerk zwei Grenzwerte diskutiert werden. Flory hat ihn als unendlich groß angenommen [7-9]. Er geht davon aus, daß die Ketten eines Netzwerks so voneinander getrennt werden können, daß ein einziges lineares Riesenmolekül entsteht. Für den Grenzübergang nimmt die Größe (1-1/rx) den Wert 1 an. Als zweiter Grenzwert kann der Polymerisationsgrad der Netzwerkketten zwischen zwei Knotenpunkten eingesetzt werden, die Werte für rx und zx werden identisch [91,92]. In diesem Fall wird der Grundmolenbruch des Polymeren im Mischungsterm durch einen Wert kleiner Eins gewichtet.

    Wird für die Freie Mischungsenthalpie, D G
    m, der Ausdruck für ein ternäres System in Gl.(5.37) verwendet, kann das chemische Potential einer ternären Gelmischphase in Analogie zu Gl.(5.40) geschrieben werden. Es lautet

    (5.41)

  • 5.4. Ergebnisse der thermodynamischen Quellungstheorie
  • Die thermodynamische Beschreibung des Quellverhaltens eines Netzwerks entspricht der Behandlung eines heterogenen 2-Phasen-Systems [1-4]. Bei der einen Phase handelt es sich um einen quellbaren Körper. Die andere Phase ist die diesen Körper umgebende "externe" Phase, das heißt vereinfacht: das reine Quellmittel.

    In gequollenem Zustand liegt flüssiges Quellmittel im Inneren eines makromolekularen Netzwerks vor. Diese Phase wird im allgemeinen als elastische Mischphase oder Gelphase bezeichnet. Im Gel hat das Quellmittel, wie aus spektroskopischen Untersuchungen bekannt ist, unabhängig von seinem Zustand in der externen Phase, den Charakter einer Flüssigkeit [93,94]. Außerhalb des Gels kann das Quellmittel in einem beliebigen Zustand sowohl als reine Komponente als auch als eine Mischphase vorliegen.

    Die Quellungskurve eines Gels ist definiert als die Temperaturabhängigkeit der Sättigungs- bzw. Gleichgewichtskonzentration des Quellmittels in der Gelphase bei konstantem Druck [69]. Es ist jedoch üblich sie als Diagramm darzustellen.

    Die Quellungskurve stellt die Gleichgewichtskurve eines isotherm-isobaren heterogenen Zwei-Phasen-Gleichgewichts dar. Für ein solches Gleichgewicht müssen die Temperatur T, der Druck P und die chemischen Potentiale aller Substanzen, die die Phasengrenze passieren können, in allen Phasen b gleich sein. Die Gln.(5.42a), (5.42b) und (5.42c) entsprechen den Bedingungen für chemisches, thermisches und mechanisches Gleichgewicht, wenn reines Quellmittel mit der Mischphase koexistiert.

    , (5.42a)

    , (5.42b)

    . (5.42c)

    bezeichnet das chemische Potential des reinen Quellmittels in der Phase a , welches lediglich von der Temperatur und dem Druck abhängig ist. ist das chemische Potential des Quellmittels im Gel, abhängig von der Temperatur, dem Druck und der Zusammensetzung der Gelphase. Der Phasenindex a kennzeichnet die Phase, die die Gelphase umgibt, das heißt letztlich den Aggregatzustand des reinen, externen Quellmittels. Im Verlauf der folgenden Diskussion kann das reine Quellmittel außerhalb der Gelphase dampfförmig (a =d), flüssig (a =fl) oder kristallin (a =kr) vorliegen.

    Im einfachsten Fall, in dem lediglich das reine Quellmittel die Phasengrenze Gel/ reines Quellmittel passieren kann, gilt für das chemische Gleichgewicht zwischen den beiden Phasen bei Konstanz von Temperatur und Druck

    . (5.43)

    Aus der Bildung des totalen Differentials bei währendem Gleichgewicht (Index e) resultiert für die Steigung der Quellungskurve T() der Ausdruck

    . (5.44)

    Die Größe bezeichnet die Differenz aus der partiellen molaren Enthalpie des Quellmittels im Gel und der molaren Enthalpie des reinen Quellmittels in der Phase a , . Der Differentialquotient entspricht dem Stabilitätskriterium, welches für stabile und metastabile Phasen, die hier betrachtet werden, grundsätzlich ein positives Vorzeichen haben muß [95]. Das Vorzeichen des Quotienten auf der rechten Seite der Gl.(5.44) wird also, da die thermodynamische Temperatur ebenfalls immer größer als Null ist, durch das Vorzeichen von bestimmt.

  • 5.4.1. Quellung im reinen flüssigen Quellmittel
  • Im Bereich des flüssigen Quellmittels, das heißt , wobei T
    m,1 die Schmelz- bzw. Tb,1 die Siedetemperatur des Quellmittels ist, wird das Vorzeichen der Steigung der Quellungskurve durch den Ausdruck bestimmt [69,78]. Er ist gegeben durch

    . (5.45)

    Die differentielle Verdünnungsenthalpie ist die Differenz zwischen der partiellen molaren Enthalpie des Quellmittels im Gel und der molaren Enthalpie des reinen Quellmittels . Wie oben gezeigt, bestimmt sie das Vorzeichen der Steigung der Quellungskurve. In Abhängigkeit von der Güte des Quellmittels in Bezug auf das jeweils betrachtete Quellmittel/Polymernetzwerk-System müssen hierbei 3 Fälle unterschieden werden, die in Abb.(5.2) schematisch dargestellt sind.

    Abb.(5.2): Schematische Darstellung des Verlaufs einer Quellungskurve im Bereich des flüssigen Quellmittels unter Berücksichtigung des Einflusses der differentiellen Verdünnungsenthalpie auf das Vorzeichen der Steigung der Quellungskurve.

    die differentielle Verdünnungsenthalpie im gesamten Konzentrationsbereich. Dieser Fall entspricht athermischem Verhalten.

  • 5.4.2. Quellung im kristallinen Quellmittel
  • Betrachtet man das heterogene Gleichgewicht zwischen der flüssigen Gelphase und dem kristallinen Quellmittel, welches das Gel komplett umschließt, wird das Vorzeichen der Steigung durch die Größe bestimmt [1,2]. ist die Enthalpie, die für die Überführung eines Mols des Quellmittels aus der kristallinen Phase in die Gelphase benötigt wird. Im Vergleich zu enthält die Schmelzenthalpie des Lösemittels

    (5.46)

    kann als Summe aus der differentiellen Verdünnungsenthalpie und der Schmelzenthalpie des Quellmittels geschrieben werden. Im allgemeinen ist die Ungleichung erfüllt. Das Vorzeichen der Schmelzenthalpie des Quellmittels bestimmt also das Vorzeichen der Steigung der Quellungskurve. Da normalerweise größer als Null ist, sollte die Quellungskurve für Temperaturen eine positive Steigung aufweisen. Der Anteil des Quellmittels in der Gelphase muß mit sinkender Temperatur abnehmen. Wird die Schmelztemperatur des Quellmittels unterschritten, tritt eine Entquellung der Gelphase auf.

  • 5.4.3. Quellung eines Netzwerks im Dampf des Quellmittels
  • In diesem Abschnitt soll der Teil der Quellungskurve untersucht werden bei dem das Quellmittel als Dampfphase an bzw. über seinem Siedepunkt T
    b,1 vorliegt [1,2]. Der Druck wird auch hier während eines Experiments konstant gehalten, wobei er nicht notwendigerweise gleich dem Atmosphärendruck sein muß. Das Vorzeichen der Steigung der Quellungskurve ist in diesem Fall durch die Größe gegeben [1]. Sie ist als Überführungs-Enthalpie des Quellmittels zu verstehen und ist durch die Differenz aus der Enthalpie des Quellmittels im Gel und der molaren Enthalpie des reinen Quellmittels in der Dampfphase gegeben.

    (5.47)

    Durch diese einfache Transformation, das heißt Addition und direkte Subtraktion der molaren Enthalpie des reinen flüssigen Quellmittels, ergibt sich als Summe aus der differentiellen Verdünnungsenthalpie und der negativen Verdampfungsenthalpie .

    Eine Abschätzung der Beträge der Summanden in Gl.(5.47) zeigt, daß im allgemeinen die Beziehung erfüllt ist. In diesem Teil der Quellungskurve ist also die Verdampfungsenthalpie des Quellmittels für das Vorzeichen der Überführungsenthalpie verantwortlich. Da eine negative Größe ist, ist das Vorzeichen der Steigung unter Berücksichtigung des Stabilitätskriteriums demnach negativ. Gleichbedeutend hiermit ist eine Entquellung der Gelphase, steigt die Temperatur des Systems über die Siedetemperatur des Quellmittels.

  • 5.4.4. Thermodynamische Beschreibung der Quellungskurve mit Hilfe der Ergebnisse der statistischen Ansätze
  • Im vorigen Abschnitt sind die Gleichungen der Steigung der Quellungskurve für die unterschiedlichen Stoffzustände des Quellmittels hergeleitet und diskutiert worden. Im folgenden sollen nun unter Berücksichtigung des Ausdrucks für das chemische Potential des Quellmittels, Gl.(5.40), die Abhängigkeit der Temperatur von der Konzentration des Quellmittels in der Gelmischphase hergeleitet werden.

    Es wird zuerst der Abschnitt der Quellungskurve betrachtet, der sich bei einer Quellung in flüssigem Quellmittel ergibt. Das chemische Potential des Quellmittels ist bei konstantem Druck sowie der Beschreibung des Gels als binäres System durch

    (5.48)

    (5.49)

    gegeben. Im heterogenen Gleichgewicht gilt . Wird außerdem für den Wechselwirkungsparameter c
    x der einfache Ansatz eingesetzt, folgt nach Umformung der Zusammenhang

    . (5.50)

    In dieser Gleichung sind sowohl der Volumenterm als auch der Polymerisationsgrad r
    x der Netzwerkketten berücksichtigt. Gl.(5.50) entspricht der T()-Abhängigkeit unter Gleichgewichtsbedingungen für die Quellung eines Netzwerks im Temperaturbereich Tm,1 £  T £  Ts,1.

    Betrachtet man den Abschnitt der Quellungskurve für Temperaturen unterhalb T
    m,1, muß die Gleichgewichtsbedingung

    (5.51)

    erfüllt sein. Subtraktion des chemischen Potentials des reinen flüssigen Quellmittels , Einführung der Beziehung , mit bzw. der partiellen molaren Enthalpie bzw. Entropie des Stoffes i in der Phase a sowie Einführung der Definitionen der Schmelzenthalpie und der Schmelzentropie des reinen Quellmittels führt zu dem Zusammenhang

    . (5.52)

    In dieser Gleichung stehen zwei Größen, die eine Temperaturabhängigkeit aufweisen, die Schmelzenthalpie des Quellmittels und der FHSS-Wechselwirkungsparameter. Wird, wie in Gl.(5.50), der Ansatz für den c
    x-Parameter angenommen, ist die Abhängigkeit der Temperatur von der Zusammnsetzung der Gelmischphase im Gleichgewicht durch den folgenden Ausdruck gegeben

    . (5.53)

    In Analogie zu den Ausdrücken für die Beschreibung der Gele als binäre Systeme sind in dieser Arbeit Gleichungen abgeleitet worden, die die Gele als Drei-Komponenten-Systeme wiedergeben. Werden diese Ausdrücke für die Herleitung der T()-Abhängigkeit für beide Abschnitte der Quellungskurve verwendet, ergeben sich diese analog zu den Gleichungen (5.50) und (5.53). Mit dem Ansatz des FHSS-Wechselwirkungsparameters, mit den Indices i=1,2,3, j=2,3 und i<j, lautet der Ausdruck für den Bereich der Quellung im flüssigen Quellmittel

    =
    ()/
    (

    )

    (5.54)

    bzw. für die Quellungskurve unterhalb der Schmelztemperatur des Quellmittels

    =
    ()/
    ((

    )) .

    (5.55)

  • 5.5. Entquellungsgleichgewicht
  • Wird ein Gel, das sich im Quellungsgleichgewicht mit der Quellmittelphase befindet, in eine Polymerlösung mit dem Quellmittel als Lösemittel überführt, wird das Gel bis zum Ausgleich der Aktivität des Lösemittels in den beiden Phasen entquellen [96]. Voraussetzung für dieses Verhalten sind Konstanz von Druck und Temperatur während der Einstellung der beiden Gleichgewichte. Die molare Masse des gelösten Polymers in der externen Polymerlösung muß hierbei so groß gewählt werden, daß die Polymerkomponente nicht in das Netzwerk der Gelphase eindringen kann [9,97].

    Bei dem beschriebenen Verhalten handelt es sich um einen osmotischen Effekt, den zuerst Boyer zur Bestimmung der thermodynamischen Eigenschaften gequollener Systeme vorgeschlagen hat [9]. Rehage hat diese Methode zur Charakterisierung von Polystyrol-Gelen in unterschiedlichen Quellmitteln aufgegriffen, wobei von ihm die Messungen nur bei einer Temperatur ausgeführt wurden [9,98].

    Die Änderung der chemischen Potentiale in der Polymerlösung, des Quellungs- und Entquellungsgleichgewichts werden durch die folgenden Ausdrücken beschrieben

    , (5.56)

    , (5.57)

    . (5.58)

    Die Indizes ', '' und ''' kennzeichnen die Polymerlösung, das in reinem Lösemittel gequollene Gel und das in der Polymerlösung entquollene Gel. sind die Änderungen des chemischen Potentials des Lösemittels für die drei genannten Fälle. Die chemischen Potentiale des Lösemittels bei den Konzentrationen und , die den drei betrachteten Phasen entsprechen, sind durch die Größen , und gegeben. ist das chemische Potential des reinen Lösemittels, LM.

    Da es sich beim Quellungs- und Entquellungsgleichgewicht um heterogene Gleichgewichte handelt, ergeben sich mit der allgemeinen Gleichgewichtsbedingung die folgenden Aussagen.

    Quellungsgleichgewicht:

    (5.59)

    Entquellungsgleichgewicht:

    . (5.60)

    Aus der Flory-Huggins-Theorie ergibt sich für die Änderung des chemischen Potentials des Lösemittels in einer realen Lösung

    . (5.61)

    und bezeichnen den Grundmolenbruch des Lösemittels und des gelösten Polymeren. r
    x steht für den zahlenmittleren Polymerisationsgrad des Gelösten und ist der Wechselwirkungsparameter der Polymerlösung. Zugänglich sind diese Größen z. B. durch temperatur- und konzentrationsabhängige membranosmotische Experimente an dem entsprechenden Polymer/Lösemittel-System.

    Die Wechselwirkungen zwischen dem Quellmittel und dem Netzwerk im Quellungs- und Entquellungsgleichgewicht werden durch den gleichen FHSS-Wechselwirkungsparameter, c
    x, beschrieben. Sowohl c x als auch der Wechselwirkungsparameter der Lösung sind in der Grundmolenbruchskala angegeben und von der Temperatur und der Konzentration abhängig.

    Für das Quellungsgleichgewicht ergibt sich mit den Gl. (5.40) und (5.59)

    . (5.62)

    In dieser Formulierung ist der Ausdruck aus Gl.(5.40) durch die Konstante Cx zusammengefaßt. Der Volumenterm (B/Z)
    x in Gl.(5.40) ist hier vernachlässigt worden. Die Konzentrationen des Lösemittels bzw. des Gels, die Gl.(5.62) enthält, sind experimentell bestimmbar, während die Größen Cx und unbekannt sind.

    Im Falle des Entquellungsgleichgewichts gilt unter Berücksichtigung der Gl. (5.61), und (5.40) der Zusammenhang

    . (5.63)

    Mit Gl.(5.61) erhält man den Ausdruck

    , (5.64)

    wobei r
    x der Polymerisationsgrad des Polymers in der Lösung ist. Gl.(5.64) stellt eine zweite Bestimmungsgleichung für die Ermittlung der Größen Cx und dar.

    Durch eine Bestimmung des Quellungsgrades des Gels in Polymerlösungen unterschiedlicher Konzentrationen, ist eine Überprüfung der Konzentrationsabhängigkeit des Wechselwirkungsparameters möglich. Eine Variation der Temperatur erlaubt analog eine Einschätzung der Abhängigkeit dieses Parameters von der Temperatur.

     

  • 5.6. Membranosmose
  • Die Methode der Membranosmose stellt eine einfache Möglichkeit dar, nicht nur das Zahlenmittel der molaren Masse einer Polymerprobe sondern auch die thermodynamischen Eigenschaften eines Polymer/Lösemittel-Systems, im allgemeinen im Bereich geringer Polymerkonzentration, zu bestimmen.

    Bei der Membranosmose sind Lösung und reines Lösemittel durch eine semipermeable Membran getrennt, welche im Idealfall nur für Lösemittelmoleküle passierbar ist. Rehage und Meys erwähnen eine differentielle Methode, bei der zwei unterschiedlich konzentrierte Lösungen durch eine semipermeable Membran getrennt sind [99]. Aufgrund der Konzentrations- bzw. Aktivitätsunterschiede differieren die chemischen Potentiale der Komponenten 1 (Lösemittel) und 2 (Gelöstes, hier Polymer) in der Lösung bzw. im reinen Lösemittel. Die Lösemittelmoleküle wandern solange von der niedriger konzentrierten in die höher konzentrierte Lösung bis die chemischen Potentiale auf beiden Seiten gleich groß sind, bzw. bis sich das System durch die Druckänderung wieder im Gleichgewicht befindet. Das Volumen der konzentrierteren Lösung vergrößert sich also bis der Ausgleich erfolgt ist. Der osmotische Druck, der durch den Aktivitätsunterschied hervorgerufen wird, ist dann ebenso groß, wie der hydrostatische Druck einer Flüssigkeitssäule. Der sich einstellende Druck kann über ein Flüssigkeitsmanometer oder einen elektronischen Detektor bestimmt werden.

    Die verwendeten Membranen, bei denen es sich um vernetzte Polymerfilme handelt, müssen mit dem verwendeten Lösemittel im Quellungsgleichgewicht stehen. Die Größe, das heißt der Zahlenwert, der bestimmbaren molaren Masse eines Polymeren hängt hierbei von der Maschengröße des verwendeten, vernetzten Polymerfilms ab. Im allgemeinen ist die Membranosmose am besten für mittelgroße Moleküle, in einem Bereich der zahlenmittleren molaren Masse von 10
    4 gmol-1 bis 106 gmol-1, geeignet. Für Proben mit größerem Molgewicht als 106 gmol-1 werden die Meßeffekte zunehmend kleiner. Bei Molekülen mit geringerer Molmasse als 104 gmol-1 besteht die Schwierigkeit, geeignete Membranen mit genügend enger Porenweite zu finden.

    Für die thermodynamische Auswertung der experimentellen Ergebnisse wird die erweiterte Flory-Huggins-Gleichung für Polymer-Lösungen herangezogen [100].

    (5.65)

    Der Index 1 kennzeichnet das Lösemittel, während der Index 2 die Polymerkomponente bezeichnet. Mit r
    ist der zahlenmittlere Polymerisationsgrad in der Grundmolenbruchskala durch den Quotienten aus dem Zahlenmittelwert der molaren Masse des Polymeren und der molaren Masse des Monomeren gegeben. Die Größen c i bezeichnen die FHSS-Wechselwirkungsparameter.

    Über folgende Ausdrücke ist der osmotische Druck mit dem chemischen Potential und der freien Mischungsenthalpie D G
    m verknüpft

    , (5.66a)

    , (5.66b)

    . (5.66c)

    Voraussetzung für Gl.(5.66b) ist die Druckunabhängigkeit des partiellen molaren Volumens V
    1. Durch Gl.(5.66c) wird die Näherung, daß V1 unabhängig von der Konzentration des Gelösten ist, eingeführt, so daß V1 gleich dem molaren Volumen V01 des Lösemittels gesetzt werden kann [101].

    Durch Substitution der Gl.(5.66a) bis (5.66c) in Gl.(5.65) und Entwicklung des logarithmischen Terms in dieser Gleichung in eine Reihe des Grundmolenbruchs des Polymeren, , erhält man für den osmotischen Druck [101-103]

    . (5.67)

    Hieraus ergeben sich die Virialkoeffizienten des osmotischen Drucks in der Grundmolenbruchskala wie folgt

    , (5.68a)

    , (5.68b)

    . (5.68c)

  • 5.7. Berechnung der löslichen Anteile eines Netzwerks mit Hilfe der Statistik
  • Basierend auf der rekursiven Natur des Vernetzungsprozesses und dem elementaren Gesetz der Wahrscheinlichkeit sind einfache Relationen zugänglich zwischen dem experimentell zugänglichen Anteil löslicher Moleküle eines Netzwerks und dem Ausmaß der Reaktion [23-27]. Außerdem ermöglichen diese zwei Werte eine Berechnung der Konzentration der elastisch aktiven Ketten n
    eff im Netzwerk sowie der Vernetzungsdichte n . In der Ableitung zu den hierzu benutzten Gleichungen werden die folgenden Annahmen gemacht, die den Annahmen von Flory für ein ideales Netzwerk entsprechen [68].

    Die Synthese eines Netzwerks kann als schrittweise Copolymerisation zwischen zwei Komponenten und aufgefaßt werden. Die Moleküle der Komponente A sollen hierbei die Funktionalität f
    i aufweisen und mit einer molaren Konzentration vorhanden sein. Bei der Komponente B handelt es sich um gj funktionale Moleküle mit einer molaren Konzentration .

    Abb.(5.3): Beispiel eines Reaktionsschemas einer Netzwerkbildungsreaktion, wobei die Komponente die Funktionalität 3 und die Moleküle die Funktionalität 2 aufweisen.

    Folgt man in diesem Reaktionsschema dem mit 1 gekennzeichneten Pfeil, entspricht die Größe der Wahrscheinlichkeit eine endliche Kette aufzufinden. Sie wird durch die Variable p
    a, das heißt den Anteil der Gruppen des Typs A die reagiert haben, gewichtet. Es wird nun vorausgesetzt, daß die betrachteten Ereignisse, die Wahrscheinlichkeit einer Reaktion der Gruppen A bzw. B und die Wahrscheinlichkeit eine endliche Kette aufzufinden, voneinander abhängig sind. In diesem Fall muß die Wahrscheinlichkeit nach dem Gesetz der totalen Wahrscheinlichkeit berechnet werden

    . (5.69)

    Haben Moleküle des Typs A reagiert, gilt . Gl.(5.69) kann somit in der Form

    (5.70)

    geschrieben werden.

    Betrachtet man ein Molekül des Typs B von einer funktionalen Gruppe aus (entlang Pfeil 2) ist diese Endgruppe der Start einer endlichen Kette, wenn alle (g-1) anderen "Arme" dieses Moleküls endlich sind. Die Wahrscheinlichkeit , die diesen Fall bezeichnet, ist durch

    (5.71)

    gegeben. In Analogie zu der Wahrscheinlichkeit , ergibt sich entlang Pfeil 3

    (5. 72)

    und

    . (5.73)

    p
    b bezeichnet hierbei den Anteil an Molekülen B, die reagiert haben. Die Kombination der Gl.(5.70) und (5.73) liefert den Zusammenhang

    . (5.74)

    Der Wert löslicher bzw. extrahierbarer Anteile, die nach abgeschlossener Netzwerkbildung im Netzwerk verbleiben, ist experimentell zugänglich. Ist ein Molekül A oder B Teil der löslichen Anteile w
    s muß jeder "Arm" eines solchen Moleküls zu einer endlichen Kette führen

    , (5.75)

    wobei die Größen bzw. die Massenbrüche der Moleküle bzw. in der Ausgangsmischung bezeichnen.

    Damit ein aktiver Knotenpunkt des Netzwerks gebildet wird, müssen alle 3 "Arme" eines Moleküls A in das Netzwerk eingebaut werden. Die Wahrscheinlichkeit P(x
    i), daß irgendein Molekül des Typs A einen Knotenpunkt der Funktionalität i bildet, ist gegeben durch

    , mit i ³ 3 . (5.76)

    Hierbei können eine Anzahl i der f
    i möglichen "Arme" unendlich sein, so daß mögliche Kombinationen existieren. Die Summe über die Möglichkeiten der Netzwerkbildung, Gl.(5.76), gewichtet mit der Ausgangskonzentration der Moleküle, , der Funktionalität i, entspricht der Gesamtkonzentration aktiver Knotenpunkte

    . (5.77)

    Da eine elastisch aktive Kette an beiden Enden mit einem solchen Knotenpunkt verknüpft ist, folgt, daß die Zahl elastisch aktiver Ketten n
    eff über den folgenden Zusammenhang berechnet werden kann

    . (5.78)