Prospektive multikriterielle Entscheidungsunterstützung für die Entwicklung und Bewertung von Maßnahmen im Wasser-Energie Nexus : Das Wasserdefizitproblem im Nahen Osten

Aride und semiaride Regionen, wie der Nahe Osten, sind durch ein Zusammenwirken aus Bevölkerungswachstum, sozioökonomischen Entwicklungen und den Folgen des Klimawandels zunehmend Wasserknappheit ausgesetzt. In Palästina und Jordanien sind Grundwasservorkommen bereits entweder erschöpft oder stark übernutzt, so dass zeitnah Maßnahmen erforderlich sind, um die Wasserversorgung und landwirtschaftliche Nahrungsmittelproduktion aufrecht zu erhalten. Eine essentielle Maßnahme ist die Errichtung zusätzlicher Anlagen zur Meerwasserentsalzung und die anschließende Verteilung des auf diese Weise gewonnenen Süßwassers an Bedarfspunkte in der Region. Dies ist aufgrund der Menge des zu entsalzenden und über große Höhendifferenzen zu fördernden Wassers jedoch mit einem hohen Energiebedarf verbunden, welcher in der Region vorrangig durch Umwandlung fossiler Primärenergie gedeckt wird. Somit ergeben sich Überschneidungen mit energiewirtschaftlichen Infrastrukturentscheidungen und potentielle Zielkonflikte bei der Erreichung von Zielen nachhaltiger Entwicklung. Im Ansatz des Wasser-Energie Nexus werden daher die Wasser- und Energieversorgung unter Berücksichtigung unerwünschter Wechselwirkungen und unter Nutzung möglicher Synergiepotenziale integriert geplant. Die Entwicklung von Maßnahmen im Wasser-Energie Nexus ist deshalb ein komplexes Planungsproblem, weil viele Akteure aus unterschiedlichen Bereichen und Disziplinen beteiligt sind, wie z. B. Forschende, politische Entscheider, verschiedene Ingenieurdisziplinen oder die Zivilgesellschaft, und die zu treffenden Entscheidungen langfristige Konsequenzen haben. Da Jordanien und Palästina nur unzureichenden bzw. geteilten Zugang zu potenziellen Salzwasserquellen am Roten Meer und am Mittelmeer haben, sind zudem transnationale Infrastrukturlösungen und die Harmonisierung heterogener politischer Interessen erforderlich.

Als Teilgebiet der Entscheidungstheorie bietet die multikriterielle Entscheidungsanalyse eine Reihe von Verfahren zur Bewertung von Handlungsmaßnahmen unter mehreren, möglicherweise konfligierenden Zielen. Aufgrund ihrer guten Nachvollziehbarkeit, flexiblen Präferenzmodellierung und differenzierten Ergebnisdarstellung werden sie häufig für Entscheidungsprobleme in den Bereichen Wasser, Energie und Umwelt eingesetzt. Um den Spezifika besonders komplexer Entscheidungsprobleme gerecht zu werden, stehen darüber hinaus formalisierte Methoden zur systematischen Problemstrukturierung bereit. Bisher gibt es jedoch kein Verfahren, das die Vorteile der multikriteriellen Entscheidungsanalyse und problemstrukturierender Methoden für Entscheidungsprobleme mit heterogenen Akteuren und langfristigem Planungshorizont im Wasser-Energie Nexus nutzt.

In dieser Arbeit wird ein Verfahren zur prospektiven multikriteriellen Bewertung von Handlungsmaßnahmen im Wasser-Energie Nexus entwickelt und implementiert, welches die Anforderungen an eine gemeinsam geplante Wasser- und Energieversorgung erstmals gänzlich berücksichtigt. Es basiert auf dem Vorgehen der Multi-Actor Multi-Criteria Analysis mit PROMETHEE als Aggregationsmethode. Dies ermöglicht eine separate Präferenzmodellierung der verschiedenen Interessensgruppen, was deren Teilhabe am Entscheidungsprozess fördert und zusätzliche Erkenntnisse bei der Analyse schafft. Die prospektive Bewertung berücksichtigt Unsicherheiten aus verschiedenen Quellen und untersucht die Robustheit der Ergebnisse mit Hilfe von Monte-Carlo-Simulationen. Zudem erlaubt sie Entscheidungstragenden, kritische Entwicklungen in den Umweltbedingungen frühzeitig zu erkennen und Adaptationsmöglichkeiten zu bewerten und umzusetzen. Das Verfahren ist zugeschnitten auf das Wasserdefizitproblem in Israel, Jordanien und Palästina, aber auch auf andere Fragestellungen des Wasser-Energie Nexus anwendbar. Anhand der Entwicklung und Bewertung von fünf grenzüberschreitenden Wasserinfrastrukturkonzepten im Nahen Osten wird gezeigt, wie die Phasen des Verfahrens fallspezifisch ausgestaltet werden können, um Entscheidungen von Wasser- und Energieplanern sowie politischen Entscheidern zu unterstützen.

Due to a combination of population growth, socio-economic development and the effects of climate change, arid and semi-arid regions such as the Middle East are increasingly exposed to water scarcity. In Palestine and Jordan, groundwater resources are already either depleted or severely overexploited, requiring immediate action to maintain water security and agricultural food production. One essential countermeasure is the deployment of additional seawater desalination plants and distribution infrastructure to convey the additional freshwater volumes to demand points in the region. Due to the quantity of water that has to be desalinated and transferred over large elevation differences, this is associated with a high energy demand, which is currently mainly fueled by the conversion of fossil primary energy. Thus, there are overlaps with energy-related infrastructure decisions and potential conflicts of interest in achieving sustainable development goals. The water-energy nexus approach aims to jointly plan the supply of water and energy, while taking into account undesirable interactions and exploiting synergies. Planning for the water-energy nexus is a complex problem, as many actors from different fields and disciplines are involved, including researchers, political decision-makers, various engineering disciplines and the civil society, and the decisions have long-term consequences. Moreover, since Jordan and Palestine have limited or shared access to the Red Sea or the Mediterranean Sea respectively, transnational infrastructure solutions are required, as is the balancing of heterogeneous political interests.

The methods of multiple criteria decision analysis stem from prescriptive decision theory and provide a set of methods for assessing alternative courses of action in the context of multiple, possibly conflicting, objectives. They are often used for decision problems in the water, energy and environmental management due to their comprehensibility, flexible preference modelling and nuanced presentation of results. To address the specificities of particularly complex decision problems, a number of more formalized methods for systematic problem structuring, so called problem structuring methods, are also available. However, there is currently no method that exploits the advantages of multi-criteria decision analysis and problem structuring methods for decision problems in the water-energy nexus, which are characterized by heterogeneous actors and long planning horizons.

In this dissertation, a method for the prospective multi-criteria evaluation of measures in the water-energy nexus is developed and implemented. The method is the first to fully take into account the requirements of a jointly planned water and energy supply. It is based on the PROMETHEE methods and furthermore allows for separate preference modelling of different stakeholder groups according to the framework of the Multi-Actor Multi-Criteria Analysis. This promotes their participation in the decision-making process and provides additional insights during the analysis. The prospective assessment considers multiple sources of uncertainty and examines the robustness of results by means of Monte Carlo simulations. Furthermore, it enables decision-makers to recognize critical developments in environmental boundary conditions at an early point in time and provides functionalities to evaluate and implement adaptations. In this thesis, the developed method is designed to address the problem of water scarcity in Israel, Jordan and Palestine, but can also be applied to other issues related to the water-energy nexus. It demonstrates how the process steps can be carried out to support the decisions of water and energy planners as well as policy makers at hand of the development and evaluation of five transboundary water infrastructure concepts in the Middle East.

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