Modulation der Eigenschaften adaptiver flüssigkristalliner Materialien mittels dynamisch kovalenter und supramolekularer Chemie
Diese Arbeit trägt zu einem besseren und tieferen Verständnis in den Bereichen der supramolekularen und dynamisch kovalenten Flüssigkristalle bei. Durch systematische Studien zu Struktureigenschaftsbeziehungen und den darauffolgenden Eigenschaftsveränderungen der responsiven oder adaptiven Materialien konnten neue Konzepte etabliert werden. Die erhaltenen Ergebnisse lassen sich in drei Themengebiete zusammenfassen.
1. Diese Studie dient dazu ein tieferes Verständnis für supramolekulare Flüssigkristalle zu erhalten, da es immer noch eine Herausforderung ist in diesem Bereich Vorhersagen über die flüssigkristallinen Eigenschaften zu treffen. Es wurden supramolekulare Flüssigkristalle aus polyphenolischen Verbindungen, als Wasserstoffbrückendonator, und Stilbazolen/Azopyridinen als Wasserstoffbrückenakzeptoren hergestellt.
Durch einen Vergleich der verschiedenen Kerneinheiten in den flüssigkristallinen 1:3 Assemblaten (Kerneinheit : St8) konnten Struktureigenschaftsbeziehungen gewonnen werden. Bei den Res Assemblaten bildete sich im 1:3 Assemblat eine enantiotrope nematische Phase aus. Eine zusätzliche Hydroxylgruppe in ortho-Position (Pic) führte zu einer Erhöhung der Kristallisationstemperatur und folglich zu einer Erniedrigung des Temperaturbereichs der flüssigkristallinen Phase. Eine zusätzliche Hydroxylgruppe in meta-Position resultiert in einer höheren Segregation und folglich zur Ausbildung einer smektischen Phase. Durch Veränderung der Konnektivität durch eine zusätzliche Carbonylfunktionalität (But, Iso) wird im Vergleich zu den Res-Assemblaten gegenteiliges beobachtet. Es spielt somit nicht nur die Anzahl und Position der Hydroxylgruppen, sondern auch die Konnektivität des aromatischen Kerns eine Rolle.
Bei einem direkten Vergleich der Assemblate mit gleicher Anzahl und Position der Hydroxylgruppen (Res und Iso), zeigte sich, dass die Konnektivität eine untergeordnete Rolle bei der Natur der Mesophase spielt, denn sie zeigten bei gleicher Position der Hydroxylgruppen die selbe nematische Phase.
Darauffolgend wurden die photoresponsiven Eigenschaften der Ap-Assemblate genauer untersucht. Es stellte sich heraus, dass in allen Ap-Assemblaten bei der Bestrahlung der flüssigkristallinen Phase mit UV-Licht der Wellenlänge von 405 nm zwischen der Mesophase und der isotropen Phase geschaltet werden kann. Bei Bestrahlung findet eine trans-cis Isomerisierung statt, was zur Auslöschung der Mesophase führt, und beim Entfernen des Lichts findet der umgekehrte Prozess statt. Die cis-Form ist durch die gebogene Struktur inkompatibel mit kalamitischen Flüssigkristallen. Mit einer Wellenlänge von 300 nm lässt sich das Resveratrol irreversibel in das Resveratron umwandeln. Die daraus resultierenden supramolekularen Komplexe zeigen keine nematische, sondern eine smektische Phase. Wird zusätzlich noch das Azopyridin als Wasserstoffbrückenakzeptor verwendet kann ein „dual-photo-active“ Material hergestellt werden. Mit 405 nm kann zwischen der flüssigkristallinen und isotropen Phase reversibel geschaltet werden und mit 300 nm irreversibel zwischen der nematischen und smektischen Phase. Die smektische Phase kann nun ebenfalls reversibel in die isotrope Phase bei Bestrahlung mit 405 nm geschaltet werden.
2. Es wurde ein Konzept entwickelt, um die dynamisch kovalente Chemie in niedermolekularen Materialien mit adaptiven Eigenschaften anzuwenden. Durch Temperatureinwirkungen in einem Gemisch aus einem Aldehyd und Amin konnten über Kondesationsreaktionen in-situunter dem Polarisationsmikroskop aus isotropen Materialien flüssigkristalline Materialen erzeugt werden. Zusätzlich zu den flüssigkristallinen Eigenschaften konnten so auch fluoreszierende Flüssigkristalle auf Basis von Salicylidenen erhalten werden. Hierbei konnten fluoreszierende Materialien im gesamten Spektrum von orange (618nm) bis blau (466nm) erzeugt werden.
Das Fluoreszenzverhalten lässt sich in drei Gruppen unterteilen. Die erste Gruppe zeigt Fluoreszenz im Festkörper und Emissionsverlust in der isotropen Phase. Zu dieser Gruppe gehören die Verbindungen ImF, ImNO2, ImOC8 und ImC8. Die zweite Gruppe, bestehend aus ImBr und ImOMe, zeigt Fluoreszenz in der Mesophase. Die letzte Gruppe besteht aus ImCl. Diese Verbindung zeigt Fluoreszenzaktivierung durch das Erhitzen in die Mesophase und darauffolgendes Abkühlen der Verbindungen in die kristalline Phase. Es wird vermutet, dass der Grund hierfür die Voranordnung der Moleküle in der smektischen Phase ist und hierdurch beim Abkühlen ein metastabiler Zustand entsteht. In diesem Zustand findet eine Rotation aus der Planarität des aromatischen Systems statt, wodurch kein Protonentransfer mehr stattfinden kann und die Fluoreszenz gequencht wird. Es zeigte sich mit Hilfe von Einkristallstrukturanalysen die starke Abhängigkeit der Fluoreszenzeigenschaften zum Winkel der aromatischen Ringe der Imine zueinander. Je planarer das System, desto eher findet der Protonentransfer bei Bestrahlung statt, was in einer höheren Quantenausbeute resultiert.
Durch die Verwendung von Metathesereaktionen konnte ein weiteres Konzept der Eigenschaftsmanipulation von Flüssigkristallen durch dynamisch kovalente Bindungen angewandt werden. Die Eigenschaftsmanipulation konnte in zwei Wegen realisiert werden. Zu einem konnte aus isotropen Materialien flüssigkristalline Materialien erzeugt werden und zum anderen konnte die Mesophasenbreite durch die Bildung eines Gemisches drastisch erhöht werden.
Eine weitere Möglichkeit der Eigenschaftsmanipulation mit Hilfe der DCC boten Aminaustauschreaktionen. Es konnte gezeigt werden, dass durch elektronische Effekte ein Einfluss auf die thermodynamische Stabilität der Imine genommen werden kann.
Je elektronenschiebender die para-Substitution der Aminkomponente des Imins, desto höher ist die resultierende thermodynamische Stabilität des Imins. Hierdurch gelang es die Produktverteilung bei Aminaustauschreaktionen zu steuern.
Mit Hilfe dieser Reaktion konnten vier Eigenschaften im System manipuliert werden:
a) Erzeugung von flüssigkristallinem Material aus nicht flüssigkristalline Ausgangsmaterialien.
b) Veränderung der Natur der Mesophase. Durch die Zugabe eines Amins in ein nematisches Imin konnte eine smektische Phase erzeugt werden. Die Dynamik der Reaktion konnte mittels Festkörper NMR in-situ verfolgt werden.
c) Manipulation der Emissionseigenschaften. Durch die Zugabe eines Amins konnten bathochrome und hypsochrome Verschiebungen des Emissionsmaximums erreicht werden.
d) Erzeugung von spontaner Symmetriebrechung in Flüssigkristallen. Aus achiralen Molekülen konnten chirale Domänen in einem Flüssigkristall in Form der NTB- und DC-Phase erzeugt werden.
Die gezeigten Möglichkeiten der Eigenschaftsmanipulation demonstrieren das Potential von Flüssigkristallen in Bezug auf zukunftsorientierten adaptiven Materialien. Es bietet sich hier eine Vielzahl an Möglichkeiten, wie die gezeigten Konzepte angewandt werden können. So konnte beispielsweise durch DCC ein Material zum „thermo-patterning“ entwickelt werden oder demonstriert werden, dass die verschiedenen Reaktionstypen beliebig miteinander kombiniert werden können.
3. Es ist immer noch eine Herausforderung Vorhersagen über supramolekulare NTB-Nematogene zu treffen. Daher wurden in dieser Studie Struktureigenschaftsbeziehungen zu supramolekularen NTB-Phasen erarbeitet.
Es konnte gezeigt werden, dass beim Aufbau von supramolekularen Dimeren, welche diese Phase ausbilden sollen, ein rigides supramolekulares Bindungsmotiv notwendig ist. Durch Verwendung von verschiedenen Wasserstoffbrückengebunden und Halogengebundenen Systemen zeigte sich, dass Carbonsäuredimere am besten geeignet sind. Lediglich Kombinationen mit der Carbonsäure (Carbonsäure+Carbonsäureamid/Pyridin/Carbonsäure) zeigten die NTB-Phase. Durch die Carbonsäure kann wahrscheinlich ein interaromatischer Winkel von etwa 125° und eine geeignete Formanisotropie erreicht werden. Auch am Linker zeigte sich, dass wie in kovalenten Systemen eine Methylenverknüpfung bevorzugt ist. Untersuchungen zu Endgruppen an den mesogenen Einheiten konnten keine genauen Tendenzen aufzeigen, allerdings konnte die NTB-Phase durch Nitril- und Nitrogruppen stabilisiert werden. Durch die Einführung von Fluor-Substituenten und langer Alkylketten konnte die DC-Phase stabilisiert werden.