Zur Rolle der wahrgenommenen Objektgröße beim Heben von Objekten – eine experimentelle Untersuchung zur Größengewichtstäuschung

Wenn zwei Objekte gleichen Gewichtes aber unterschiedlicher Größe gehoben werden, so erscheint das kleinere Objekt schwerer als das größere. In dieser seit über 200 Jahren bekannten Größengewichtstäuschung drückt sich die intersensorielle Integration von Information über Objektgewicht und Objektgröße aus. Als Determinanten dieser Täuschung sind neben verschiedenen Attributen der Objekte insbesondere die zeitliche Kontiguität der Darbietung der Gewichts- und Größeninformation von Bedeutung, darüber hinaus wird auf die Bedeutung von Vorwissen und Erwartungen für das Zustandekommen der Täuschung hingewiesen. Diskutiert wird bis zum heutigen Tage die Rolle der sensorischen Modalität, in der die Größeninformation vermittelt wird. Einige Autoren berichten von einem Modalitätseffekt, nach dem das Täuschungsphänomen in vollem Umfang nur bei haptischer Vermittlung der Information über die Objektgröße auftritt, obgleich eine ausschließlich visuell induzierte Täuschung bekannt ist. Die Aufklärung dieser Diskrepanz ist Gegenstand der vorliegenden Arbeit. In einem mehrfaktoriellen Experiment mit insgesamt 40 Probanden, in dem die Information über die Größe der dargebotenen, unterschiedlich schweren Objekte visuell und/oder haptisch vermittelt wird, kann der Modalitätseffekt als Ausdruck eines Artefaktes nachgewiesen werden. Hierzu werden einige der kugelförmigen Vergleichsobjekte so gestaltet, dass die Größenverhältnisse zwischen kleinerem und größerem Vergleichsobjekt bei ihrer Darbietung annähernd identisch sind, wenn der Durchmesser bei visueller Darbietung und das Volumen bei haptischer Darbietung als Großenhinweisreiz herangezogen werden. Die Befunde zeigen, dass es keinen Modalitätseffekt bei der Größengewichtstäuschung gibt, wenn die wahrgenommenen Größenverhältnisse der zu vergleichenden Objekte in der jeweiliger Sinnesmodalität, in der die Information über die Größe vermittelt wird, gleich sind. Bei gleichzeitiger Darbietung von Information über die Größe der Gewichtsobjekte in verschiedenen Modalitäten wird die Täuschung von der Größeninformation in derjenigen Modalität bestimmt, in der die Repräsentation der Größenunterschiede zwischen den Objekten am größten ist. Dieser Befund fügt sich gut in ein von Kawai, Henigman, MacKenzie, Kuang und Faust (2007) vorgestelltes konzeptuelles Modell der Gewichtswahrnehmung ein, in dem nicht die physikalischen Größenmerkmale sondern die sensorischen Größencues der verglichenen Objekte für die Ausbildung der Größengewichtstäuschung entscheidend sind.
When two objects of equal weight but different sizes are lifted, the smaller object is perceived as heavier than the larger object. This size-weight illusion, which is known for over 200 years, is the result of an intersensory integration of information about the object’s size and the object’s weight. Determining factors of this illusion are – besides different attributes of the objects themself – the temporal contiguity of the presentation of size and of weight information; prior knowledge and expectations might also play a role. Still discussed is the role of the sensory modality in which the size information is presented: Some authors report a modality effect according to which the illusion only occurs to it’s full extend when haptic size information is presented. However, it is also known that the illusion does also occur when only visual size information is available. The topic of this thesis is to settle this dispute. The results of a multifactorial experiment in which 40 persons participated and in which visual and/or haptic size information about objects of different weight was presented to them are reported. They indicate that the modality effect is an artefact: When designing spherical objects in a way that the size-relation between larger and smaller objects is nearly identical when using the objects’ diameter as visual size cue or when using the objects’ volume as haptic size cue, the modality effect vanishes when the size-relation in the respective modalities is perceived as being identical. When the objects’ sizes are perceived in both modalities, the size-weight illusion is determined by size information in the modality in which the larger size difference between the two objects is perceived. This finding fits into the conceptual model of weight perception by Kawai, Henigman, MacKenzie, Kuang and Faust (2007), according to which the sensory size cues of compared objects are relevant for the size-weight illusion and not the physical size attributes of the objects.

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