Kontrollierte Porenfunktionalisierung von PET-Kernspurenmembranen durch oberflächeninitiierte Atom Transfer Radikalpolymerisation

Die vorliegende Dissertation beschreibt die Entwicklung von grundlegend neuen Wegen zur kontrollierten Funktionalisierung von Kernspurenmembranen aus dem technisch bedeutsamen Polyethylenterephthalat (PET) im nominellen Porengrößenbereich von 100 bis 5000 nm. Die gesamte zugängliche Oberfläche dieser Membranen wurde dazu mit stimuli-responsiven Pfropfschichten funktionalisiert. Hierbei kamen Poly(N-isopropylacrylamid) (PNIPAAm) als temperatur- und Polyacrylsäure (PAA) sowie Polymethacrylsäure (PMAA) als pH-responsives Polymersystem zum Einsatz. Die Einführung der Funktionalschichten wurde mit Hilfe der oberflächeninitiierten Atom Transfer Radikalpolymerisation (ATRP) ermöglicht. Bedingt durch den Modellcharakter der verwendeten Membranen, welcher durch die isozylindrische und größeneinheitliche Porenstruktur begründet ist, konnten die gemessenen Flüssigkeitspermeabilitäten der funktionalisierten Membranen mittels der Gleichung von Hagen-Poiseuille direkt in effektive hydrodynamische Schichtdicken der Pfropfcopolymere umgerechnet werden. Somit konnte deren innere Struktur anhand der Änderung der Schichtdicke beim Wechsel der Konformation, dem so genannten „Schalteffekt“, in Abhängigkeit der Synthesebedingungen detailliert untersucht werden. Durch polymeranaloge Funktionalisierungen konnte die initiale Oberflächenkonzentration an Hydroxygruppen der Basismembranen von ~0,2 Gruppen / nm² um ein Vielfaches gesteigert werden. Zunächst wurden die Membranen in einer schwefelsauren Lösung aus Kaliumpermanganat behandelt, um oberflächennahe Estergruppen durch Hydrolyse zu spalten. Durch Aktivierung der generierten Carboxylgruppen mit 1-Hydroxytriazolhydrat und N,N`-Diisopropylcarbodiimid und anschließender Aminierung mit Ethanolamin wurden ~1 Hydroxygruppen / nm² erzielt. Diese Membranen wurden als Proben mit „Standardfunktionalisierung“ bezeichnet. Via Veresterung der Hydroxygruppen in der jeweiligen polymeranalogen Synthesestufe mit α-Bromisobuttersäurebromid (α-Br) wurde der für die ATRP notwendige Initiator auf der Oberfläche eingeführt. Im Zuge dieser Arbeit wurde eine Methode entwickelt, um die hieran beteiligten Hydroxygruppen quantitativ erfassen zu können. Bedingt durch die hohe Reaktivität von α-Br kann somit auch indirekt auf die Oberflächenkonzentration des Initiators geschlossen werden. Die ATRP auf PET wurde vornehmlich mit zwei Polymerisationssystemen etabliert. Zunächst kam ein System aus Methanol & Wasser (7:3) und einem Katalysator aus N,N,N`,N``,N``-Pentamethyldiethylentriamin / CuBr (System A) für die ATRP von NIPAAm zum Einsatz. Um den Verlauf der Pfropfung besser kontrollieren zu können und eine Übertragbarkeit auf andere, hydrophobe Monomere wie tert.-Butylacrylat (tBA) und tert.-Butylmethacrylat gewährleisten zu können, wurden die Monomere in DMF mit einem Katalysator aus Tris(2-(dimethylamino)ethyl)amin / CuCl (System B) auf PET gepfropft. Die in System B hergestellten PET-g-PtBA Membranen wurden durch selektive Hydrolyse in stimuli-responsive PET-g-PAA Proben überführt. Die höchsten mittleren Dichten des gepfropften PNIPAAms in der Funktionalschicht zeigten sich bei Verwendung von Membranen mit Standardfunktionalisierung und 100 mol % α-Br als Initiator. Bei der Synthese aus System A betrug dieser Wert ~0,4 g/cm³, im Falle von System B wurde ein Wert von ~0,55 g/cm² erreicht; dies entspricht Schalteffekten von ~3 und ~2, respektive. Die effektive hydrodynamische Schichtdicke des Pfropfcopolymers konnte sowohl mit der eingesetzten Monomerkonzentration als auch mit der Reaktionszeit eingestellt werden. Für die effektive hydrodynamische Schichtdicke des PNIPAAm Pfropfcopolymers zeigte sich in System A und B ein linearer Zusammenhang mit den Funktionalisierungsgraden der Proben, wobei der Schalteffekt innerhalb einer Variante der Vorfunktionalisierung davon unabhängig war. In beiden Systemen hatte eine gesteigerte Porengröße unter gleichen Reaktionsbedingungen einen gesteigerten Funktionalisierungsgrad zur Folge. Bei der genauen Analyse und dem Vergleich aller Daten konnte gezeigt werden, dass die PNIPAAm Ketten aus System B im Vergleich zu jenen aus System A, gepfropft von Membranen jeder beliebigen Variante der Vorfunktionalisierung, insgesamt kürzer, gleichmäßiger und dichter sind. Bei der Verwendung von Membranen mit Standardfunktionalisierung und 100 mol % α-Br konnten mit höchst möglicher Monomerkonzentration in System A bis zu ~900 nm gequollene Schichtdicke erreicht werden, während in System B nur ~400 nm möglich waren. Ein weiteres Ziel dieser Arbeit war die Variation der Pfropfdichte. Durch gezielte Verdünnung des Initiators auf der PET Oberfläche wurden kleinere Funktionalisierungsgrade bei gleichzeitig vergrößerten Schalteffekten erhalten. Die effektivste Absenkung der Initiatordichte konnte im Schritt der Veresterung erzielt werden, wenn α-Br mit Propionylbromid (PrBr) verdünnt wurde. Ausgehend von PET 420 mit Standardfunktionalisierung und 4 mol % α-Br konnte der Schalteffekt bei der Synthese aus System A auf einen Wert von bis zu ~16 gesteigert werden. Bei PET-g-PNIPAAm aus System B zeigten sich hingegen bei gleicher Vorpräparation nur Schalteffekte von ~5. In PET 420, Porendurchmesser ~790 nm, mit Standardfunktionalisierung und 100 mol % α-Br zeigten PAA Pfropfschichten im Vergleich zu PNIPAAm eine erheblich kleinere mittlere Dichte von durchschnittlich ~0,2 g/cm³ im gequollenen Zustand, was Schalteffekten von ~6 entspricht. Die Synthese von PET-g-PtBA führte im Gegensatz zu PET-g-PNIPAAm bei Variation der Monomerkonzentration (2 und 4,25 mol/L) oder der Porengröße (PET 420 und 1000) bei konstanter Reaktionszeit in dem getesteten Bereich stets zum selben Ergebnis. Ein weiterer signifikanter Unterschied war im Quellverhalten der Proben feststellbar. Schon ~0,8 µg/cm² führten in PET 420 zu ~70 nm gequollener Schichtdicke, während beim maximal erreichten Funktionalisierungsgrad von ~6 µg/cm² PAA nur eine gequollene Schichtdicke von ~120 nm gemessen werden konnte. Bei Absenkung der Initiatordichte auf 33 mol % α-Br via PrBr war der Funktionalisierungsgrad im Vergleich zu PNIPAAm bei gleicher Vorpräparation um das ~4fache kleiner. Ab einer Verdünnung von 8,3 mol % α-Br konnte mit tBA keine feststellbare Funktionalisierung mehr erzielt werden. Ein ähnliches Schaltverhalten, wie es bei PET-g-PAA vorgefunden wurde, konnte auch bei PET-g-PMAA in PET 5000 beobachtet werden. Dieses Pfropfcopolymer wurde via Natriummethacrylat in Wasser mit 2,2`-Bipyridin / CuBr / CuBr2 als Katalysator hergestellt. Hierbei konnte eine gequollene Schichtdicke von bis zu ~2,28 µm erreicht werden, welche das Volumen der Poren von ~5,05 µm Durchmesser nahezu ausfüllte. In weiteren Experimenten dienten PET-g-PNIPAAm und PET-g-PtBA Proben aus System B als Makroinitiator und konnten zur Synthese eines zweiten „Blocks“ erfolgreich mit dem gleichen Monomer reinitiiert werden. Hierbei zeigte sich, dass der Funktionalisierungsgrad in Summe nach der zweiten Pfropfung stets kleiner war als der Wert, welcher bei Proben gefunden wurde, die ohne Unterbrechung in derselben Reaktionszeit gepfropft wurden. Die Abweichungen der PtBA Proben waren bedingt durch die höhere Effizienz der Reinitiierung im Vergleich zu PNIPAAm kleiner. Bei der Reinitiierung der PET-g-PNIPAAm Makroinitiatoren mit NIPAAm zeigte sich bei Variation der Monomerkonzentration, dass der Funktionalisierungsgrad des zweiten „Blocks“ von diesem Parameter unabhängig ist. Es erfolgte für die Herstellung von dual-responsiven Diblockpfropfcopolymeren Reinitiierung von Makroinitiatormembranen unter Monomerwechsel. Es wurden zunächst PET-g-PNIPAAm Proben mit tBA reinitiiert. Dabei konnte anhand von Messungen der Permeabilität und Analysen mit Hilfe des transmembranen Strömungspotentials gezeigt werden, dass tBA nicht am Kettenende des ersten „Blocks“ aufgepfropft wurde, sondern erneut auf der Substratoberfläche. Diese Synthese führte somit zu gemischten PET-g-PNIPAAm-mix-PtBA Bürsten. Bei der umgekehrten Sequenz, der Pfropfung von NIPAAm auf PET-g-PtBA Membranen, fand die Reinitiierung hingegen an den Kettenenden des ersten „Blocks“ statt. Unabhängig von diesen Tatsachen zeigten die nach der Hydrolyse erhaltenen PET-g-PNIPAAm-mix-PAA und PET-g-PAA-b-PNIPAAm Membranen bei variierten Messbedingungen von Temperatur und pH-Wert bis zu vier voneinander separierte Schaltstufen. Die erreichte effektive hydrodynamische Schichtdicke im vollständig gequollenen Zustand beider Blöcke betrug bis zu ~300 nm in PET 420 und PET 1000. Fazit dieser Dissertation Es konnten durch Anwendung der ATRP unter Nutzung von Kernspurenmembranen aus PET als Modellsystem entscheidende Fortschritte zur kontrollierten Funktionalisierung poröser Materialien mit „intelligenten“ Pfropfschichten erzielt werden. Diese Arbeit stellt eine hervorragende und solide Basis für weitergehende Forschungen dar.

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