Ein Selektiertes Netzwerk der Gleichdenkenden? Psychologische Prozesse im Zusammenhang mit Politischer Homogenisierung auf Sozialen Netzwerkseiten
Soziale Netzwerkseiten (SNS) wurden in den vergangenen Jahren zunehmend ‚politisch‘. Ein Hauptkritikpunkt an dieser Entwicklung bezieht sich darauf, dass Nutzer:innen vielfältige Gelegenheiten geboten würden, ihre virtuelle Umwelt nach eigenen Vorlieben zu gestalten, wodurch zufällige Begegnungen mit gegensätzlichen Standpunkten und Menschen aus gegnerischen politischen Lagern stark begrenzt würden. Diese Dissertation hat drei Hauptziele: Nachdem Selektivität als eine Quelle der politischen Homogenisierung in Online-Netzwerken identifiziert worden ist, wird einerseits die Rolle von Selective Exposure und vorangehenden psychologischen Prozessen als Ursachen von Online-Netzwerkhomogenität beleuchtet. Zweitens wird die Variabilität, die verwandte Forschung in der politischen Netzwerkhomogenität fand, durch interindividuelle Unterschiede im Ausmaß von Selective Exposure erklärt. Zuletzt werden auch die Folgen von Netzwerkhomogenität untersucht. Diese Dissertation umfasst fünf empirische Studien, in denen diese Aspekte adressiert wurden. In Studie 1 ergab ein präregistriertes Laborexperiment, dass sich Menschen auf SNS vorzugsweise mit gleichgesinnten Nutzer:innen verbinden. Darüber hinaus ergab diese Studie, dass starke Meinungen die Neigung zu politisch selektivem Netzwerkaufbau erhöhen und dass politische Gleichgesinnung Nutzer:innen wichtiger ist als soziale Unterstützung, Popularität und karrierebezogene Vorteile, die sich aus einem potenziellen neuen Online-Kontakt ergeben könnten. In halbstrukturierten qualitativen Interviews fand Studie 2 heraus, dass Personen unterschiedliche Strategien verfolgen, wenn sie kognitive Dissonanz erleben, die aus Meinungsverschiedenheiten auf SNS resultiert. Es zeigte sich zum Beispiel, dass eine Auflösung zwischenmenschlicher Verbindungen auf SNS am wahrscheinlichsten ist, wenn Meinungsverschiedenheiten schwerwiegend sind und Nutzer:innen keine besonders enge Beziehung verbindet. Darüber hinaus wurde gezeigt, dass Nutzer:innen die Kosten, die mit dem Erleben kognitiver Dissonanz verbunden sind, gegen die Vorteile der Aufrechterhaltung einer Verbindung abwägen. Im Rahmen einer präregistrierten korrelativen Online-Studie stützte Studie 3 die in Studie 1 gewonnenen Erkenntnisse zum politisch selektiven Netzwerkaufbau basierend auf dem selbstberichteten vergangenen Verhalten von Nutzer:innen. Darüber hinaus ergab diese Studie, dass starke Ideologien und ideologische Identifikation in einem positiven Zusammenhang mit Netzwerkhomogenisierung stehen. Diese Studie fand auch Verbindungen zwischen politisch selektivem Netzwerkaufbau und der von den Nutzer:innen wahrgenommenen Homogenität ihres Online-Netzwerks. Auf korrelativen Daten basierend, fand Studie 4 einen negativen Zusammenhang zwischen populistischen Einstellungen von Nutzer:innen und der wahrgenommenen Homogenität der Informationen, denen sie in ihren Online-Netzwerken ausgesetzt sind. Schließlich fand Studie 5 in einem präregistrierten Online-Experiment Hinweise dafür, dass ein politisch homogenes Online-Netzwerk die Meinungsstärke hinsichtlich kontroverser Themen geringfügig erhöhen könnte. Darüber hinaus lieferte diese Studie schwache Belege dafür, dass Selective Exposure durch Netzwerkhomogenität über die Zunahme der Meinungsstärke erhöht werden kann, was auf die Existenz eines sich wechselseitig verstärkenden Prozesses zwischen Netzwerkhomogenität und Selektivität hinweist. Basierend auf den gesammelten Erkenntnissen und Ergebnissen verwandter Forschung wurde das ‚Integrative Modell der Selektivität und Homogenisierung‘ aufgestellt. Dieses Modell erklärt die Homogenisierung von Online-Netzwerken durch Selektivität und beinhaltet verschiedene relevante Einflussfaktoren, die auf den analytischen Ebenen des Netzwerks, des Verhaltens, der Kognition und des Kontexts verortet werden können.
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