Systemische oder intraarterielle Chemotherapie? Zur Wirksamkeit und Komplexität der Retinoblastombehandlung
Diese Dissertation untersucht die Wirksamkeit der systemischen (SC) und der intraarteriellen (IAC) Chemotherapie als Therapien des Retinoblastoms (RB) und mehrere klinische Einflussfaktoren, die die Wirksamkeit jener Therapien beeinflussen. Die Wirksamkeit wurde anhand des Zwei-Jahres-Ereignisfreien-Augenüberlebens (EFES) und des Zwei-Jahres-Gesamtaugenüberlebens (OES) analysiert. Die Analysen beruhen auf Daten des RB-Registers. Das Tumorstadium (gemessen anhand der ICRB-Gruppe, International Classification of Retinoblastoma) zeigte einen statistisch auffälligen Einfluss auf das EFES und das OES in der Gesamtkohorte und in der SC-Gruppe. In der IAC-Gruppe war ein nicht statistisch auffälliger Trend in die gleiche Richtung sichtbar. Beim Vergleich der Zusammensetzung der beiden Therapiegruppen wurden deutliche Unterschiede sichtbar, die den direkten Vergleich des EFES und des OES beider Gruppen verzerren. Die Kinder in der SC-Gruppe waren bei Diagnose jünger, eher bilateral erkrankt, wurden länger behandelt und zeigten niedrigere ICRB-Gruppen. Das EFES der SC und der IAC war für ICRB-A/B/C-Augen nach beiden Therapien ähnlich, während das EFES bei den ICRB-D/E-Augen tendenziell in der IAC- höher als in der SC-Gruppe war. Beim Vergleich der Zweitlinientherapien wurden ebenfalls markante Unterschiede deutlich. Nur nach SC wurden Wechsel auf augenerhaltende Therapien durchgeführt, während nach IAC alle Augen bei Versagen der Erstlinientherapie enukleiert wurden. Daher war das OES nach SC höher als nach IAC obwohl keine Unterschiede im EFES nachgewiesen werden konnten. Dies macht deutlich, dass die Unterschiede im OES vor allem durch andere klinische Charakteristika bedingt sind und sich das OES in diesem Fall nicht zum Vergleich der beiden Therapien eignet. Die multivariate Analyse des OES bestätigte den Einfluss des Faktors „Letztes Auge“ und ICRB-Gruppe. Es wurde deutlich, dass Daten einer Beobachtungsstudie Verzerrungen unterliegen, denen auch durch Stratifizierungen und multivariate Analysen nicht ausreichend begegnet werden kann. Die niedrige Inzidenz des RB und die Komplexität der Einflussfaktoren erschweren allerdings die Durchführung randomisierter Studien. Diese Einsicht in die Komplexität und die multifaktorielle Abhängigkeit der Therapiewahl ist ein wichtiges Ergebnis dieser Dissertation und liefert bedeutsame Informationen für den klinischen Alltag in der Behandlung des Retinoblastoms. Diese Arbeit unterstreicht die Relevanz der Realisierung prospektiver, randomisierter Studien und begegnet gleichzeitig dem Mangel an Evidenz in der Behandlung des Retinoblastoms.