Von der Feindschaft : der Pogrom von Constantine aus mikrogeschichtlicher Perspektive

Am 5. August 1934 ereignete sich in der algerischen Stadt Constantine ein Pogrom, bei dem Muslime in einem Ausbruch der Gewalt gegen Juden vorgingen, wobei große Teile der französischen Kolonialadministration weitgehend tatenlos verharrten. Ausgehend von einer Sichtung des umfangreichen Quellenmaterials wird in der Dissertation untersucht, wie Feindschaft zwischen zwei Gruppen entsteht und wie sie sich manifestiert, was also die Muslime veranlasste, derart gewaltsam gegen die Juden vorzugehen. Daneben wird hinterfragt, inwieweit die Mitglieder der Kolonialadministration den Pogrom ermöglichten und welche Handlungsweisen sie danach folgen ließen. Die Studie macht deutlich, dass der Pogrom als Form kollektiver, sozialer Kontrolle verstanden werden kann und als gezielte, politische Aktion organisiert wurde. Er ist dabei als Übergangsritus interpretierbar, bei dem der Raum des muslimischen Viertels für die Gemeinschaft der Muslime eigenommen wurde, wodurch sich die muslimisch-algerische Identität im öffentlichen Raum konstituieren konnte, die Juden aber vertrieben wurden. Dabei war der Pogrom kein isoliertes, lokales Phänomen, sondern ist als eine im Zuge des Nahostkonfliktes entstandene Vertreibungsunruhe zu verstehen. Innerhalb der französischen Kolonialadministration war ein institutioneller Antisemitismus verbreitet, der den Zusammenbruch der öffentlichen Ordnung und damit den Pogrom erst ermöglichte und welcher dazu führte, dass die Constantiner Juden nach dem Gewaltausbruch politisch, sozial und wirtschaftlich marginalisiert wurden. Auch Antifeminismus gegenüber emanzipierten jüdischen Frauen spielte eine wichtige Rolle und war sowohl unter den muslimischen Männern als auch innerhalb der Kolonialadministration verbreitet.

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