Modellbasierte Applikation von Fahrdynamiksystemen am Beispiel der adaptiven Dämpfung

Der Applikation von Fahrdynamiksystemen kommt bei der Fahrverhaltensausprägung moderner Kraftfahrzeuge eine zentrale Bedeutung zu. Bedingt durch die stetige Zunahme an Funktionskomplexität und den hohen Grad der Systemvernetzung steht eine hohe Anzahl an Applikationsparametern zur Verfügung, mit Hilfe derer eine weite Spreizung in der Fahrverhaltensbeeinflussung abgebildet werden kann. Neben objektiven Größen, anhand derer das Fahrverhalten beschrieben wird, prägen subjektive Eindrücke des Applikationsingenieurs die Systemabstimmung in hohem Maße. Insbesondere segment- oder markenspezifische Ausprägungen im Fahrverhalten sind bisher nicht vollumfänglich über objektive Kennwerte zu erfassen. Die Durchdringung der gewachsenen Komplexität im Abstimmungs- und Applikationsprozess erfordert den zielgerichteten Einsatz neuer Analysemethoden und Werkzeuge. Für die analytische Erfassung des Zusammenhangs von Applikationsparametern und dem Einfluss auf das Fahrverhalten stehen verschiedene Methoden zur Verfügung, welche die Subjektiveinflüsse jedoch nicht erfassen können In dieser Arbeit wird die Verknüpfung analytischer Methoden mit subjektiven Beurteilungen im Applikationsprozess betrachtet. Zunächst werden die Defizite der Applikation von Fahrdynamiksystemen aufgezeigt, welche mit der Komplexitätszunahme einhergehen. Als ein bestehendes Beispiel der Applikation komplexer Fahrzeugsysteme wird diejenige von Verbrennungsmotoren angeführt und es werden mögliche Lösungsansätze abgeleitet. Ausgehend von der Abstraktionsebene der modellbasierten Applikation anhand von Mehrkörpersystemen werden verschiedene Arbeiten zur Objektivierung des Fahrkomforts vorgestellt. Als Zwischenebene hin zu der fahrzeugbasierten Applikation liefert der Einsatz eines Fahrsimulators die Möglichkeit zur Kopplung modellhafter Beschreibung und der Einbindung subjektiver Empfindungen. In einer experimentellen Untersuchung wird das Beurteilungsverhalten von trainierten Expertenfahrern im Fahrsimulator und im Realfahrzeug analysiert. Als Versuchskonfiguration dient die Überfahrt einer Komfortmessstrecke mit einer Fahrgeschwindigkeit von 50 km/h und 75 km/h, bei welcher sieben verschiedene Dämpferapplikationen hinsichtlich unterschiedlicher Komfortphänomene beurteilt werden sollen. Hierzu werden die im Fahrversuch aufgezeichneten Beschleunigungsanregungen, referenziert auf einen Punkt im Bereich des Fahrersitzes, im Fahrsimulator reproduziert. Es zeigt sich, dass diejenigen Komfortphänomene, welche niedrigen Anregungsfrequenzen zugeordnet werden können, in der realen und virtuellen Versuchsumgebung selektiv vergleichbar wahrgenommen werden. Insbesondere die beurteilte Aufbauanbindung zeigt hohe Korrelationen zu den beschreibenden Beschleunigungskennwerten. Ein wichtiger Einflussfaktor ist in diesem Zusammenhang die Fahrgeschwindigkeit und die damit einhergehende Beschleunigungsintensität. Als Einschränkung sind Schwächen in der Reproduzierbarkeit hoher Anregungsfrequenzen im Fahrsimulator zu nennen. Tendenziell wird das Komfortniveau im Realfahrzeug gegenüber dem im Fahrsimulator als höher eingestuft. Anhand einer Hauptkomponentenanalyse der beurteilten Komfortphänomene lassen sich drei abstrakte Faktoren extrahieren, die den Frequenzbereichen der Aufbauanbindung, Isolation und Solidität zugeordnet werden können. Auffällig ist, dass hierbei kein erkennbarer Einfluss der Hauptbewegungsrichtungen Heben, Nicken und Wanken zum Tragen kommt. Mit Hilfe der extrahierten Faktoren werden vergleichende Regressionsmodelle gruppiert nach Versuchsumgebung und Fahrgeschwindigkeit aufgestellt, welche den hohen Einfluss der Aufbauanbindung widerspiegeln. Abschließend wird der Einfluss charakteristischer Merkmale auf die Beurteilung im Applikationsprozess anhand eines lokal ausgeprägten wellenartigen Streckenabschnitts umrissen. Die Analyse ergibt, dass durch die prägnante Anregung bei höherer Versuchsgeschwindigkeit eine Beeinflussung durch die lange Welle nicht ausgeschlossen werden kann, indem die Beurteilung der Aufbauanbindung beeinflusst wird.

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