Benachteiligungen von Leiharbeitskräften abbauen
Stellungnahme zur öffentlichen Anhörung des Bundestagsausschusses für Arbeit und Soziales zum Elften Bericht der Bundesregierung über Erfahrungen bei der Anwendung des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes (17/464) und zu den Anträgen der Fraktionen von SPD (17/1155), BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN (17/551), DIE LINKE (17/426) am 28. Juni 2010
Zusammenfassung
Ein zentrales Ziel der im Dezember 2002 verabschiedeten Reformen der Arbeitnehmerüberlassung bestand darin, „ein angemessenes Schutzniveau für die Zeitarbeitnehmerinnen und Zeitarbeitnehmer zu gewährleisten“. Bilanziert man die Entwicklungen in den letzten Jahren, spricht vieles dafür, dass dieses Ziel nicht erreicht worden ist.
Im europäischen Vergleich sind Leiharbeitskräfte in Deutschland vor allem bezogen auf die Entlohnung besonders schlecht gestellt. Mehr als zwei Drittel der Leiharbeitskräfte in Deutschland arbeiten für Stundenlöhne unterhalb der Niedriglohnschwelle; der Durchschnittslohn von Leiharbeitskräften beträgt nach Angaben des Statistischen Bundesamtes nur 9,71 € brutto pro Stunde und erreicht damit nur knapp 54% des durchschnittlichen Stundenlohns von „Normalarbeitnehmer/innen“. Da die Einsatzschwerpunkte der Leiharbeit in Deutschland vor allem gewerbliche Branchen mit einem vergleichsweise hohen Lohnniveau betreffen, sind die Lohnunterschiede zwischen Leiharbeitskräften und Stammbeschäftigten der Entleihbetriebe besonders ausgeprägt.
Obwohl Zeitarbeitsunternehmen in Deutschland die vollen Arbeitgeberpflichten übernehmen müssen und einsatzbefristete Arbeitsverträge eher das Ausnahme sein sollen, ist die Stabilität der Beschäftigung überwiegend sehr gering. Auch die erhofften großen Klebe- und Brückeneffekte – d.h. Übergänge in reguläre Beschäftigung bei Entleihunternehmen oder in anderen Branchen – haben sich nicht eingestellt.
Durch die faktische Aushöhlung des im Gesetz verankerten Equal Pay-Gebotes mittels tariflicher Regelungen und die Aufhebung der zeitlichen Begrenzung betrieblicher Einsätze ist es erleichtert worden, durch den Einsatz von Leiharbeit tarifliche Standards zu unterlaufen. Dies setzt auch die Löhne und Arbeitsbedingungen der Stammbeschäftigten in den Entleihbetrieben unter Druck.
Die Vorschläge der Oppositionspartien zur Re-Regulierung der Leiharbeit gehen in die richtige Richtung, indem sie auf die Aufhebung von Missständen zielen, die durch die Lockerung der rechtlichen Regelungen überhaupt erst möglich geworden sind. Die anstehende Umsetzung der EU-Richtlinie in Deutschland bietet die Chance, die Regulierung der Leiharbeit in Deutschland auf den Prüfstand zu stellen und unter Berücksichtigung aktueller (Fehl-)Entwicklungen neu zu justieren. Diese Chance sollte genutzt werden, statt nur auszuloten, wie die Anforderungen der Richtlinie mit möglichst wenigen Veränderungen der bisherigen Regulierungspraxis erfüllt werden können.