Einfluss von MDR1A-Defizienz auf Colitis bei Verlust der adaptiven Immunität und Tumorigenese

Colitis ulcerosa (CU) ist durch chronische Entzündungen der Dickdarmschleimhaut gekennzeichnet und mit einem erhöhten Risiko für colorektales Karzinom (CRC) assoziiert. ATP-Binding Cassette Subfamily B Member 1/ Multidrug Resistance Gene 1 (ABCB1/MDR1) hat eine essentielle Funktion in der intestinalen Barriereintegrität, indem es xenobiotische Substanzen aus mukosalen Zellen schleust. Variationen des humanen ABCB1/MDR1-Gens korrelieren mit einem erhöhten CU-Risiko. Die ABCB1/MDR1-Gen- bzw. Protein-Expression wird bei CU und sporadischem CRC oft moduliert. Mäuse, welche für das MDR1A-Gen defizient sind, entwickeln eine chronische Spontancolitis, die der humanen CU histopathologisch ähnelt. Die genetische Doppeldefizienz von Toll Like Receptor 2 (TLR2) und MDR1A führt zu einer fulminanten Pancolitis in der Maus. Zielsetzung dieser Arbeit war es, die Rolle der adaptiven Immunität in der Entwicklung der Spontancolitis bei MDR1A-Defizienz und TLR2/MDR1A-Doppeldefizienz zu analysieren und den möglichen Einfluss der MDR1A-Defizienz auf Colitis-assoziierte Tumorigenese zu untersuchen. Es wurden MDR1A Knockout (KO)- bzw. TLR2/MDR1A doppel-Knockout (dKO)-Mäuse in Recombinant-Activating Gene 2 (RAG2) KO-Mäuse zur Generierung von MDR1A/RAG2 dKO- und TLR2/MDR1A/RAG2 tripel-Knockout (tKO)-Mäusen im [FVB/N]-Hintergrund eingekreuzt. Der Verlust von T- und B-Zellen bei TLR2/MDR1A-Doppeldefizienz führte zu einer vermehrten Infiltration von CD11b+-myeloischen Zellen und Zytokinproduktion (u. a. Interleukin (IL)12B, Interferon-gamma, Tumornekrosefaktor-alpha (TNFa)) in der Lamina propria, welche nicht bei RAG2 KO-Mäusen detektierbar waren. Ex-vivo reagierten TLR2/MDR1A/RAG2-tripeldefiziente CD11b+-myeloische Zellen auf Lipopolysaccharid-Stimulation mit überschießender Produktion von IL1beta und IL18. Basal zeigten TLR2/MDR1A/RAG2 tKO-Mäuse Veränderungen der Mikrobiota-Zusammensetzung des Darms. Orale Breitbandantibiose der TLR2/MDR1A/RAG2 tKO-Mäuse führte zu einer deutlichen Reduktion der erhöhten Zytokinproduktion in der intestinalen Mukosa. Das terminale Ileum von TLR2/MDR1A/RAG2 tKO-Mäusen zeigte eine mikrobiota-abhängige Steigerung der intestinalen epithelialen Proliferation bei gestörter Differenzierung. ″Co-Housing″ von TLR2/MDR1A/RAG2 tKO-Mäusen mit TLR2/MDR1A dKO-Mäusen führte jedoch nicht zu einer inflammatorischen Exazerbation in Abwesenheit der adaptiven Immunität. Im Azoxymethan (AOM)/Dextran Sulfate Sodium (DSS)-Tumor-Modell zeigten MDR1A KO-Mäuse deutlich kleinere Tumore im Colon als Wildtyp (WT)-Mäuse. Die MDR1A KO-Tumore zeigten im Vergleich zu WT-Tumoren einen niedrigeren Dysplasie-Grad bei jedoch gesteigerter Entzündungsaktivität mit zahlreichen Kryptenabszessen, welche mit erhöhter Nitric Oxide Synthase 2- und TNFa-mRNA-Genexpression assoziiert war. Zusätzlich war die nukleäre Phospho-Histon H3-Protein-Expression in MDR1A-defizienten Colontumoren signifikant hochreguliert und im Bereich des Normalrandes zeigte sich eine ausgeprägte Becherzellhyperplasie. Die mukosale Entzündungsaktivität war in Non-Tumorarealen hingegen zwischen MDR1A KO- und WT-Mäusen vergleichbar. Zusammenfassend legen die Daten dieser Arbeit nahe, dass die TLR2/MDR1A-Doppeldefizienz trotz Abwesenheit des adaptiven Immunsystems zu einer kommensal-abhängigen, myeloisch-vermittelten subklinischen Inflammation der Darm-Mukosa führt. MDR1A-Verlust hemmt signifikant die Progression, nicht jedoch die Initiierung, der Tumorigenese bei chronischer Colitis. Zukünftige Studien müssen klären, welche T-Zellsubtypen zu der exazerbierten Pancolitis bei TLR2/MDR1A-Doppeldefizienz führen. Mithilfe eines adoptiven T-Zell-Transfer-Colitis-Modells und in-vitro Ko-Kulturen könnte untersucht werden, ob die subklinisch aktivierten CD11b+-myeloischen Zellen in der Lamina propria der TLR2/MDR1A/RAG2 tKO-Mäuse einen potentiellen Ko-Trigger bei der Colitisentwicklung darstellen. Weiterhin muss der funktionelle Mechanismus der reduzierten Tumorprogression bei MDR1A-Defizienz näher analysiert werden.

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