Arbeitsgedächtniskapazität und arithmetische Leistungsfähigkeit in Kindergarten und Grundschule

Mithilfe von drei Studien wurde untersucht wie die frühe arithmetische Leistungsfähigkeit von der Arbeitsgedächtniskapazität beeinflusst wird. In allen Studien wurde das Arbeitsgedächtnismodell von Baddeley (1986) genutzt, welches aus drei Komponenten, nämlich der zentralen Exekutive als Kontrolleinheit, sowie den beiden untergeordneten Speichersystemen, der phonologischen Schleife und dem visuell-räumlichen Skizzenblock besteht. Der genaue Einfluss dieser Komponenten auf die frühe Arithmetik kann jedoch noch nicht vollständig erklärt werden, da es in der Forschung teilweise zu widersprüchlichen Ergebnissen kommt. In dieser Publikation soll die Frage in den Blick genommen werden, ob sich die Korrelation zwischen Arbeitsgedächtniskapazität und arithmetischer Leistungsfähigkeit als Funktion des Alters, der arithmetischen Problemstellung oder der Gruppenzugehörigkeit zu bestimmten arithmetischen Leistungsgruppen ändert. Die aktuelle Forschung zeigt in Bezug auf die zentrale Exekutive, dass viele arithmetische Probleme im Kindergartenbereich noch nicht hinreichend komplex sind, um diese überhaupt nutzen zu müssen (Espy et al., 2004). Andererseits benötigen auch Kinder die mathematische Fähigkeiten bereits vollständig automatisiert haben kaum noch die zentrale Exekutive, sondern eher die reinen Speichersysteme (de Smedt et al., 2009, Meyer et al., 2009). Zusammengefasst ist die zentrale Exekutive damit vor allem für neue, nicht automatisierte und hinreichend komplexe Probleme vonnöten. Das heißt aber auch, dass dieselben mathematischen Problemstellungen im jungen Alter auf zentralexekutive Kapazitäten zugreifen können, während dies später nicht mehr der Fall sein muss. In Bezug auf die Subsysteme zeigen sich ähnliche Befunde mit Bezug zum Alter. So konnten de Smedt et al. (2009) zeigen, dass der Einfluss des visuell-räumlichen Arbeitsgedächtnisses von der ersten zur zweiten Klasse abnimmt, während gleichzeitig stärker auf phonologische Ressourcen zurückgegriffen wurde. Dies wird von ihnen mit einem Wechsel von einfachen Zählstrategien (z.B. Fingernutzung) zu verbalen Strategien interpretiert. Wie bereits erwähnt wurde, müssen Probleme hinreichend neu und komplex sein um zentralexekutive Aktivität auszulösen, was in direktem Zusammenhang mit der zweiten zu untersuchenden Variable, nämlich den unterschiedlichen arithmetischen Problemstellungen steht. Andersson (2008) konnte zeigen, dass Teil-Teil-Ganze Aufgaben (61 + __ = 73) visuell-räumliche Kapazität nutzen, da diese Probleme durch ein ‚Umarrangieren‘ der Aufgabe leichter gelöst werden können. Andererseits benötigen normale Additionsaufgaben (61 +12 = __) diese Fähigkeit nicht und können allein durch verbales Rekodieren und damit die phonologische Schleife gelöst werden. In Bezug auf unsere dritte Frage wollten wir vor allem herausfinden ob sich Kinder mit Problemen im arithmetischen Bereich von solchen ohne diese Probleme in Bezug auf ihre Arbeitsgedächtnisnutzung unterscheiden. In Studie 1 wurden Kindergarten und Grundschulkinder auf ihr Wissen um basale arithmetische Konzepte nach dem Modell von Fritz und Ricken (2008) getestet. Basierend auf diesen Ergebnissen wurden sie in zwei Gruppen gleicher arithmetischer Leistung aufgeteilt. Die eine Gruppe zeigte jedoch altersangemessene Leistung, während die andere zwar dieselbe absolute Leistung zeigte, jedoch aufgrund ihres größeren Alters altersverzögerte Leistungen zeigte. Anschließend wurden sowohl die Arbeitsgedächtniskapazität als auch die arithmetische Leistungsfähigkeit noch einmal detaillierter erfasst. Mithilfe von Regressionsanalysen wurde festgestellt, dass für die gesamte Stichprobe sowohl die zentrale Exekutive, als auch der visuell-räumliche Skizzenblock arithmetische Leistungen vorhersagten, selbst wenn Intelligenz, phonologische Bewusstheit, Naming Speed und Alter als Kontrollvariablen eingesetzt wurden. Darüber hinaus gab es keine Mittelwertsunterschiede im Bereich der Arbeitsgedächtniskapazität zwischen den beiden Gruppen. Es konnte jedoch nachgewiesen werden, dass der visuell-räumliche Skizzenblock lediglich für die durchschnittlich entwickelten Kinder prädiktiven Wert hatte, nicht aber für jene mit altersverzögerten Leistungen. Dies wird als Nutzungsdefizit interpretiert, da die Kinder über die notwendigen Kapazitäten verfügen, aber nicht in der Lage sind diese zielführend zur Lösung arithmetischer Probleme einzusetzen. In Studie 2 wurde die arithmetische Leistung basierend auf dem Modell der beiden Kernsysteme nach Feigenson et al. (2004), sowie die Arbeitsgedächtniskapazität zu Beginn der ersten Klasse, sowie die schulische Leistung zu Beginn der zweiten Klasse erfasst. Es sollte untersucht werden, ob Kernsysteme und Arbeitsgedächtnis in einem Zusammenhang stehen und wie sich der prädiktive Wert für spätere Schulleistung darstellt. Es konnte gezeigt werden, dass die Kernsysteme weitestgehend unabhängig vom Arbeitsgedächtnis funktionieren, da dieses kein Prädiktor für diese Leistungen war. Für die Schulleistungen hingegen zeigte sich, dass vor allem die zentrale Exekutive in diesem Alter wesentlichen Einfluss hat. Diese Befunde decken sich mit denen von Bull et al. (2008), die festgestellt haben, dass die zentrale Exekutive für fast alle Lernprozesse in diesem Alter verantwortlich ist. In Studie 3 wurde die Arbeitsgedächtniskapazität, die mathematische Leistungsfähigkeit sowie die Lesegeschwindigkeit von Zweit-, Dritt- und Viertklässlern erhoben um herauszufinden ob der Einfluss des Arbeitsgedächtnisses sich über das Alter verändert. Es konnte gezeigt werden, dass insbesondere die Lesegeschwindigkeit im jüngeren Einfluss einen stärkeren Einfluss auf die mathematischen Leistungen hatte, welche sie im höheren Alter an die phonologische Schleife verliert. Darüber hinaus konnte auf einem deskriptiven Niveau gezeigt werden, dass der Einfluss der zentralen Exekutive und des visuell-räumlichen Skizzenblockes mit steigendem Alter abnimmt. Zu Beginn der Grundschulzeit scheinen selbst einfache Aufgaben dual-task Anforderungen an die Schülerinnen und Schüler zu stellen, da gleichzeitig gelesen und gerechnet werden muss. Mit besseren – und zumindest für einfache mathematische Aufgabe ausreichenden – Fähigkeiten im Bereich des Lesens verschwindet diese Anforderung an die zentrale Exekutive, so dass wieder die Speichersysteme im Vordergrund stehen.
Three studies were conducted to investigate how working memory capacity influences early arithmetic skills. We used the working memory model of Baddeley (1986) as it is most commonly used in research. This model consists of three components, namely the central executive as a control unit alongside the phonological loop and the visuo-spatial sketchpad as two subsidiary modal storage units. However, the specific influence of these components on early arithmetic is not fully understood yet, as research often generates inconsistent results. In this publication we wanted to focus the question whether the correlation between working memory capacity and arithmetic skills changes as a function of age, arithmetic problems used or group affiliation to different arithmetic ability groups. Current research regarding central executive influence shows that arithmetic problems used in the kindergarten are not complex enough to trigger the influence of central executive resources (Espy et al., 2004). On the other hand studies show that children automatize many mathematical abilities and thus only rely on the subsidiary storage systems but not the central executive (de Smedt et al., 2009, Meyer et al., 2009). It seems central executive capacity is only used with new – not automatized – and complex problems. This means that the same problem may trigger central executive resources at a young, but not at an older age. Similar results can be found for the storage systems. For example, de Smedt et al. (2009) were able to show that the influence of visuo-spatial working memory fades from first to second class, while phonological resources are used more commonly. They attributed this finding to a shift from finger usage into more verbal strategies while solving math problems. As mentioned before, problems have to be new and complex to trigger central executive activity, which leads us to our second variable, different arithmetic problems. Andersson (2008), for example, showed that part-part-whole problems (61 + __ = 73) rely on visuo-spatial resources as those problems have to be rearranged into other types of problems to be solve. However, ‘common’ addition problems (61 +12 = __) just need verbal coding and thus rely on the phonological loop. Our third question regarded children with different arithmetic proficiency. We wanted to find out whether children who do average on arithmetic differ from those who perform under par in terms of working memory. In study 1 we screened kindergarten and primary school students for their knowledge of arithmetic concepts based on the model of Fritz and Ricken (2008). Based on these results we composed one group with children of age-appropriate arithmetic skills and matched a second group with similar test scores but of older age. Afterwards we assessed working memory capacity and arithmetic skills in more detail. We conducted regression analyses for the entire sample and found, that central executive, as well as visuo-spatial capacity predicted arithmetic skills, even when controlling for intelligence, phonological awareness, naming speed and age. We did not find differences in working memory capacity between our two groups. However, we found that the visuo-spatial sketchpad was a significant predictor of arithmetic skills only for average children, but not for those with age-inappropriate skill levels. This is interpreted as a usage-deficit, as those children have certain capacities, but make no use of them when solving arithmetic problems. In study 2 we assessed arithmetic skills based on the core system model of Feigenson et al. (2004), as well as working memory capacity alongside other control variables at the very beginning of first grade and school mathematics at the beginning of second grade. We wanted to test whether core system based skills are correlated with working memory capacity and if so, whether they predict later school success. To our knowledge there has been no research in this field yet. We found that core system based skills seem to be largely independent from working memory, as working memory did not predict children’s abilities. However, the central executive alongside core system based skills predicted later school success. In line with current research (Bull et al., 2008) we interpret this as a sign that central executive capacity is needed for all learning processes at this age. In study 3 we assessed school arithmetic and reading speed of children from second to fourth grade, as well as their working memory capacity to find out whether working memory influence differs as a function of age. We found that the influence of reading speed on arithmetic gets lower over the course of the grades, while the influence of phonological loop capacity gets larger. Furthermore, on a descriptive level we found that central executive and visuo-spatial sketchpad capacity diminishes with higher grades, although these findings did not reach statistical significance. At the beginning of primary school children seem to rely on newly acquired reading skills which impose dual-task difficulties on them when solving math problems, as they have to read numbers and arithmetic symbols, while solving the problem at the same time. This difficulties diminish when children get better at reading – at least at reading mathematically – which explains why central executive influence gets lower at higher grades, while the subsystems play a stronger role.

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