Die Bedeutung und Funktion der Führerschule Neustrelitz im System der nationalsozialistischen Leibeserziehung
Abstract der Dissertation von Katrin Bosch (Universität Duisburg-Essen, 2008) „Die Bedeutung und Funktion der Führerschule Neustrelitz im System der nationalsozialistischen Leibeserziehung“.
Die Führerschule Neustrelitz diente als zentrale Prüfungs- und Fortbildungsstätte für Sportlehrer(-innen) im Deutschen Reich. Das Ausbildungszentrum war eng mit dem Amt für körperliche Erziehung im Reichserziehungsministerium und mit dem Hochschulinstitut der damaligen Friedrich-Wilhelms-Universität in Berlin verbunden. Es muss als Mittelpunkt der staatlichen Leibeserziehung in der NS-Zeit angesehen werden.
Zur Aufzeichnung historischer Entwicklungslinien wurde die Sportlehrer- und Übungsleiterausbildung in Preußen während der Weimarer Republik an verschiedenen Beispielen erforscht. Diese bezogen sich auf die Preußische und Deutsche Hochschule für Leibesübungen in Berlin, die Übungsleitertätigkeit an den Volkssportschulen und in den Wehrsportverbänden sowie auf die Ausbildung in der Reichswehr durch Carl Krümmel. Es zeigte sich dabei eine unterschiedliche Zielsetzung. Die Leibesübungen befassten sich mit einer allgemeinen sportlichen Grundausbildung. Die geländesportlichen Aspekte kennzeichneten den Wehrsport, während die Leibeserziehung pädagogische Absichten verfolgte. Die daraus entstandenen Spannungen beeinflussten die Ausbildungsinhalte an der Führerschule Neustrelitz, die als Stammschule für Geländesport 1934 begann, 1935 zum Universitätsinstitut mutierte und durch die enge Verbindung zum Reichserziehungsministerium in Konflikte mit dem stärker parteipolitisch orientierten Reichsinnenministerium geriet.
Ministerialdirektor Carl Krümmel prägte das Konzept der staatlichen Leibeserziehung während der NS-Zeit, das an der Führerschule realisiert werden sollte. Als ehemaliger Sportlehrer der Reichswehr, Leistungssportler und hochqualifizierter Akademiker waren seine Vorstellungen leistungssportlich und akademisch orientiert. Nach der 1934 neu konzipierten Hochschulsportordnung war die Einjährige Turnlehrerausbildung für die gesamte Lehrerschaft geplant. Die Inhalte der sich anschließenden Ausbildung für die Turnphilologen an den Universitäten wurden niemals ausgearbeitet. Die politische Konstellation, der Krieg und der Tod Krümmels 1942 verhinderten die Verwirklichung der Pläne.
Der sozial- und realgeschichtliche Forschungsansatz der Arbeit stützt sich auf das Material aus 20 Archiven und Bibliotheken deutschlandweit und berücksichtigt Zeitzeugenaussagen. Dabei wurden nicht nur die offiziellen Versionen ausgewertet, sondern auch die Grauzonen und Konfliktlinien untersucht, die im Geflecht von Partei und Staat, von SA und Wehrmacht, bei den Ministerien und bei den Personen der Führungsebene im Bereich der Leibeserziehung während der NS-Zeit entstanden.
Abstract in English:
„The Importance and Function of the Führerschule Neustrelitz in the System of Physical Education during the Period of National Socialism”. Katrin Bosch (University Duisburg-Essen, 2008).
The Führerschule Neustrelitz (near Berlin) served as the centre of education and training for male and female physical education teachers in the German Reich. The centre was linked to the National Ministry of Education as well as to the former Friedrich-Wilhelms-University in Berlin. It is considered to be the leading government institution for physical education during the period of National Socialism.
Research also focused on leading institutions for teachers and trainers in physical education during the Republic of Weimar in Prussia in order to show historical development. This included the Prussian and German Universities for Physical Exercises in Berlin, training by officers of the Reichswehr in Volkssportschulen, training in paramilitary groups as well as physical education in the Reichswehr by Carl Krümmel. The analysis revealed different aspects. Leibesübungen (physical exercises) meant fundamental physical training; paramilitary groups exercised Wehrsport (generally in the country), while Leibeserziehung included the pedagogic approach. The different aspects had an effect on the professional education and training at the Führerschule. This institution began as Stammschule für Geländesport (training centre for military outdoors activities) in 1934 and changed into an academic institution of the University of Berlin in 1935. As it was linked to the Ministry of Education, conflicts evolved with the Ministry of the Interior of the Reich, which was under strict control of the National Socialist Party. The Ministry of Education, more government body, lost influence.
Carl Krümmel, who directed the Department of Physical Education (Amt für körperliche Erziehung) in the Ministry of Education (1934), developed a concept for the universities of the Reich with the University of Berlin and the Führerschule at its centre. Krümmel had been a physical education teacher of the Reichswehr, a German champion in long-distance-running and was a highly qualified university graduate. He pursued an academic conception at the universities and promoted competitive sport in practise. One of his ideas was to provide every teacher with a one-year long schooling in physical education (Einjährige Turnlehrerausbildung), while the academic professionals with one or two more subjects should go on with further studies. Krümmel’s visions, however, were only partly turned into reality due to the political constellation, World War II and his death in 1942.
The research assignment concentrates on the social and reality aspect of history. It is based on material from 20 archives and academic libraries in Germany and takes into account the views of contemporary witnesses. Not only the official government decrees were examined, but also the grey areas and conflicts which evolved in the net-work of Party and State, of SA and Wehrmacht , among the Ministries and the persons in charge of national physical education during the period of National Socialism in Germany.
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