Entstehung und Fakten von „Second Life“


„Second Life“ wurde ab 1999 von der amerikanischen Firma Linden Lab in San Francisco entwickelt. Die erste Präsentation fand 2002 statt und seit 2003 ist das Spiel online. Die „Second-Life-Welt“ existiert in einer großen Serverfarm, die von Linden Lab betrieben und allgemein als das Grid (Gitter) bezeichnet wird. Die Welt wird von der Client-Software als kontinuierliche 3D-Animation dargestellt, die ein Raumgefühl verleiht und in die zusätzliche Audio- und Videostreams eingebunden werden können.


Avatare in „Second Life“

Etwa drei Millionen Bewohner leben bereits in „Second Life“ ihr zweites Leben in der virtuellen Welt. Anders als bei vielen Onlinespielen gibt es in „Second Life“ kein unmittelbares Spielziel und es muss kein Gegner besiegt und keine Aufgabe gelöst werden. Die Nutzer sind auf sich selbst gestellt und haben sich mit dieser Freiheit eine komplexe Welt geschaffen. Die dreidimensionalen Spielfiguren, die so genannten Avatare, können sich frei durch die bunte Welt bewegen, andere Menschen aus verschiedenen Nationen treffen und miteinander kommunizieren. Um die Vorzüge dieser virtuellen Welt zu nutzen, muss man sich zuerst auf der Homepage mit seinem Wunschnamen anmelden, um sich anschließend das eigentliche Programm herunter zu laden. Im Anschluss lernen die Nutzer, wie sie ihre Spielfigur gestalten können. Die virtuelle Schönheits- OP erfolgt dann über ein umfangreiches Menü. In „Second Life“ gibt es praktisch keine Einschränkungen für das Aussehen der Spielfiguren. Die Grundausstattung besteht aus einer Figur, einer Jeans und einem T-Shirt. Da der Avatar sich durch dieses einheitliche Aussehen nicht von anderen unterscheiden lässt, hat dieser die Möglichkeit sein eigenes Ich zu gestalten. Von da an sind dem Spieler keine Grenzen gesetzt: Man kann sich als Ritter, Monster oder auch Superheld durch das Online-Universum bewegen. Jedem Spieler ist klar, dass man durch sein Aussehen eine bestimmte Botschaft übermittelt. Und jeder weiß, dass der erste Eindruck darüber entscheidet, ob das Interesse oder Desinteresse eines anderen Spieler geweckt worden ist . Daher ist es auch langweilig, sich als gewöhnliche Spielfigur zu präsentieren. Wenn man dann die eigene Spielfigur gestaltet hat und die Grundlagen erlernt sind, fliegt man nach Help Island. Damit die Fragen der Spieler beantwortet werden, stehen ihnen so genannte Greeter (Helfer) zur Verfügung. Bei gravierenden Problemen können sie sich an einen „Mentor“ wenden. Wenn alles geklärt und erlernt ist, fliegt der „Neuling“ weiter auf das Hauptland. Die User haben dort die Möglichkeit in der virtuellen Welt „shoppen“ zu gehen, um ihr Äußeres zu verändern. Und wie auch im echten Leben, braucht man bekanntlich Geld dafür. In „Second Life“ kann der Spieler für US- Dollar, zu einem flexiblen Wechselkurs die Spielgeld- Währung Linden Dollar erwerben. Mit Hilfe einer Karte und einem Reiseführer kann sich der Avatar einen Überblick über die bereits bestehende Welt schaffen und auf Entdeckungstour gehen. Durch die individuelle Gestaltung des virtuellen Universums durch die Spieler, kann man schwebende Schlösser, Bohrinseln, Baumhäuser aber auch ganz gewöhnliche Geschäfte und Gebäude entdecken.


Die zum Teil fehlerhafte Grafik der aktuellen Version 1.17.0 wird oftmals kritisiert. Bei Überlastung des Systems kann die Darstellung der Welt schon einmal ruckelig ausfallen. Außerdem können sich maximal 50 Personen an einem Ort aufhalten und miteinander kommunizieren. Viele Kritiker bezweifeln, dass Linden Lab je ein stabiles Grid oder eine fehlerfreie Client-Software anzubieten kann. Die User müssen sich häufig mit Geschwindigkeitsproblemen, Abstürzen und Funktionsausfällen auseinander setzen.



Virtuelle Realität: Das zweite Ich in second Life


Avatare können sich schönere Haut und Gesichter kaufen.

Wie der Name der virtuellen Welt „Second Life“ schon verrät geht es in diesem Spiel, das im engeren Sinne keines ist da ein Ziel fehlt, nur um die Verwirklichung eines zweiten Lebens. Jeder kann sich ein zweites Ich erstellen, neue Freunde finden und in andere Rollen schlüpfen. Angefangen vom Geschlechtertausch (vermutlich stecken hinter vielen Frauenavataren Männer) bis hin zur Darstellung tierischer und menschlicher Fabelwesen sind der Selbstdarstellung kaum Grenzen gesetzt. Neue Spieler, von erfahrenen Usern „Newbies“ genannt, sehen anfangs alle gleich aus. Doch schnell erfährt der User wie wichtig die individuelle Optik ist. Jeder kann schlank und schön sein und hat die Möglichkeit das Aussehen seines Avatars nach eigenen Wünschen zu verändern. Doch verglichen mit Avataren von erfahrenen Usern sind große optische Unterschiede zu erkennen. Nur wer ein paar Linden Dollar, die offizielle Währung bei „Second Life“ investiert, kann sich schönere Haut, Haare und vor allem Kleidung und Accessoires kaufen. Dabei ist eine gekaufte Rundumverschönerung gar nicht mal günstig. Alleine eine neue, weniger pixelige Haut kostet um die 1500 Linden Dollar, was in etwa 4,50 EUR entspricht. So können bei modebewussten Usern schon mal einige Euros im Monat für das virtuelle Ich ausgegeben werden. Doch die gekaufte Schönheit wird auch honoriert: Das Künstlerehepaar Eva und Franco Mattes kürten nach einjähriger Suche die "13 Most Beautiful Avatars". Um zu der Liste der "13 Most Beautiful Avatars" zu kommen klicken Sie hier. Diese präsentierten sie in einer Ausstellung und verkauften nach einem Bericht des „Sidney Morning Herald“ viele der Avatarportraits für 8500 US-Dollar pro Stück.


Auch in Second Life gilt: „Sex sells“.

Viele User finanzieren sich die Konsumgüter indem sie selber Kleidung und Modeaccessoires entwerfen und verkaufen. Zum Feierabend treffen sich die Avatare dann oft in Clubs und Diskotheken. In den Clubs kann man sexy gestylte Avatare beim Tanzen und Flirten beobachten und nicht selten enden solche Abende in „Second Life“ erotisch. Ein großes Thema in dieser Onlinewelt ist Sex. Das horizontale Gewerbe boomt, einige weibliche Avatare bieten sexuelle Dienste gegen Linden Dollar an. Aber auch „Nicht-professionelle“ scheinen kaum Hemmungen zu haben mit einem Fremden virtuell intim zu werden. Es bedarf nur einiger Mausklicks damit Avatare sich in eindeutigen Posen rhythmisch bewegen. Und es gibt viele Orte wo solch ein ungezwungenes Verhalten praktiziert werden kann. Neben Sexkinos, Geschäften für Sexspielzeuge oder FKK Stränden gibt es regelrechte Zentren an denen Orgien betrieben werden. Doch die hohe Anzahl an anwesenden Avataren überlastet die Server von „Linden Lab“ regelmäßig und so kann der frivole Abend aufgrund eines Serverabsturzes abrupt enden.


Es gibt aber neben Kommerz und Sex auch noch ganz andere Motivationen um bei „Second Life“ aktiv zu sein. Die scheinbar unbegrenzenten Möglichkeiten ziehen Künstler und Kreative magisch an. Da gibt es Künstler, die die Möglichkeiten von Editoren und Skriptsprache nutzen, um gigantische Skulpturen zu schaffen, so z.B. eine riesige Nachbildung von Michelangelos "David" - mit einer knallroten E-Gitarre auf dem Rücken. Diese virtuelle Welt ist für Kunst eine perfekte Plattform: Ohne Meißel oder Pinsel können geübte User mit ein paar Mausklicks Statuen und Gemälde erschaffen und in die Onlinewelt integrieren. An vielen Orten in „Second Life“ kann man Galerien, Museen und Vernissagen finden. Dabei ist es eine Art Ritterschlag die eigenen virtuellen Kunstwerke im „Second Louvre“ ausgestellt zu sehen. Auch wer im echten Leben keinen Erfolg mit seiner Kunst hat, kann virtuelle Ausstellungen nutzen um Aufmerksamkeit zu bekommen. So war es auch bei der Mainzer Künstlerin Anett Lein, die in der "White Cube Gallery" in „Second Life“ ihre Gemälde ausstellen konnte. Die Aufmerksamkeit für ihre Kunst setzte sich auch in der realen Welt fort. So versuchen viele Künstler, oder solche die sich dafür halten, diese Onlinewelt als Chance für ihre Kunst zu nutzen.


„Second Life“ ist eine Art Spielwiese für unverwirklichte Träume aus dem echten Leben. Die Chancen sind für jeden gleich, mit ein bisschen Geschick, Zeit und Geld kann es hier jeder zu einer Partyqueen, einem Künstler oder einem erfolgreichen Barbesitzer schaffen. Schüchterne oder weniger attraktive User können in dieser Welt Flirtmeister werden, genauso wie Männer auch einmal in Frauenrollen schlüpfen können, und umgekehrt. Ziel und Zweck des zweiten Lebens in „Second Life“ ist die Auslebung von Fantasien und Selbstentwürfen die im „ersten“, wirklichen Leben weniger gute Chancen hätten.



Unternehmen in „Second Life“


„Second Life“ hat sich inzwischen zu einer Spielwiese für Unternehmen entwickelt. Es gibt kaum eine große Firma die noch nicht vertreten ist. Direkte wirtschaftliche Vorteile versprechen sich die meisten jedoch nicht davon. „Second Life“ wird von Firmen besonders für PR-Zwecke, sowie für Produkttests und Produktinformationen genutzt. Denn die Firmen können virtuelle Abbildungen ihrer Artikel erstellen und verbreiten. Das Interesse an dem Onlinespiel steigt stetig, da die virtuelle Welt eine gute Möglichkeit bietet Markforschung zu betreiben.


„Mazda Hakaze“, bislang nur ein Konzeptfahrzeug

So haben in „Second Life“ zum Beispiel schon diverse Automobilhersteller ihre Niederlassungen errichtet. Den Anfang machte hier Mazda mit ihrer Insel „Nagare-Island“. Der Spieler hat die Möglichkeit eine Probefahrt mit dem „Mazda Hakaze“ zu machen. Im realen Leben ist das Auto momentan nur ein Konzeptfahrzeug. Ob der Wagen jemals auf den realen Markt kommt ist noch nicht sicher. In der Onlinewelt ist es jedoch kein Problem einfach in den Wagen zu steigen und über den Mazda-Parcours rund um die Insel zu fahren.

Mercedes präsentiert die neue C-Klasse

Auch Daimler Chrysler eröffnete inzwischen eine virtuelle Mercedes-Benz-Niederlassung, jedoch ist das deutsche Unternehmen noch nicht so weit wie die Japaner. Es soll aber in Zukunft ebenso die Möglichkeit geben Mercedes-Modelle auf einer eigenen Teststrecke Probe zu fahren. Die virtuelle Kundschaft wird, wie im realen Leben, ernst genommen. Dafür gibt es auf der Mercedes-Insel eine spezielle virtuelle Figur, den „Avator“. Dieser befindet sich immer zu den Hauptnutzungszeiten auf der Insel des Automobilherstellers und beantwortet die Fragen der Besucher. Weitere Konkurrenten wie BMW, Nissan, Toyota, und General Motors haben den Weg zu „Second Life“ ebenfalls schon gefunden. Die Automobilhersteller haben inzwischen erkannt, dass die virtuellen Welten für den harten Wettbewerb immer wichtiger werden.


Im Adidas-Shop hat der Besucher eine große Auswahl

Neben den Automobilherstellern findet man in der virtuellen Welt ebenso den Sportartikelhersteller Adidas. Dieser hat schon im September 2006 ein Geschäft in „Second Life“ eröffnet, in dem man Schuhe aus der aktuellen Kollektion für seinen Avatar kaufen kann. Der Konzern hat damit eine ganz neue Möglichkeit gefunden an die Kunden heranzutreten. Im virtuellen Adidas-Shop wurden bislang ca. 23.000 virtuelle Schuhe verkauft und rund 1,15 Millionen Linden Dollar umgesetzt. Zusätzlich bietet der Shop dem Besucher, mit einem Link zu der offiziellen Adidas Website, die Möglichkeit echte Adidas-Schuhe zu kaufen.


Die virtuelle Boulevard Zeitung „The Avastar“

Auch der Axel-Springer-Verlag ist in der Onlinewelt vertreten. Bild T.Online hat eine Zeitung speziell für „Second Life“ entworfen, welche sich ausschließlich mit den virtuellen Ereignissen beschäftigt und nur elektronisch veröffentlicht wird. „The Avastar“, so nennt sich die virtuelle Boulevard-Zeitung, besteht aus 30 Seiten voll mit Wirtschaft, Nachrichten, Mode, Klatsch und Tratsch, Reise und Veranstaltungen. Um die Second-Life-Nutzer anzulocken, verteilten die Avastar-Macher zahlreiche Werbegeschenke. Mit T-Shirts und knallroten Notebooks wollten sie die konsumfreudigen User begeistern. Optisch erinnert die virtuelle Ausgabe, mit ihrem roten Logo und dem Mädchen von Seite 1 an das Original. Eine Ausgabe des „Avastar“ kostet umgerechnet ca. 40 Cent.


Der Post Tower der Deutschen Post

Die Deutsche Post eröffnete kürzlich ihre „Post Island“ mit dem großen „Post Tower“. Damit möchte die Deutsche Post eine Brücke von der virtuellen in die reale Welt schlagen, denn ihr Ziel sei es Menschen zu erreichen und zu verbinden, so Ingo Bohlken, verantwortlich für das Marketing des Unternehmens. Die Besucher können im Fotoatelier des Towers eigene Postkarten erstellen und in die reale Welt versenden. Dafür ist es lediglich notwendig einen Screenshot zu machen und den gewünschten Text einzutippen, oder man wählt eines der vorgefertigten Motive. Die virtuell erstellten Postkarten werden dann in der realen Welt von der Deutschen Post als echte Karten ausgeliefert.


Es gibt neben großen bekannten Firmen auch Privatleute, die in „Second Life“ Geld verdienen. So gilt die in Frankfurt am Main lebende Deutsch-Chinesin Ailin Gräf als die erste Nutzerin, die es zu einer realen Dollar-Millionen brachte. Ihr Avatar, Anshe Chung, ist wohl eine der bekanntesten Figuren, eine mächtige Grundstückmaklerin. Ein weiteres Beispiel ist Cezary, ein polnischer Familienvater. Seit ca. einem Jahr ist er im „Second Life“ und betreibt ein erfolgreiches Unternehmen namens aHead, welches Objekte für zahlende Kunden baut. So wie zum Beispiel eine Second-Life-Zentrale für die belgische Nachrichtenagentur Belga. Im realen Leben betreibt Cezary eine Werbeagentur im polnischen Posen, jedoch verbringt er die meiste Arbeitszeit im „Second Life“. Seine Werbeagentur läuft nur noch nebenher. Cezary besitzt auf „Second Life“ zudem mehrere Inseln und führt eine bekannte Lounge, das „Cafe del Mar“. Doch nicht nur für Unternehmer ist die virtuelle Welt inzwischen interessant geworden. Politiker und Parteien nutzen „Second Life“ als Wahlkampfplattform. So hat zum Beispiel Nicolas Sarkozy während seines Wahlkampfs um die Nachfolge von Jacques Chirac eine Insel eröffnet. Auf der Insel fand man Wahlplakate, ein Amphitheater und ein Medienzentrum für virtuelle Pressekonferenzen. In „Second Life“ wollte Sarkozy besonders die jugendliche Wählerschaft erreichen. Beim Start wurden auf „Sarkozy-Island“ T-Shirts und virtuelle Pizzastücke verteilt. Mit dem Auftritt versprach man sich vor allem Publizität. Allerdings kann noch lange nicht jeder von einem Job im „Second Life“ auch in der realen Welt leben. Die meisten User verdienen ihr Geld in der Onlinewelt nur durch kleine Jobs, bei denen sie mehr oder weniger 12 Linden Dollar pro Stunde bekommen. So stellen sie zum Beispiel Gegenstände her und verkaufen diese dann wieder, tragen Werbeplakate anderer Unternehmen herum oder verkaufen Sex. Da 240 Linden Dollar aber gerade mal einem US Dollar entsprechen, müsste der User viel Geld umsetzen um davon überhaupt leben zu können. „Das große Geld macht in dem Fall nur der Second-Life-Betreiber Linden Lab.“ (Klicken Sie hier um zur Quelle des Zitates zu gelangen).



Kritik und negative Aspekte

Leider gibt es auch Schattenseiten bei „Second Life“. Die Plattform, die dazu genutzt werden sollte um Kontakte zu knüpfen, Menschen zu treffen und sich kreativ auszuleben, wurde schnell von denen besetzt die nichts von all dem im Sinn haben. Seit der enormen Popularität des Onlinespiels ließen Glücksspiele, Kinderpornografie, Terroristen, Diebe und Viren nicht lange auf sich warten…


Diebe und Viren


Im Mai 2007 tauchte ein Programm auf, mit dem man seine Mitspieler beklauen konnte. Ein Programmierer hatte ein Gerät, welches aussieht wie ein Kopierer auf die Plattform geschleust. Dieser „CopyBot“ konnte nicht nur Unterlagen, sondern auch Gegenstände und Mitspieler kopieren. Natürlich bedeutete das Kopieren von teuer erworbenen Gegenständen eine Gefährdung der digitalen Wirtschaft. Die Betreiber verbannten diesen aus dem Spiel und klärten die Spieler über neue Nutzungsbedingungen auf.


Kaum war dieser Fehler behoben, befanden sich an einem Tag überall merkwürdige goldene Ringe. Hinter diesen Ringen verbarg sich ein Virus namens „Grey goo“, der zwar die Mitglieder nicht infizierte, sich aber auf der digitalen Plattform wie ein Lauffeuer verbreitete. Dieser Wurm sorgte für zu viel Systemlast. In diesem Fall musste „Second Life“ für einige Zeit gesperrt werden, um den Virus zu beseitigen. Dadurch kam es im Nachhinein sogar zu einem längeren Ausfall der Datenbanken.


Virtuelle Kinderpornografie


Kinderpornos in „Second Life“

Die niederländische Staatsanwaltschaft ermittelt gegen die Macher von virtuellen Kinderpornos. Es liegen mehrere Anzeigen wegen sexuellem Missbrauch an virtuellen Kindern in „Second Life“ vor. Ein Reporter, der sich als Voyeure ausgab und für umgerechnet 2 Euro dem virtuellen Kinderpornotreff beitreten durfte fand heraus, dass er über bestimmte Nutzergruppen auch Kontakt zu realen Händlern und somit an pornografisches Material kommen konnte. In den letzten Monaten häuften sich die Berichte über „Second Life“ Spieler die Kinderavatare sexuell missbrauchten und vergewaltigten. Die User haben die Möglichkeit sich als Kinderavatar auszugeben und ihre sexuellen Dienste an andere gegen Bezahlung anzubieten. Ein Redakteur des „Report Mainz“, der sich ebenfalls als Voyeur ausgab, stellte fest, dass es viel Pornografie gibt, die leicht zu finden sei. Dieser durfte bei mehreren virtuellen Vergewaltigungen zusehen und bekam sogar von einem User Bilder mit realen kinderpornographischen Inhalten zugesendet. Da kommt schnell die Frage auf, welche Auswirkungen solche Geschehnisse auf das reale Leben der Spieler haben. Letz-Ulrich Besser vom Zentrum für Traumatherapie Niedersachsen äußerte gegenüber "Report Mainz" große Bedenken: "Wenn man sich dann vorstellt, dass dort hinter diesen Spielfiguren reale Menschen stehen, die sozusagen diese Figuren und die Befehle und das was dort an sexueller Ausbeutung und Erniedrigung passiert auch noch steuern, dann sind das wirklich Anleitungen zu sexueller Ausbeutung, zu sexuellen Verbrechen an Kindern." (Klicken Sie hier um zur Quelle des Zitates zu gelangen).


Klares Statement zur Kinderpornografie

Wegen der jüngsten Fälle richtet sich nun das Augenmerk auf die amerikanische Second-Life Betreiberfirma Linden Lab. Diese präsentierten das so genannte „Altersverifikationssystem“, welches beim Onlinespiel eingesetzt werden soll. Dann sollen alle Besitzer so genannter "Adult"- und "Mature"-Regionen ihre Besucher zur Altersverifikation auffordern. Also verlässt man sich mal wieder auf die Community. Zudem hat Linden Lab eine neue Welt für Kinder und Jugendliche zwischen 13 und 17 Jahren erschaffen, die so genannte "Teen Second Life". In dieser Onlinewelt sind Schimpfwörter, Gewalt und sexuelle Darstellungen verboten. Erwachsene haben keine Erlaubnis sich in dieser Welt aufzuhalten, wobei sich dies durch die fehlende Altersverifikation schwer kontrollieren lässt.


Terroristen


Die Insel des australischen Fernsehsenders ABC

Nicht nur ein Mal wurden Unternehmen in „Second Life“ zu Opfern von Terroristen. So wurde kürzlich die Niederlassung des australischen Fernsehsenders ABC von Unbekannten attackiert. Die erst vor kurzem eröffnete Insel wurde so lange bombardiert, bis nur noch ein Funkturm und ein Krater übrig blieben. Wer die Anschläge verübt hat, ist bisher noch unklar. Dies soll aber genauestens untersucht werden und auch Sicherheitsmaßnahmen will der Sender nun vornehmen, um weiteren Anschlägen vorzubeugen. Die Vermutung besteht jedoch, dass hinter dem Angriff eine selbst ernannte Revoluzzer-Gruppe namens „Second Life Liberation Army (SLLA)“ steckt. Die SLLA, welche sich selbst als Befreiungsorganisation sieht, die für mehr Demokratie eintritt, entstand im April 2006. Im Falle von ABC hinterließen die Angreifer Hinweise, wie Bilddateien und Logos der Sportartikelhersteller Nike und Puma. Schon zu Beginn des Jahres wurden die Unternehmen Reebok und American Apparel zu Opfern der SLLA. In diesen Fällen wurden ebenfalls die Verkaufsräume der Firmen bombardiert. Entsteht bei Angriffen wie diesen ein Schaden, so muss der Betreiber, Linden Lab, eingreifen. Im Falle von ABC wurden immerhin mehrere Monate Arbeit und auch real existierendes Geld zerstört. Linden Lab gelang es aber das Land binnen weniger Stunden wiederherzustellen.


Mafia in „Second Life“


Selbst das organisierte Verbrechen macht keinen Halt mehr vor „Second Life“. So gibt es bereits einige virtuelle Mafia-Clans, die durch verschiedene Methoden versuchen anderen Avataren das Geld aus der Tasche zu ziehen. In einem Interview mit „Zeit online“ berichtet einer der Mitglieder wie dies vor sich geht. So erzählt er zum Beispiel, dass die Mafia Geschäfte ruiniert, in dem sie diese mit virtuellem Abfall vermüllt und somit dafür sorgt, dass dort keiner mehr einkauft. Oder sie schickt einen Handlanger mit virtuellen Waffen dort hin, welcher bewirkt, dass der Ort lange braucht um auf den Rechnern der Besucher geladen zu werden. Dadurch, dass der User sich dort dann nicht mehr richtig bewegen kann, macht es ihm keinen Spaß mehr diesen Ort nochmal zu besuchen. Möchte ein Spieler einen anderen von der Mafia „beseitigen“ lassen, so kostet ihn das je nach Methode bis zu 15.000 Linden Dollar (ca. 54 reale Dollar). Um das ganze Interview zu lesen klicken Sie hier.


Nazi-Attacken und Demonstrationen


Die jüdische „Kotel“ in „Second Life“

Um zur Verständigung zwischen den Religionen beizutragen hat der Avatar GruvenReuven Greenberg eine „Kotel“ (Klagemauer) programmiert in der interessierte Avatare Informationen über den jüdischen Glauben sammeln können. Am 20. April, Adolf Hitlers Geburtstag, wurden mehrere rote Luftballons, mit großflächigen Hakenkreuzen, dort angebracht. Diese konnten von Greenberg nicht mehr entfernt werden. Schon vor einigen Monaten gab es einen Nazi-Skandal in „Second Life“. Es wurde ein Nazi-Shop eröffnet, in dem man Waffen und Kopien von Stuka-Bomben aber auch virtuelle Uniformen verschiedener SS-Gattungen für seinen Avatar kaufen kann. In einem Nebengebäude des Shops, welches sich „Kaserne“ nennt, kann man weiteres Material erwerben. Die „Kaserne“ ist mit zahlreichen Propaganda-Plakaten geschmückt. Mit Parolen wie „Schafft Waffen an die Front“, oder „Deutsche, kauft deutsche Ware!“ wird die rechte Tendenz verdeutlicht.

Propaganda-Plakate im Nazi-Shop

In Deutschland ist der Besitz von Gegenständen oder Symbolen aus der Zeit des Dritten Reiches verboten. Da es aber in „Second Life“ keine Rechts- oder Ordnungsinstanz gibt, kann der Vertrieb solcher Objekte nicht verhindert werden. Mit Konsequenzen muss der Anbieter nicht rechnen, so lange er seinen Sitz nicht in Deutschland hat. Deutschen Spielern, die diese Artikel erwerben oder erstellen, kann jedoch eine strafrechtliche Verfolgung drohen. Die Existenz solcher Gruppen oder Geschäfte ruft aber auch Demonstrationen hervor. So gab es bei der Eröffnung des Nazi-Shops Aktivisten, die vor dem Laden ihren Widerstand bekundeten. Anlässlich der Wahlen in Frankreich eröffnete der rechtsextreme Chef der Front National, Jean-Marie Le Pen, eine eigenen Wahlkampfzentrale. Trotz des vor dem Gebäude stehenden virtuellen Sicherheitsdienstes, kam es auch hier zu Demonstrationen und Auseinandersetzungen zwischen Anhängern Le Pens und linksgerichteten Demonstranten. Eine Schutzinstanz gibt es in „Second Life“ aber weiterhin nicht. Der Betreiber fordert, dass die Spieler selbst Lösungen finden und für gegenseitige Kontrolle und Gleichgewicht sorgen.


Illegale Glücksspiele


Eines der „Second Life“ Kasinos

Das Betreiben eines Kasinos in „Second Life“ kann zu großen Problemen führen. So sind die Kasinos in der Onlinewelt ins Visier von FBI-Ermittlern geraten. Dem Betreiber Linden Lab droht eine Anklage wegen illegalen Glücksspiels im Internet. Es gibt viele virtuelle Kasinos in „Second Life“, jedoch machen die größten von ihnen nur einen bescheidenen Gewinn. Es entstand aber das Problem, dass die Kasinos vermutlich gegen das Glücksspielverbot im Internet oder das Gesetz gegen illegales Glücksspiel verstoßen. Unklar ist jedoch, inwiefern Linden Lab dafür verantwortlich ist. Daher hat der Betreiber das FBI eingeladen sich in den virtuellen Kasinos umzuschauen um zu prüfen ob diese gegen eines der Gesetze verstoßen. Nähere Informationen stehen noch aus.


Suchtgefahr


Ein weit umstrittenes Thema ist momentan auch die Suchtgefahr in „Second Life“. Ob diese wirklich besteht konnte jedoch noch nicht mit Sicherheit nachgewiesen werden. So befürchtet der wissenschaftliche Dienst des Bundestags, bei „Second Life“ Spielern eine erhöhte Suchtgefahr und Realitätsverlust. Andererseits wird von Psychologen der Standpunkt vertreten, dass virtuelle Welten wie „Second Life“ soziale Kompetenz erfordern und fördern. Jedoch kann das Spielen von „Second Life“ wie eine Droge wirken, wenn es durch die Flucht in ein zweites, schöneres Leben, die Funktion bekommt, Stresssituationen abzubauen. Allgemein kann man sagen, dass es sich hierbei aber wie mit allen anderen Süchten verhält. Endgültige Beweise ob nun eine erhöhte Suchtgefahr besteht oder nicht konnten bisher noch nicht erbracht werden. Dafür wären noch weitere Forschungen notwendig.


„Second Life“ ist ein Land ohne Gesetze oder Gerichte. Der Betreiber verlässt sich auf die Ehrlichkeit der Benutzer. Mit wachsender Zahl der Benutzer, wachsen auch die Probleme in der Onlinewelt und überall lauern Gefahren. Dies wird sich auch nicht ändern, so lange dem Spieler in „Second Life“ keine Grenzen gesetzt oder Regeln und Gesetze formuliert werden. So lange diese Tatsache besteht, werden Terroristen, Mafien oder Diebe auch weiterhin die Möglichkeit haben ihr Unwesen in „Second Life“ zu treiben.



Einfluss virtueller Welten für die Zukunft


Avatar im Spiel World of Warcraft

Virtuelle Online-Welten haben in letzter Zeit einen bemerkenswerten Hype ausgelöst. Schon seit Jahren gibt es sehr erfolgreiche Spiele auf dem Markt. Der langjährige Klassiker ist das Fantasy-Spiel „World of Warcraft“. Dieses Online Rollenspiel kann weltweit mehr als fünf Millionen Abonnenten verbuchen, welche zwölf Euro monatlich dafür bezahlen. Auch hier kann der Spieler zwischen verschiedenen Avataren, z.B. Jägern, Söldnern, Zauberern, Feen oder Bauern wählen. Spiele, in denen der User sich einen eigene Avatar erstellen und die Welt maßgeblich mitgestalten kann werden immer beliebter. Genau dieses Konzept verfolgt auch das Spiel „Sims“. Das bekannteste Simulationsgame der Welt bietet die Möglichkeit das Aussehen, den Lebensraum und die sozialen Beziehungen eines oder mehrerer Avatare selbst zu bestimmen und zu verändern. Auch die Macher von „Sims“ wollten in den Onlinesektor expandieren und brachten in den USA die online Spielversion von „Sims“ auf den Markt, was sich aber als wirtschaftliches Fiasko herausstellte.


Andere Onlinewelten haben da mehr Erfolg und sicherlich gehört „Second Life“ momentan zu den Bekanntesten. Aufgrund der Medienaufmerksamkeit und der Möglichkeit Geld zu verdienen, nutzen Privatpersonen und auch immer mehr Firmen diese Plattform. Trotz negativer Schlagzeilen rund um „Second Life“ ist der Erfolg von 3-D Onlinewelten nicht von der Hand zu weisen. Bemerkenswert ist dabei der asiatische Raum. In Korea loggt sich jeder Dritte regelmäßig in das 3-D Spiel „Cyworld“ ein. Auch hier muss der User reales Geld bezahlen um seinem Avatar ein individuelles Aussehen zu verleihen. Ähnlich wie bei „Second Life“ ist der soziale Faktor ein wesentlicher Bestandteil dieser Welt.


Es ist also eine klare Tendenz auf dem Online Spielemarkt zu erkennen. Die User möchten ihr virtuelles „Ich“ und dessen „Lebensraum“ individuell mitgestalten. Begehbare 3-D Welten, die endlos mit eigenen Inhalten modifiziert werden können, und in der soziale Systeme und Identitäten geschaffen werden, sind auf dem Vormarsch. Die Spiele werden dynamischer und passen sich damit dem Begriff „Web 2.0“ an. Im Web 2.0 können sogar Anwender mit wenigen EDV-Kenntnissen eigene Beiträge auf Server stellen, dass Internet also selbst mitgestalten. Dieses Konzept nennt man User Generated Content, nähere Informationen dazu finden Sie hier. Die Grenzen zwischen Administratoren bzw. Informationsanbietern auf der einen Seite und reinen Informationskonsumenten auf der anderen Seite verschwimmen. Auch in „Second Life“ stellt der Betreiber „Linden Lab“ den Usern Werkzeuge zur Verfügung um eigene Gegenstände und Gebäude zu erstellen und in das Spiel zu integrieren. Anbieter zukünftiger Spiele bzw. Onlinewelten werden die User zu Schöpfern ihrer eigenen Welt machen. „Wer in Zukunft erfolgreich Spiele entwickeln will, muss die Gamer stärker integrieren. Die Spiele der Zukunft werden offener sein“, ist Thomas Zeitnerder, Geschäftsführer von Electronic Arts Deutschland, überzeugt. „Der Spieler wird deutlich mehr Gestaltungsspielraum haben und eigene Elemente entwickeln können.“


Auch der soziale Aspekt bei Spielen wird immer mehr in den Vordergrund rücken. Trotz der kapitalistischen Züge von „Second Life“ rückt der menschliche Aspekt nicht in den Hintergrund. Es entstehen komplexe soziale Gefüge, ähnlich zu denen im echten Leben. Der Aufbau sozialer Kontakte ist der Hauptmotivationsgrund vieler User. Oft verschmelzen dabei echtes und virtuelles Leben miteinander. Es gibt Spendensammlungen und Charity Veranstaltungen die sich mit Problemen aus der realen Welt beschäftigen. In „Second Life“ wurde in der Vergangenheit z.B. ein virtuelles Motorrad versteigert, dessen Ertrag an eine krebskranke Spielerin ging. Auch eine Insel mit dem Namen "Better World Island" hat sich ganz dem guten Gedanken gewidmet. Die Hilfsorganisation „CARE“ baut dort ein Informationszentrum in dem es auch Ausstellungen gibt, welche auf die Missstände in der Welt hinweisen sollen. "Camp Darfur", eine Ausstellung, die auf den schleichenden Völkermord im Sudan hinweisen soll, zeigt Bilder von hungernden Kindern und stellt Informationstexte bereit. Die Besitzerin dieser Insel erlässt „CARE“ zeitweise auch die obligatorische Miete für virtuelles Bauland in „Second Life“.


Zusammenfassend können „Second Life“ und andere Onlinewelten als eine Art Testlabor für das Internet der Zukunft bezeichnet werden. Trotz schlechter Grafik, überlasteter Server und fehlendem Rechtssystem verdeutlicht „Second Life“ wie die Menschen online soziale Gefüge aufbauen und eine eigene Wirtschaft entwickeln. Auch der Einfluss von „Web 2.0“ ist gut zu erkennen. Es werden sicherlich neue, bessere Onlinewelten auf den Markt kommen, die an den Fehlern und Problemen von „Second Life“ gelernt haben. Zukünftige Onlinewelten werden auch nicht wie Datenkäfige funktionieren. Schon heute wird versucht eine Technik zu entwickeln, die den Usern ermöglicht mit ihrem Avatar in andere Welten zu gelangen. Die totale Vernetzung und Kompatibilität zukünftiger virtueller Spiele ist vorstellbar. Zudem werden die Welten eine enge Verbindung mit der Realität haben. Das Bummeln durch virtuelle Geschäfte ist in „Second Life“ schon möglich. Mit einem Mausklick kann der User zu dem Onlineauftritt eines Unternehmens wechseln und dort reale Gegenstände einkaufen. Das Leben der Menschen wird sich in Zukunft immer mehr auf virtuellem Grund abspielen. Eine 3-D Darstellung des Internets kommt dabei der natürlichen Wahrnehmung nah und wird sich wahrscheinlich auch durchsetzen.



Autoren: Jana Appel, Julia Becker, Michaela Siebert


Quellen



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