HOCH STAPELN

 und 

FEST ZURREN

 

Arbeit mit konventionellen und innovativen Systemen
 der Containersicherung auf Seeschiffen und im Hafen

 

Vorbemerkung/Danksagung

Die vorliegende Untersuchung bildet den Abschluß einer mehrjährigen Auseinandersetzung mit einem Thema aus der Welt der Arbeit im Hafen. Sie war die seltene Chance, sich mit einem Forschungsgegenstand so ausführlich zu befassen, wie es sonst in der Hektik des wissenschaftlichen Beratungs- und Forschungsalltags nur schwer möglich ist.

Dafür bedanke ich mich bei allen, die mich unterstützten.

Es waren viele, die zum Gelingen dieser Arbeit beigetragen haben: zuerst gebührt der Dank den Hafenarbeitern aus Hamburg, Bremen und Rotterdam. Ohne ihre Hilfe und Unterstützung wäre diese Arbeit überhaupt nicht entstanden.

Besonders bedanken möchte ich mich bei den Verantwortlichen der Hamburger Hafen und Lagerhaus AG, UNIKAI Container-Terminal Hamburg, der Stauerei Carl Tiedemann, der Reederei Hamburg - Süd, der Firma Conver OSR Bremen, der Bremer Lagerhaus AG, ECT Home Terminal Rotterdam und des Germanischen Lloyd Hamburg für ihre aktive Unterstützung und Mitarbeit an den vielfältigen - im VACU - Verbund - Projekt zusammengeführten - Forschungsaktivitäten.

Sie haben mir die Leitung dieses hochambitionierten technischen Entwicklungsvorhabens zwar nicht immer einfach gemacht, aber es ist in einer sehr seltenen Symbiose gelungen, arbeitswissenschaftliche Anforderungen an technische und organisatorische Lösungen durchgängig erfolgreich zu entfalten.

Ich bedanke mich bei den Kolleginnen und Kollegen, die mir mit ihrer unermüdlichen Hilfe zur Seite standen, weil Konzepte überprüft werden mußten, die verschiedensten Entwürfe kritisch zu kommentieren und Statistiken aufzubereiten waren, Videosequenzen erstellt und Texte korrigiert werden mußten.

Mein Dank geht an meine Freundinnen und Freunde, die mich emotional unterstützten und geduldig auf eine Verabredung mit mir warteten, die nicht durch meine Arbeit geprägt sein würde.

Ganz besonders herzlich bedanken möchte ich mich bei Wiebke Roegener und Stefan Richter, die mit ihrer unbequemen Präzision ihrer Fragen, der unendlichen Geduld bei den sich anschließenden Diskussionen und ihrer logischen Konsequenz, mich dazu brachten, die Arbeit auch zu Ende zu führen.

Ich bedanke mich bei den Kollegen der Hamburger Sozialforschungsgesellschaft e.V. (HSFG), die mir mit ihrem Engagement aus so manchem „Hänger“ heraushalfen. Ihnen bin ich besonders dankbar für die fruchtbaren Anregungen, die substanzielle Unterstützung, die großzügige Geduld und ihre solidarischen Kritik, das gilt insbesondere Wiebke Preuß, Gerd Kessel und Jens Groth.

Daß diese Dissertation in einer - auch für mich ungewöhnlichen - „html - Version“ internetfähig publiziert ist, dafür bedanke ich mich bei „Alten“ Raschke, dem ich es auch zu verdanken habe, daß diese Arbeit in der „säurefreien“ Druckfassung vorliegt.

Besonders bedanken möchte ich mich bei Prof. Dr. Dankwart Danckwerts am Fachbereich Philosophie-Religionswissenschaft-Gesellschaftswissenschaft der Gerhard Mercator Universität GH Duisburg. Nachdrücklich möchte ich mich bei Prof. Horst Linde vom Institut für Schiffs- und Meerestechnik; Fachgebiet Seeverkehr der Technischen Universität Berlin für die Bereitschaft bedanken, eine Arbeit zu begutachten, die nicht den „reinen ingenieurwissenschaftlichen Stallgeruch“ hat. Beide ließen sich mit viel Zeit und Interesse auf meine Arbeit ein; ihr profunder Rat und ihre Hinweise waren mir ein großer Gewinn.

Ich selbst übernehme die Verantwortung dafür, was ich aus den Befunden, Interviews, Daten, Beiträgen, Anregungen und Kritiken gemacht habe.

Erlaubt sei eine Anmerkung zur Lesbarkeit der Druckfassung. Die für die „html“-Version notwendigen „hyperlinks“ sind aus dieser Fassung aus technischen Gründen nicht entfernt worden. So sind die Ziffern der Bilder, die nicht in die Papierform aufgenommen worden sind, mit einem Klammerbegriff z.B. (12/27) dokumentiert, das gilt auch für die „links“ der Anhänge und Exkurse, Sie fordern den Leser auf, im hinteren Teil der Arbeit den entsprechenden Hinweis nachzuschlagen.

Hamburg, 29. August 2000

 

Zusammenfassung

Diese Arbeit entstand aus einem Forschungs- und Entwicklungsvorhaben, welches sich mit der seefesten Sicherung von Containern auf Seeschiffe befasste. Zusammengefunden haben sich in einer Kooperationsgemeinschaft Terminalbetreiber, Stauereien, Reedereien, Schiffbauer, -ausrüster, eine Klassifikationsgesellschaft und wissenschaftliche Einrichtungen.

Das Entwicklungsvorhaben ist von 1988 - 1996 durchgeführt worden, zeitweilig gefördert vom Bundesministerium für Forschung und Technologie und der Freien und Hansestadt Hamburg. Der Autor war im Rahmen des Vorhabens - neben der Gesamtgeschäftsführung - verantwortlich für die sozial- und wirtschaftswissenschaftlichen Fragestellungen, mit besonderem Schwergewicht auf den arbeitswissenschaftlichen Aspekt.

In der vorliegenden Arbeit wird das Entwicklungsvorhaben vorgestellt als ein Beispiel für die Anwendung arbeitswissenschaftlicher innovativer Vorgehensweisen in einem realen wirtschaftlich – technologischen Gestaltungsfeld. Sowohl die Vorgehensweise bei der Entwicklung und Evaluation einer von den wirtschaftlichen Akteuren zur Realisierung vorgesehenen technologischen und arbeitsorganisatorischen Lösung als auch die Darstellungsweise in der vorliegenden Arbeit sind von den besonderen Bedingungen einer gleichberechtigten Zusammenarbeit arbeitswissenschaftlicher, betriebswirtschaftlicher und ingenieurwissenschaftlicher Fachlichkeit zur Erreichung eines gemeinsamen Projektzieles geprägt.

Bisher ist die Lascharbeit beim Containerumschlag und der Containersicherung auf den Seeschiffen nicht ins Blickfeld der Sozialwissenschaften geraten; insofern mußte mit dieser Arbeit Neuland beschritten werden. Arbeitwissenschaftliche Untersuchungen zu diesem Bereich fehlen - soweit ersichtlich - vollständig. Der Arbeitsbereich des Containerlaschens wird deshalb aus verschiedenen fachwissenschaftlichen Blickwinkeln - unterstützt durch multimediale Elemente - relativ umfassend dargestellt.

Zur Gewinnung von Gestaltungskriterien eines neuen Laschsystems erfolgte zunächst eine ausführliche arbeitswissenschaftliche Erfassung der Ist-Situation des Containerlashings, wobei besonderes Gewicht auf die Beteiligung der Lascher an der Ermittlung der spezifischen Problembereiche ihrer Arbeit und an der Entwicklung der Zielkriterien gelegt wurde.

In der Arbeit wird das Entwicklungsvorhaben als ein Beispiel für die Anwendung arbeitswissenschaftlicher innovativer Vorgehensweisen in einem realen wirtschaftlich – technologischen Gestaltungsfeld vorgestellt. Sowohl die Vorgehensweise bei der Entwicklung und Evaluation einer von den wirtschaftlichen Akteuren zur Realisierung vorgesehenen technologischen und arbeitsorganisatorischen Lösung als auch die Darstellungsweise in der vorliegenden Arbeit sind von den besonderen Bedingungen einer gleichberechtigten Zusammenarbeit arbeitswissenschaftlicher, betriebswirtschaftlicher und ingenieurwissenschaftlicher Fachlichkeit zur Erreichung eines gemeinsamen Projektzieles geprägt.

Es wurde ein Laschsystem entwickelt, das u.a. folgende Zielsetzungen erfüllt:

  • Verbesserung der Arbeitsabläufe
  • Flexibilität des Containerlaschens
  • Erhöhung der Systemsicherheit
  • Vereinfachung des Containerumschlags
  • Verringerung der Umschlagskosten
  • Erhöhung der Produktivität

Das VACU – Laschsystem umfaßt technologische und organisatorische Lösungen, die für den Containerumschlag auf Containerschiffen aller gängigen Grössenklassen geeignet sind und prinzipiell auf allen Containerterminals weltweit angewendet werden können.

Die einzelnen Systemlösungen wurden einer umfassenden technischen, betriebswirtschaftlichen und arbeitwissenschaftlichen Evaluation unterzogen. Unter Praxisbedingungen ist die entwickelte „Hamburger Lösung“ auf einem Containerschiff während einer Mittelmeerreise sowie auf mehreren europäischen Containerterminals unter Beteiligung der Lascher getestet worden. Entsprechend der Evaluationsergebnisse und der unter besonderer Berücksichtigung der von den Laschern beim Handling gewonnenen Erfahrungen, wurden die Laschlösungen modifiziert und zur Marktreife gebracht.

Das neue Laschsystem ist technisch realisierbar, es verbessert die Arbeitsbedingungen der Seeleute und Lascher, gewährleistet die Ladungssicherheit, ermöglicht eine Kapazitätserhöhung der Containerschiffe und erhöht die Umschlagsgeschwindigkeit.

Eine Wirtschaftlichkeitsbetrachtung im „erweiterte Wirtschaftlichkeitsrechnungs-Verfahren“ führte zu dem Ergebnis, dass der praktische Einsatz der VACU – Laschlösungen - in einer Gesamtschau ökonomischer, technischer und arbeitswissenschaftlicher Kriterien - realistisch, sinnvoll und empfehlenswert ist.

 

1 EINLEITUNG

Die „Containerisierung“– Strukturwandel im Containerumschlag und im Gütertransport.

 

Seit den sechziger Jahren hat sich im Güterumschlag eine Entwicklung vollzogen, die ohne Übertreibung revolutionär genannt werden kann. Zwar reifte in den USA bereits vor dem zweiten Weltkrieg die Idee, für den Umschlag und Transport von Gütern genormte Behälter (Container) einzusetzen. Die Schaffung der technischen und organisatorischen Voraussetzungen für einen Container-Verkehr gestaltete sich jedoch bis in die sechziger Jahre hinein weltweit wenig spektakulär. (Exkurs 1: Historische Entwicklung) Entsprechende Bemühungen stießen sogar auf Widerstand und Widerwillen (vgl. Hansen 1989:91ff).

Als 1968 das erste deutsche (Voll)-Containerschiff von der Reederei HAPAG auf dem Nordatlantik eingesetzt wurde, vertraten ausgewiesene Seefahrtsexperten - wie z.B. Professoren einer Seefahrtsschule - die Auffassung, dass sich der Container nicht durchsetzen wird.
(Exkurs 2: Die Auswirkung der "Containerisierung" auf die Hafenwirtschaft)

Seither hat sich aller Skepsis und Zurückhaltung zum Trotz ein rapider Wandel vollzogen, der zu einer weitgehenden Industrialisierung und Neustrukturierung des weltweiten Seeverkehrs geführt und die Seehafenverkehrswirtschaft zu erheblichen Anpassungen gezwungen hat.

Verflechtung.gif (168663 Byte)
Abb. 1: Verflechtungen der Hafen- und Seeverkehrswirtschaft im Containertransport

Mit zunehmender Anzahl und Größe der Containerschiffe und der zu transportierenden Containermengen, gewinnt das Problem der seesicheren Befestigung an Bedeutung. Nach vorsichtigen Schätzungen werden 40-50% aller zu transportierenden Container an Deck geladen.

Bild 1: M/V „Transvaal", 2.800 TEU; Reederei Deutsche Afrika-Linien (1978)

Diese Darstellung ist typisch, alle Elemente eines Containerschiffs werden sehr exakt dargestellt, (incl. Querschnitt im Raum), die Sicherung (Laschung) der Container auf dem Lukendeckel ist jedoch nur mit wenigen Laschkreuzen marginal angedeutet. Der Ausschnitt illustriert den Untersuchungsgegenstand „Containerlaschen“ sehr deutlich; eine grosse Menge schweren „Eisen“ (Laschstangen, Spannschrauben, Twistlocks etc.) sichert die Deckscontainer untereinander und mit dem Seeschiff. Bearbeitet wird das „Eisen“ von speziellen Hafenarbeitern, (2) Lascher beim Verschrauben von Laschstangen. Ihre Arbeitsbedingungen zu verbessern, ist das Anliegen dieser Arbeit.

Damit sie nicht verrutschen und die Besatzung, das Schiff und die Ladung gefährden, müssen sie in „seaworthy fashion“ gesichert werden. Generell müssen alle Decksladungen und Container auf Seeschiffen, die in zweckentfremdeten Zellenstauungen geladen werden, gesichert sein. Diesen Sicherungsvorgang nennt man „laschen“. Die Schiffs- und Terminalbetreiber stehen vor der Aufgabe, eine einfach zu handhabende, universell einsetzbare und wirtschaftliche Deckscontainersicherung (-zurrung) zu finden. Exkurs 3: Containerterminal im Seehafen;Film: „Arbeitsorganisation und Kontrolle

Die Deckscontainersicherung wurde zu einem wichtigen Faktor für (3) Ladungs- und Schiffssicherheit, für die Kostenrechnung im Gütertransport, für die Minimierung von Liege- und Fahrzeiten, die (4) Arbeitssicherheit in Umschlag und (5) Transport. (6) Unterschiedliche Systeme der (7) Containersicherung und (8) –befestigung(9) Container-Laschsysteme – entstanden nebeneinander. Sie sind jedoch weder geeignet, die genannten (10) Probleme ausreichend zu lösen noch genügen sie der Anforderung nach Kompatibilität, die der (11) internationale Gütertransport heute stellt.

Aus diesen Gründen fanden sich Hafenunternehmen, Reedereien, Stauereien, Schiffbauer und –ausrüster, die deutsche Klassifikationsgesellschaft und wissenschaftliche Einrichtungen zusammen, um mit Förderung des BMB+F und der Freien und Hansestadt Hamburg ein Laschsystem zu entwickeln, das den Anforderungen besser entspricht (Kooperationsgemeinschaft: Verbesserung der Arbeitsbedingungen im Containerumschlag, VACU). Aus der arbeitswissenschaftlichen Begleitung dieses Entwicklungsvorhabens entstand die vorliegende Arbeit.

 

2 ZIELSETZUNG

Ziel ist es , durch innovative technische und organisatorische Lösungen die (12) Unfallrisiken und (13) physischen Belastungen für das Laschpersonal abzubauen. In einer umfangreichen arbeitswissenschaftlichen Analyse wurden die Vorraussetzungen für die Entwicklung und wirtschaftliche Umsetzung innovativer Laschsysteme in der Seeverkehrswirtschaft geschaffen.

 

2.1 Probleme des Container-Laschens und die Gestaltungsziele für innovative Laschsysteme

Die (14) Sicherung und Befestigung von Containern auf den Seeschiffen ist aus verschiedenen Gründen der entscheidende Problembereich und ein Engpaß im (15) Prozeß des Umschlags von Containern. Hafenbetriebe werden dabei vor technische, wirtschaftliche und organisatorische (16) Probleme der Containersicherung

Während die Container, die auf den Schiffen befestigt werden müssen, zum größten Teil international normierte Abmessungen haben, sind (8) Laschmittel, die auf den (17) Schiffen oder den (18) Terminals vorgehalten werden müssen, und auch die Vorschriften für die Befestigung der Container keineswegs standardisiert. Dies trägt zu (19) Beeinträchtigungen des Arbeitsablauf, zu einer Minderung der Produktivität und damit zur Verteuerung der (20) Containerschiffsabfertigung bei; es gewährleistet überdies keine optimale (10) Ladungssicherheit. Alle eingesetzten (Abb. 16A + 16B) Laschsysteme bestehen aus einer Vielzahl von verschiedenen, sehr schweren Laschelementen.
Anhang 1: Bezeichnung und durchschnittliche Gewichte der einzelnen Zurrelemente

Ein neu zu gestaltendes innovatives Laschsystem soll zur

  • Verbesserung der Arbeitsabläufe,
  • Flexibilisierung des Container-Laschens,
  • Erhöhung der Systemsicherheit,
  • Gewichtsminimierung des Laschsystems,
  • Vereinfachung des Containerumschlags,
  • Steigerung der Umschlagsleistung,
  • Verringerung der Umschlagskosten,
  • Erhöhung der Produktivität

beitragen.

Es sollte zudem geeignet sein, sich als Standard international zu bewähren.

Gleichzeitig und gleichrangig ist anzustreben, die (21) Arbeitsbedingungen der Hafenarbeiter (Lascher) und (22) Seeleute, die die Containersicherung an Deck der Containerschiffe durchführen, humaner und sozial angemessener zu gestalten, denn das (23) Stauen und  Sichern von Containern auf Schiffen ist ein Arbeitsbereich, der ausschließlich den Einsatz (24) manueller Arbeit erfordert. Die Befestigung und Sicherung von Containern obliegt einer spezialisierten Gang (so nennen sich Gruppen von Hafenarbeitern). (13) Lascher gehören zu den (14) Erwerbstätigen im Hafen, die unabhängig von den spezifischeren Anforderungen in ihrer Tätigkeit, mehrfach belastenden Bedingungen ausgesetzt sind. Sie arbeiten im Freien und, anders als beispielsweise im Baugewerbe Beschäftigte, bei jeder (25) Witterung. Sie leisten Schicht- und Nachtarbeit.(26) Container-Laschen ist schwere körperliche Arbeit, die (12) hohe Gesundheits- und Unfallrisiken in sich birgt.

Arbeitsbedingungen werden für die Betroffenen erträglicher durch

  • Reduzierung der Belastungen,
  • Senkung der Erkrankungs- und Unfallrisiken,
  • Verbesserung der Handhabbarkeit des Laschsystems.

     

Die Entwicklung und Erprobung des neuen Laschsystems wird arbeitswissenschaftlich begleitet. Dies gewährleistet, daß bei der Veränderung der Arbeitsmittel und -methoden und des Arbeitsplatzes der Lascher wissenschaftliche Erkenntnisse über die menschengerechte Gestaltung angewendet werden.

 

2.2 Zielkonflikte zwischen menschengerechten Arbeitsbedingungen und Wirtschaftlichkeit des Containertransports

Entwickler von Laschsystemen, Terminals, Stauereien und Reedereien stehen sich in der geschäftlichen Realität als Anbieter und Nachfrager von Equipments und Dienstleistungen und damit als Marktpartner gegenüber. Man kann daher z.T. unterschiedliche Interessen, Gewichtungen der einzelnen Ziele und z.T. gegensätzliche Vorstellungen von Wirtschaftlichkeit unterstellen.

Eine Einigung über konkrete Gewichtungen der technischen, wirtschaftlichen und humanen Ziele und über konkrete Lösungsalternativen muß daher im Spannungsfeld dieser Unterschiede und Gegensätze herbeigeführt werden. Hier fällt der arbeitswissenschaftlichen Begleitung die Rolle zu, als Mittlerin zwischen den Unternehmen und den Betroffenen (oder auch stellvertretend für sie) zu wirken, d.h. die Interessen der Lascher einzubringen und zu gewährleisten, daß nach neuesten arbeitswissenschaftlichen Erkenntnissen verfahren wird.

Die Mitwirkung so unterschiedlicher Partner und die Austragung von Zielkonflikten birgt jedoch auch große Chancen, ein Laschsystem hervorzubringen, das verschiedenen, grundsätzlich nur schwer zu vereinbarenden Anforderungen besser genügen kann.

Die Arbeitsbedingungen von Laschern und Seeleuten werden sich nur verbessern lassen, wenn technologische Fortschritte und neue organisatorische Lösungen beim Laschen von Containern von den Reedereien akzeptiert werden. Reeder sind in erster Linie an einem „schnellen“ Hafen oder Terminal interessiert und wenden sich dorthin, wo sie ihn finden. Sie müssen die Laschausrüstungen für ihre Schiffe ( Abb. 16 Teil 1 - 2 ) einkaufen, und sie können wählen.

Wenn die innovative „Lasch-Lösung“ nicht nur eine wirtschaftliche und technologische, sondern eine humane Alternative für das Problem des Laschens von Containern bieten will, muß sie von vornherein auch darin überzeugen, daß der „Faktor Mensch“, d. h. hier die Lascher im Zusammenwirken mit der Lasch- und Umschlagstechnik dem Arbeitsergebnis etwas hinzufügen, das sich möglicherweise nicht unmittelbar als Zeitgewinn, aber in Qualität der Arbeit niederschlägt.

 

3 METHODEN

 

3.1 Arbeitswissenschaftliche Ansätze

 

3.1.1 Forschungsplan

Der erste Arbeitsschritt besteht in einer Bestands-aufnahme der gegenwärtigen Arbeitssituation beim Laschen von Containern. Es gilt, wesentliche Arbeitsprobleme von Laschern und deren Bedingungen zu kennzeichnen. Dabei werden die von den Arbeits- und Technikgestaltungsmaßnahmen unmittelbar betroffenen Lascher in den Forschungsprozeß einbezogen. Ihre Kenntnisse und Erfahrungen werden in der Bestandsaufnahme systematisch verwertet.
Diese Diagnose sowie die Beurteilung und Bewertung der derzeitigen Arbeitsbedingungen ist Grundlage für den zweiten Arbeitsschritt. Die Kriterien, die zur Beurteilung der Angemessenheit oder Unangemessenheit der vorhandenen Laschsysteme und -methoden herangezogen werden, sind zugleich die arbeitswissenschaftliche Basis für die Formulierung der Anforderungen, denen ein neues Laschsystem und zugehörige Arbeitsplätze unter humanen Gesichtspunkten genügen sollten. Von den vorgefundenen Verhältnissen ausgehend, werden Ansatzpunkte für Verbesserungen der Arbeitsbedingungen aufgezeigt. Auch an dieser Stelle kommen die betroffenen Lascher zu Wort, wenn ihre Vorstellungen und Erwartungen dokumentiert werden. Die Vorschläge und Anregungen für die Entwickler des innovativen Laschsystems haben daher zum Teil korrektiven und zum Teil konstruktiven Charakter.

Der dritte Arbeitsschritt besteht in der arbeitswissenschaftlichen Begleitung der Erprobung der entwickelten technischen und organisatorischen Laschlösungen. Es soll ermittelt werden, inwieweit und in welcher Hinsicht eine Verbesserung der Arbeitsbedingungen erzielt werden konnte und welche Rolle dabei die neuen Laschmittel und -methoden spielen. Die Evaluierung wird mit Vorschlägen für eine Modifikation der Neuentwicklung abgeschlossen.

 

3.1.2 Voraussetzungen für die Entwicklung arbeitswissenschaftlicher Beurteilungsebenen

Die Ausgestaltung „humaner“ Arbeit wird im Grundsätzlichen nicht den individuellen Vorstellungen und Interessen der Arbeitsgestalter überlassen. Es gibt vielmehr eine Reihe von Gesetzen, die verlangen, bei Gestaltungsmaßnahmen gesicherte arbeitswissenschaftliche Erkenntnisse anzuwenden. Darüber hinaus existieren unzählige Verordnungen, Richtlinien, Vorschriften und andere Normen (in die ergonomisches, psychologisches, soziologisches u.a. Wissen einfließt), die Gestaltungsvorhaben orientieren, aber auch einengen können; und es gibt die unterschiedlichsten Organe, Organisationen und Institutionen, die mit Rechten ausgestattet sind, um deren Einhaltung zu überwachen. Darum ist es bereits bei der Beschreibung und Analyse von Problembereichen der Gestaltung sinnvoll, sich auf theoretisch und empirisch begründete Kriterien zu stützen.

Ergonomen, Arbeitsmediziner, Ingenieur- und Arbeitspsychologen und andere Sozialwissenschaftler haben grundlegende Ziel- bzw. Bewertungshierarchien entwickelt, die entsprechende Maßstäbe bereitstellen. In der wissenschaftlichen Diskussion sind vier oder fünf grundlegende Ebenen der Humanität bzw. Zieldimensionen für die Humanisierung der Arbeit herausgearbeitet worden.

Auf Rohmert geht ein Schema zurück, das inzwischen zu den gebräuchlichsten gehört, wenn es auch wiederholt abgewandelt und differenziert worden ist. Rohmert nennt die Beurteilungsebenen:

  • Ausführbarkeit,
  • Erträglichkeit,
  • Zumutbarkeit,
  • Wohlbefinden bzw. Zufriedenheit (vgl. z.B. Rohmert et al. 1980).

Hacker hat die von Rohmert genannten Ebenen in sein Schema zur Beurteilung und Bewertung der Arbeitsgestaltung aufgenommen und weiterentwickelt. Er ersetzt bzw. ergänzt einige Begriffe und nennt sie:

  1. Ausführbarkeit
  2. Schädigungslosigkeit
  3. Beeinträchtigungsfreiheit, Zumutbarkeit
  4. Persönlichkeitsförderlichkeit (vgl. z.B. Hacker W.1980)

In beiden Schemata wird unterstellt, daß die Ebenen in einem hierarchischen Abhängigkeitsverhältnis zueinander stehen: Die Persönlichkeitsförderlichkeit (bzw. das Wohlbefinden oder die Zufriedenheit der Arbeitsperson) ist die höchste Ebene, die eine Erfüllung der vorangehenden Merkmale jeweils voraussetzt. Sie stellt damit zugleich die höchsten Anforderungen an die Gestaltung der Arbeit. Dieses Ebenenschemata wird allgemein akzeptiert. Im Detail hat es jedoch Kritik erfahren und Bemühungen um eine bessere theoretische und empirische Fundierung angeregt. Eine Schwäche der Systeme und eine Quelle von Widersprüchen oder Unschärfen bei der Anwendung rührt aus dem Umstand, daß die Begriffe der Umgangssprache entnommen sind, aber z.T. abweichend vom Alltagsverständnis definiert und gebraucht werden.

Für die arbeitswissenschaftliche Bestandsaufnahme ist entscheidend, daß sich aus der Anwendung der Schemata und weiterer theoretischer Grundlagen ein Bezugsrahmen für die Begutachtung der Arbeitsbedingungen im Containerumschlag gewinnen läßt. Nicht zuletzt erfahren die humanen Gestaltungsziele durch sie eine arbeitswissenschaftliche Begründung. Ob die Ebenen in einer hierarchischen Abfolge zueinander stehen, ist für die Problembereichsanalyse von untergeordneter Bedeutung.

Um möglichen Mißverständnissen vorzubeugen, werden die Begriffe und die Verwendung des Beurteilungssystems im Folgenden ausführlich erläutert.

 

3.1.3 Ausführbarkeit der Arbeit

Die Ausführbarkeit der Arbeitstätigkeiten wird in den hierarchischen Bewertungsschemata als das elementarste Kriterium betrachtet. Eine Arbeitstätigkeit ist ausführbar, wenn der Arbeitsplatz den Körpermaßen entsprechend gestaltet ist, wenn die Arbeit den Körperkräften und den menschlichen Stellungs- und Bewegungsmöglichkeiten angepaßt ist. und wenn die Arbeitsgegenstände und -informationen den menschlichen Sinnesapparat nicht überfordern. So lassen sich z.B. bereits aus der Kenntnis der durchschnittlichen Körpermaße potentieller Arbeitspersonen Regeln für die Gestaltung ausführbarer Arbeit gewinnen. Auf der Grundlage umfangreicher anthropometrischer, sinnesphysiologischer und -psychologischer Datensammlungen wurden Normen entwickelt, die schärfere Kriterien für die Beurteilung der „Menschenmöglichkeit“ einer Arbeit und Richtwerte für die Gestaltung liefern.

Ein Beispiel für eine nicht ausführbare Arbeitstätigkeit ist die Bedienung von Knöpfen oder Hebeln an Geräten, die nicht erreichbar sind, weil sie außerhalb des Greifraumes angebracht sind. Weitere Beispiele sind Arbeiten mit Arbeitsmitteln, die aufgrund ihres Gewichts nicht handhabbar sind oder auch eine Tätigkeit in einer lauten Arbeitsumgebung, bei der zugleich die verbale Übermittlung von Informationen notwendig ist.

Beurteilung und Bewertung der Ausführbarkeit von Arbeiten sind möglich anhand maßgeblicher Richtwerte für die Gestaltung des Arbeitsplatzes oder durch direkte Einschätzung, ob und inwieweit die physischen und psychischen Anforderungen im Bereich des menschlich „Machbaren“ liegen. Dabei wendet man die in den Beispielen gewählten feineren Kriterien wie die Erreichbarkeit von Bedienteilen, das Gewicht von Arbeitsmitteln oder die Sprachverständlichkeit an. Entsprechend wird bei der Beurteilung und Bewertung der (13/26) Ausführbarkeit der Lascharbeiten auf Containerschiffen vorgegangen.

 

3.1.4 Erträglichkeit, Schädigungslosigkeit der Arbeit

Die Erträglichkeit (Rohmert) bzw. die sog. Schädigungslosigkeit (vgl. Hacker, W., 1986) der Arbeit wird als gegeben betrachtet, wenn die Leistungsgrenzen der arbeitenden Menschen - auch unter dem Aspekt langfristiger Belastungsdauer - nicht überschritten werden. Kriterium für Arbeiten innerhalb dieser Grenzen ist, daß die Gesundheit der Arbeitsperson unversehrt bleibt. Auch hier gibt es gesicherte ergonomische und arbeitsmedizinische Erkenntnisse über Belastungsfaktoren und Richtwerte, die angeben, was von den Menschen ohne Gefährdung der Gesundheit ertragen werden kann.

Beispiele für Arbeiten, die nach dem genannten Kriterium „nicht erträglich“ sind, sind Tätigkeiten, bei denen eine hohe Unfallgefahr besteht. Weitere Beispiele sind Arbeitsplätze, die durch ihre Gestaltung ungünstige Körperhaltungen erzwingen, oder an denen dauerhaft Lärm herrscht.

Hier sind z.B. die MAK-Werte („Maximale-Arbeitsplatzkonzentrations-Werte“) zu nennen, die die höchstzulässige Konzentration an gesundheitsschädlichen Arbeitsstoffen an einem Ganztags-Arbeitsplatz angeben (vgl. UVV „Allgemeine Vorschriften“ (VBG 1)/(GUV 0.1),TRGS 900 „Technische Richtkonzentrationen (TRK) für gefährliche Stoffe“ Grenzwerte in der Luft am Arbeitsplatz, Luftgrenzwerte - MAK - TAK). Andere Richtwerte ergeben sich aus dem Zusammenhang zwischen der relativen Schallstärke und den Lärmwirkungen auf die Menschen.

Auch in bezug auf schädigende Faktoren und ihre Auswirkungen steht breites Erfahrungswissen zur Verfügung, auf das man sich bei der Beurteilung und Bewertung von Arbeitsbedingungen stützen kann. In der Untersuchung der Arbeitsbedingungen beim Container-Laschen hat die Ermittlung der Art und des Ausmaßes von (12/27) Unfallgefährdung ein besonderes Gewicht.

Ausführbarkeit und Erträglichkeit der Arbeit herzustellen, wird als „unabdingbare imperative Forderungen bei jeder Arbeitsgestaltung“ angesehen (vgl. Rohmert et al. 1980, S.23).

 

3.1.5 Beeinträchtigungsfreiheit der Arbeit

Die Beeinträchtigungsfreiheit, die Hacker als nächste Beurteilungsebene nennt, ist nicht auf der gleichen Ebene wie die Zumutbarkeit (Rohmert) anzusiedeln. Wenn man im Bild einer Ebenenhierarchie bleiben will, muß die Beeinträchtigungsfreiheit als Zwischenstufe betrachtet werden. Man könnte sie als Erträglichkeit (bzw. Unversehrtheit) auf einem höheren (Anspruchs-)Niveau ansehen. Anstelle von Schädigungen sind (vorübergehende) Funktionsminderungen bzw. psychische und / oder physische Störungen Bezugspunkte für eine negative Beurteilung (vgl. Hacker 1978, S.378).

Beispiele für derartige Beeinträchtigungen sind Tätigkeiten, bei denen die Beanspruchungen so hoch sind, daß eine vorzeitige körperliche oder geistige Ermüdung, Erschöpfung oder psychosomatische Beschwerden (etwa infolge von dauerndem Streß) auftreten.

Eine andere Konkretisierung dieser allgemeinen und weiten Bestimmung der Beeinträchtigungsfreiheit von Hacker findet sich in Erläuterungen zu einem Bewertungsschema, das zwischen der Stufe erträglicher und zumutbarer Arbeitsbedingungen einen Bereich „positiven Komforts“ ansiedelt (vgl. Berendonk, et. al. 1987/93). Zu prüfen sei, inwieweit der Arbeitsplatz arbeitserleichternde und motivationsstärkende Merkmale aufweist, die über die beiden vorangehenden Bewertungsebenen (Ausführbarkeit und Erträglichkeit) hinausgehen.

Die Autoren führen Beispiele an, wann Voraussetzungen für „positiven Komfort“ fehlen:

  • wenn z.B der Arbeitsablauf durch schwer lesbare Anzeigeelemente behindert wird (mit der Konsequenz schneller Ermüdung der Arbeitspersonen und erhöhter Fehlerwahrscheinlichkeit),
  • wenn ein Arbeitsraum sich durch ungünstige farbliche Gestaltung negativ auf das Befinden der Beschäftigten auswirkt oder
  • wenn der Führungsstil eines Vorgesetzten Beschäftigte demotiviert.

Das Schema der Autoren enthält als Gegenpol einen „negativen Komfortbereich“. Mit dieser Polarisierung wollen die Autoren auf einen möglichen, in der Praxis nicht seltenen Widerspruch hinweisen.

Menschen fühlen sich in Arbeitssituationen, in denen „positiver Komfort“ fehlt, nicht zwangsläufig unbehaglich - insbesondere Fachkräfte der Arbeitssicherheit kennen die Tatsache, daß sich Menschen bei ihrer Arbeit subjektiv wohl fühlen, obwohl die Arbeitssituation ihre Gesundheit gefährdet. Und es kommt regelmäßig vor, daß sich die Beschäftigten durch ergonomisch oder psychologisch vernünftige und komfortschaffende Maßnahmen subjektiv beeinträchtigt oder gestört fühlen. Das kann eine Ablehnung der Veränderungen und eine allgemeine Demotivierung zur Folge haben.

Ein typisches Beispiel hierfür bieten die Einführung eines Lärmschutzmittels und die Probleme der Menschen, sich daran zu gewöhnen (vgl. Hardenacke et al. 1985 S.159).

Diese Überlegungen lenken auf Gestaltungs- und Forschungsprobleme hin, die im Zusammenhang mit den beiden folgenden Ebenen (Zumutbarkeit und Wohlbefinden) grundsätzlich auftreten und zu deren Lösung Psychologen und Soziologen beitragen können.

Die vorangehenden Beispiele illustrieren, daß es nicht ausreicht, sich bei der Beurteilung der Arbeit und ihrer Bedingungen und erst recht bei Gestaltungsempfehlungen, die den arbeitenden Menschen zugute kommen sollen, allein auf ergonomische und arbeitsmedizinische Daten zu stützen. Auch die Betroffenen befinden mittels subjektiver Maßstäbe über die Güte der Arbeitsbedingungen. Mit diesen subjektiven Dimensionen und dem Phänomen möglichen Auseinanderklaffens von „objektiv“ Gebotenem und „subjektiv“ Akzeptablem muß sich die Arbeitswissenschaft ebenfalls befassen.

Die Arbeitsbedingungen so zu gestalten, daß sie sowohl objektiv als auch seitens der Betroffenen als beeinträchtigungsfrei gelten können, ist eine besondere Herausforderung.

 

3.1.6 Zumutbarkeit der Arbeit

Auch eine Beurteilung der Zumutbarkeit (Rohmert) von Arbeitstätigkeiten ist ohne Bezug auf subjektive Kriterien von Betroffenen, die Arbeitseinstellung bestimmter sozialer Gruppen, oder die innerhalb einer Gesellschaft herrschenden Vorstellungen zur Arbeit kaum möglich. Verschiedene Autoren teilen die Auffassung, daß eine Arbeit erst dann als zumutbar anzusehen sei, wenn sie von den Beschäftigten subjektiv auch so empfunden werden (vgl. auch Birkwald 1978, S.14f) oder wenn sie von einem Kollektiv übereinstimmend als zumutbar hingenommen werden (vgl. Hardenacke et al. 1985 , S.54).

Beispiele für Arbeiten, die unter dem Gesichtspunkt der Zumutbarkeit bzw. Unzumutbarkeit beurteilt werden, und bei denen die soziale Akzeptanz eine Rolle spielt, sind Dauer und Lage der Arbeitszeit oder besonders schwere oder schmutzige Arbeit. Auch die Fließbandarbeit wird in der Literatur genannt (vgl. Hardenacke a. a. O., 1985; Neuberger a. a. O.,1987; Birkwald a. a. O.,1978).

Welche Merkmale der Arbeit von Beschäftigten akzeptiert und welche als „Zumutung“ abgelehnt werden, hängt zum einen von den individuellen Anspruchsniveaus ab. Auch Standards und Wertvorstellungen sozialer Bezugsgruppen beeinflussen die Bewertung einzelner. In die Bildung normativer Vorstellungen über die Zumutbarkeit von Tätigkeiten geht aber auch Wissen über die positiven oder negativen Auswirkungen der Arbeit ein, wie beispielsweise im Fall von Schicht- und Nachtarbeit das Wissen um die schädigende Wirkungen oder die sozialen Folgen.

Schicht- und Nachtarbeit wird mit guten Gründen von Vielen als anstrengend und unangenehm empfunden, weil aufgrund der Schwankungen der physiologischen Leistungsbereitschaft der Menschen (Abb. 2) gegen Abend und nachts erheblich mehr Leistungsreserven mobilisiert werden müssen, um eine „Normalleistung“ erbringen zu können (vgl. Oppolzer 1989, S.80).

Die Ablehnung oder Skepsis gegenüber der Schicht- und Nachtarbeit entsprechen in der Tendenz den Beurteilungen von Wissenschaftlern.

 

3.1.7 Persönlichkeitsförderlichkeit und psychosoziales Wohlbefinden

Die oberste Ebene und das höchste Ziel für eine humane Arbeitsgestaltung ist die Persönlichkeitsförderlichkeit der Arbeit (Hacker) bzw. das Wohlbefinden und die Zufriedenheit der arbeitenden Menschen (Rohmert).

Hacker geht davon aus, daß es der Bedürfnisstruktur der Menschen entspricht, in der aktiven und selb-ständigen Auseinandersetzung mit (Arbeits-)Aufgaben die eigenen Kompetenzen zu erproben und zu entwickeln. Hier ist nicht allein die fachliche Leistungsfähigkeit angesprochen. Arbeit wird in einem sozialen Kontext geleistet, und sie hat emotionale und identitätsstiftende Aspekte. Arbeitsgestaltungsmaßnahmen, die dies konsequent berücksichtigen, fördern eine Persönlichkeitsentwicklung im Arbeitsprozeß. Menschen, die in einem Arbeitsprozeß stehen, der persönlichkeitsförderlich ist, also ihnen Gelegenheiten zur Entfaltung bietet, empfinden Zufriedenheit, weil elementare Bedürfnisse befriedigt werden können. Psychisches und psychosoziales Wohlbefinden sind Folgen persönlichkeitsförderlicher Arbeit. Hacker steht mit seinen theoretisch abgeleiteten Forderungen nicht allein. Sie werden bis in die Details hinein auch von Wissenschaftlern anderer Fachrichtungen aufgestellt. Dies zeigt der Zielkatalog des Tavistock-Instituts in London.

Zielkriterien humaner Arbeitsgestaltung

  • „Der Arbeitsinhalt soll den einzelnen fordern und zwar unter anderen Gesichtspunkten als der reinen Anstrengung; er soll auch ein Minimum an Abwechslung bringen;
  • der Einzelne soll an seinem Arbeitsplatz dazulernen und sich auch weiterbilden können; auch hier geht es darum, daß man weder über- noch untertreibt;
  • es muß irgendeinen kleinen Bereich geben, in dem der Einzelne alleine Entscheidungen trifft;
  • es muß ein Minimum an sozialem Rückhalt sowie ein Mindestmaß an Anerkennung für den einzelnen Arbeitsplatz geben;
  • der Einzelne muß in der Lage sein, einen Bezug herzustellen zwischen dem, was er während seiner Arbeit tut und was er produziert und seinem Leben in der Gesellschaft; der Einzelne muß das Gefühl haben, daß seine Arbeit zu einer wünschenswerten Zukunft führt“.

(vgl.: Klein, L. 1976, S.36 )

Forschungsarbeiten, die sich ausschließlich mit den Bedingungen und Konsequenzen der Arbeitszufriedenheit befassen, kommen zu ähnlichen Ergebnissen (vgl.: Elias, H.J., Gottschalk, B., Staehle, W.H. 1982/1). Beispiele für Arbeiten und Arbeitsverhältnisse, auf die Beschäftigte häufig mit Unzufriedenheit reagieren, sind sehr monotone Tätigkeiten, Arbeiten unter Vorgesetzten, die sozialen Druck ausüben, die Entscheidungs- und Handlungsfreiheiten übermäßig einengen oder sich ungerecht verhalten, Reibereien und Streit mit Kollegen u.a.. Arbeitsbedingungen so zu verändern, daß sie ein hohes Maß an Arbeitszufriedenheit ermöglichen, ist eine Zielsetzung, die nicht allein den Beschäftigten Nutzen stiftet. Sie kommt mittelbar auch dem Betrieb zugute.

Ein dauerhafter Mangel an Zufriedenheit hat negative Auswirkungen auf die physische und psychische Gesundheit. Viele Untersuchungen haben ergeben, daß Zusammenhänge zwischen der Arbeitszufriedenheit und Handlungsweisen wie Fehlzeiten, Zu- spätkommen, Fluktuation, Mitarbeiterbeschwerden bestehen. Die Bereitschaft zu lernen und arbeitsorganisatorische Veränderungen mitzutragen, ist erfahrungsgemäß bei zufriedenen Mitarbeitern höher als bei unzufriedenen. Arbeitszufriedenheit wird auf längere Sicht als eine individuelle Voraussetzung für hohe Arbeitsbereitschaft und eine gute Arbeitsleistung angesehen.

Aber Zufriedenheit ist wie das Empfinden von Komfort das Ergebnis der Verarbeitung von Erlebnissen. Eindrücke aus der Umwelt werden aufgenommen oder geleugnet. Arbeitszufriedenheit und eine Arbeit, die den Menschen beeinträchtigt oder schädigt, schließen sich nicht aus. Und in guter Absicht eingeleitete Veränderungen von Arbeitsbedingungen erregen u. U. Ärger und Mißfallen und stoßen auf Widerstände, wenn sie im Ergebnis die Bedürfnisse und Erwartungen der Betroffenen verfehlen.

Es ist daher notwendig, die subjektiven Vorstellungen und das Bewertungssystem der Betroffenen kennenzulernen und bei geplanten Maßnahmen angemessen zu berücksichtigen. Sowohl die Persönlichkeitsförderlichkeit als auch die Ausführbarkeit, die Schädigungslosigkeit, die Beeinträchtigungsfreiheit und die Zumutbarkeit haben - als Merkmale der Arbeit betrachtet - wesentlichen Einfluß auf die menschlichen Leistungsmöglichkeiten. Erst bei Erfüllung aller genannten Kriterien kann die menschliche Arbeit ihre volle Wirksamkeit entfalten. Dies zu erreichen ist letztendlich ebenfalls ein Ziel der Arbeitsgestaltung.

 

3.2 Bestandsaufnahme - Beurteilung und Bewertung des Arbeitens mit konventionellen Laschsystemen

Die Erarbeitung konkreter Ansatzpunkte zur Verbesserung der Arbeitsbedingungen und von Hinweisen, in welcher Weise ein neues Laschsystem dazu beitragen könnte, setzt eine genaue Kenntnis der Arbeitssituationen beim Laschen von Containern voraus.

Eine Sammlung von Daten und ihre Auswertung geschehen jedoch nicht unter dem Gesichtspunkt der Vollständigkeit oder der Ausgewogenheit, sondern sind von vornherein selektiv. Die Bestandsaufnahme dient der Beschreibung und Analyse von Problembereichen mit Ziel, schwerwiegende Gestaltungsmängel und -probleme ausfindig und kenntlich zu machen. Solche Problembereiche sind potentielle Ansatzpunkte für Veränderungen. Sie sind die konkreten Bezugspunkte für die Ausarbeitung von Gestaltungsempfehlungen und die Formulierung von spezifischeren Anforderungen an eine humanere Gestaltung der Arbeitsbedingungen.

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Abb. 3: Gestaltungsziele/ -kriterien der Arbeit und Konsequenzen für die Menschen bei Erfüllung oder Nichterfüllung der Humankriterien

Die Beurteilung und Bewertung des Ist-Zustandes wie auch die Definition eines Sollzustandes zukünftiger Arbeitsbedingungen erfordert die Anwendung anerkannter, nachvollziehbarer Kriterien. Diese benutzten Maßstäbe werden im folgenden Abschnitt erläutert

 

3.2.1 Rolle der Beurteilungsebenen für Beschreibung und Analyse der Arbeitsbedingungen

Aus dem System von Beurteilungsebenen und dem erläuterten Begründungszusammenhang läßt sich herleiten, auf welche Probleme sich eine Analyse des Ist-Zustandes der Arbeitsbedingungen beim Container-Laschen konzentrieren sollte.

Für die Zielsetzung, Problembereiche zu erkennen, ist naturgemäß das Auffinden der problematischen Ausprägungen, d. h., die Diagnose von negativen Belastungswirkungen unterschiedlicher Art und Intensität, von besonderem Interesse: Störungen und Behinderungen des Arbeitsvollzugs einerseits und Beeinträchtigungen des physischen, psychischen und sozialen Wohlbefindens der Lascher andererseits.

Zum einen ist zu fragen, inwieweit einschlägige Normen, die eine Ausführbarkeit der beim Container-Laschen erforderlichen Tätigkeiten gewährleisten würden, eingehalten oder aber verfehlt werden und sich daraus Störungen und Behinderungen der Arbeitsdurchführung ergeben. Des weiteren ist zu klaren, ob und inwieweit das Laschen von Containern die Gesundheit der Lascher gefährdet, sei es durch Unfälle oder durch Erkrankungsrisiken.

Es muß festgestellt werden, in welchem Maße Lascher durch ihre Arbeit beansprucht werden - ob sie ihre Arbeit ohne jegliche Beeinträchtigungen verrichten können, oder ob sie sich dabei völlig verausgaben müssen; dabei wird zu berücksichtigen sein, in welcher Hinsicht den Laschern selbst das Container-Laschen und die näheren Umstände, unter denen dies geschieht, zumutbar oder unzumutbar erscheinen.

Schließlich muß ermittelt werden, welche subjektive Bedeutung Lascher den konkreten Arbeitsinhalten, ihren Qualifikations- und Aufstiegsmöglichkeiten und dem Netz sozialer Beziehungen, in dem sie handeln, beimessen und inwieweit ihre Arbeitsverhältnisse sie zufriedenstellen oder nicht. Im nächsten Schritt muß analysiert werden, auf welche Arbeitsbedingungen sich beobachtete negative Auswirkungen zurückführen lassen, bzw. welche Gestaltungsmängel dafür verantwortlich sind. Dabei werden die negativen Belastungswirkungen als Indikatoren für Gestaltungsmängel behandelt. Erst die Einsicht in die Zusammenhänge zwischen der Angemessenheit der Arbeitsgestaltung und den Auswirkungen auf die Arbeitsausführung und die Arbeitspersonen bietet eine geeignete Grundlage für gestalterische Veränderungen.

Die vorangegangenen Erläuterungen der allgemeinen Gestaltungsziele bzw. Kriterien der Beurteilung der bestehenden Arbeitsverhältnisse und die dort aufgeführten Beispiele lassen allerdings bereits erkennen, daß eine Vielfalt von Faktoren zu Schwierigkeiten der Arbeitsausführung beitragen kann und daß die Belastungen und Beeinträchtigungen der Menschen von verschiedenen Bedingungen ausgehen können, unter denen sie ihre Arbeit leisten.

 

3.2.2 Systematik der Bestandsaufnahme - Analyse von Arbeitssituationen

Um der Komplexität des Untersuchungsfeldes gerecht zu werden und um der Suche nach kritischen Belastungsfaktoren eine einheitliche und theoretisch gehaltvolle Systematik zugrunde zu legen, wird ein Arbeitssystem-Modell verwendet. Die theoretische Vorstellung eines Arbeitssystems hat viele Väter. Bekannten standardisierten Erhebungsverfahren zur Arbeitsanalyse liegen ebenfalls entsprechende Modelle zugrunde (vgl.: Maier 1988 S.32ff). Ein besonders praxisnaher systemtheoretischer Ansatz ist die sog. „Duale Arbeitssituationsanalyse“. Das dort erörterte theoretische Modell bildet den Bezugsrahmen für die arbeitswissenschaftliche Begleitung. Mit seiner Hilfe läßt sich der Suchbereich für Gestaltungsmängel genauer festlegen. Die grundlegenden systemtheoretischen Vorstellungen werden zunächst kurz erläutert. Ein „Arbeitssystem“ läßt sich durch seine Elemente und deren Beziehungen untereinander kennzeichnen; in enger Anlehnung an die Autoren werden folgende Elemente und Beziehungen genannt .


Abb. 4: Das „Arbeitssystem" und seine Elemente

Die Abbildung deutet die für Einflüsse durchlässigen Systemgrenzen an. Die Pfeile symbolisieren unterschiedliche Beziehungen der Elemente untereinander und der „von außen“ einwirkenden Faktoren. Ein Arbeitssystem und die Wirkungsbeziehungen lassen sich zum einen „von außen“ und „objektiv“ beschreiben. Die Arbeitspersonen innerhalb eines Arbeitssystem haben eine „subjektive“ Auffassung von den Elementen und Beziehungen. Die Wahrnehmung und Interpretation ihrer Arbeitssituation beeinflußt das Arbeitshandeln und damit das Arbeitsergebnis (den „Output“) ebenso wie „äußere“ Faktoren. Auf diesen Sachverhalt ist schon einmal in einem anderen Zusammenhang hingewiesen worden. Das Substrat dessen, was „objektiv“ beschrieben und „subjektiv“ aufgefaßt werden kann, nennen die Autoren Arbeitssituation. Sie wird zusätzlich als „Duale Arbeitssituation“ bezeichnet, um die Zwei- und Wechselseitigkeit von „objektiven“ und „subjektiven“ Faktoren hervorzuheben.

Außerdem wird zwischen der „Mikrostruktur einer Arbeitssituation“ und der „Makrostruktur einer Arbeitssituation“ unterschieden. Elemente der Makrostruktur entsprechen der relevanten Umwelt der Betriebe, die man ihrerseits wieder als Systeme betrachten kann: die Interessenverbände, „der Staat“, das Bildungssystem, „die Forschung“, das gesellschaftliche System von Arbeit und Wirtschaft, „die Technik“. Diese allgemeinen Faktoren beeinflussen Arbeitssituationen nur mittelbar.
Ein unmittelbarer Einfluß geht von den Faktoren aus, die Elemente der Mikrostruktur sind. Die Unternehmensziele sowie technische und arbeitsorganisatorische Bedingungen ihrer Realisierung in dem Betrieb determinieren Formen und Inhalte der Arbeitsaufgaben, deren Erfüllung von den Arbeitspersonen erwartet wird. Entweder direkt, durch einen Vorgesetzten, oder indirekt hat eine Arbeitsaufgabe den Charakter eines Auftrags, der Vorgaben darüber enthält, welche Arbeitsobjekte zu bearbeiten sind, welcher Arbeitsmittel sich dabei bedient werden soll und kann, welcher Arbeitsplatz dafür vorgesehen ist, ob die Aufgabe allein oder in Kooperation mit anderen erfüllt werden sollte. Zumeist ist auch festgelegt, in welcher Zeit die Erledigung einer Aufgabe erwartet wird.

Aus der Arbeitsaufgabe einerseits, aber auch aus der Arbeitsumgebung, aus der sozialen Umwelt und den organisatorischen Rahmenbedingungen, die z. T. auch überbetrieblich bestimmt sind (wie z.B. die Arbeitszeit und die Entlohnung), ergibt sich eine bestimmte Anforderungsstruktur, mit der Arbeitspersonen konfrontiert werden. Schließlich stellt auch das Gefüge von Arbeitsbeziehungen spezifische Anforderungen.
Die verschiedenartigen Anforderungen - die physischen, die psychischen und sozialen einerseits und die sachlich-materiellen andererseits - wirken als Belastungen, die Arbeitspersonen in Abhängigkeit von ihrem Leistungspotential (ihrer Belastbarkeit) unterschiedlich beanspruchen.

Die Verausgabung einer Arbeitsperson bei der Aufgabenerledigung führt zu einem Arbeitsergebnis - dem individuellen Leistungsbeitrag - und sie kann je nach Art, Höhe und Dauer der Beanspruchungen als angenehm und befriedigend erlebt werden oder die weiter oben genauer beschriebenen negativen Auswirkungen haben. Diese Anforderungsstruktur, ihre Auswirkungen auf die Arbeitsausführung bzw. den Arbeitsablauf und ihre Folgen für die Arbeitspersonen sind Gegenstand der Erhebung von Daten für die Ist-Analyse.
Die Suche nach Problemenbereichen läßt sich schematisch folgendermaßen darstellen:

Alle Elemente innerhalb der sog. Mikrostruktur der Arbeitssituation beim Laschen von Containern sind Merkmalsträger, die als Faktoren für Beeinträchtigungen, Gefährdungen, Mängel und Störungen in Frage kommen. Diese Faktoren sind zugleich potentielle Angriffspunkte für die korrektive oder konstruktive Arbeitsgestaltung. Aus diesem Grund werden die Einzelelemente der Arbeitssituation bei der Sammlung und Auswertung von Daten systematisch berücksichtigt.

 

3.2.3 Methoden für die Erhebung und Auswertung

Für die Erhebung von Daten und für die Beschreibung und Analyse der Arbeitssituationen beim Container-Laschen sind unterschiedliche Methoden eingesetzt worden:

  1. eine Form des sog. Beobachtungs-lnterviews
  2. das Gruppeninterview
  3. die Dokumentenanalyse

Mit Hilfe dieser Methoden werden unterschiedliche Daten- bzw. Informationsquellen erschlossen:

  • Arbeitssituationen auf Containerschiffen,
  • Beschäftigte der Hafenbetriebe sowie
  • Aufzeichnungen und Dokumente verschiedener Art.

 

3.2.3.1 Beobachtung und Interview in Arbeitssituationen (BIAS)

Für die direkte Beobachtung des Ladens und Löschens von Containern und von Laschern bei ihren Arbeiten auf Containerschiffen wurde ein standardisiertes Instrument zur „Beobachtung und Interview in Arbeitssituationen” (BIAS) (siehe Erhebungsinstrument) eingesetzt. Das Instrument wurde ursprünglich im Rahmen eines industriellen Organisationsentwicklungsvorhabens erarbeitet und angewandt (vgl. Mittler/Knuth/Hertel/Schank 1982 und Mittler 1984). Für die arbeitswissenschaftliche Bearbeitung im Untersuchungsfeld Containerschiff wurde es den Gegebenheit angepaßt und umgearbeitet.

Mit dem Beobachtungsbogen wird zunächst der zeitliche und räumliche Rahmen der Arbeitssituation bzw. der Beobachtung festgehalten; u.a. Datum der Beobachtung, Name/Heimathafen/Nationalität des Schiffes, Zeitpunkt und Zeitraum der Beobachtung, Wetterverhältnisse, Abfertigungssituation (Laden/Löschen).

Im ersten Teil des BIAS-Bogens ist die Dokumentation der Beobachtung von potentiell belastenden Arbeitsumgebungs- und Arbeitsplatzfaktoren sowie Eigenschaften der Arbeitsmittel vorgesehen.

Dies geschieht in Form einer Beurteilung und Bewertung, deren Kriterien die im Abschnitt 3.2.1 genannten grundlegenden Urteilsebenen liefern. Die Einzelurteile werden nach einem vorgegebenen Schlüssel zu einer Gesamtbewertung der Angemessenheit der Gestaltung in dem jeweiligen Bereich zusammengefaßt. Ferner sind in dem Bogen zu den potentiellen Belastungsfaktoren jeweils spezifische ergonomische Maßstäbe aufgeführt, die eine genauere Kennzeichnung und Beurteilung der Belastungen erlauben und zur Begründung der globalen Bewertung der Angemessenheit geeignet sind. Im zweiten Teil des Bogens werden mögliche Arten physischer und psychischer Belastungen, deren Höhe und Dauer festgehalten. Der dritte Teil enthält Formblätter zur Erfassung der beobachteten Arbeitsstruktur, des Arbeitsablaufs und der sozialen Struktur bei der Arbeit.

Eine Reihe von Faktoren sind situationsspezifisch oder kommen nur bei bestimmten Arbeitsvorgängen zur Wirkung, andere sind dagegen relativ konstante Einflußgrößen.

Die Konzeption des Beobachtungs-lnterviews erlaubt es, jedes gesuchte Datum doppelt zu erheben: zum einen durch Beobachtung seitens der Wissenschaftler oder geschulter Beobachter, zum zweiten durch die Befragung eines Mitarbeiters an dem beobachteten Arbeitsplatz. Dieses Verfahren soll die Qualität der Exploration erhöhen, und es stellt einen Weg dar, die individuellen Einschätzungen und Erfahrungen der von dem Gestaltungsvorhaben Betroffenen systematisch zu berücksichtigen. In Zweifelsfällen sollen sich Beobachter und Mitarbeiter im Dialog ein gemeinsames Urteil bilden, und dieses muß auf dem Erhebungsbogen festgehalten werden.

Diese Form der Informations- und Datensammlung setzt allerdings die Möglichkeit zu andauerndem Kontakt und intensiver Kommunikation mit den Laschern in den Arbeitssituationen auf den Containerschiffen voraus. Dies war jedoch selten gegeben. Fragen an die Lascher sind wegen der ständig gegenwärtigen Gefahren, wegen der Hektik und der notwendigen ungeteilten Aufmerksamkeit für ihre Arbeit nur gelegentlich möglich.

Selbst für die Beobachter erwies sich das minuziöse Vorgehen nach dem BIAS-Bogen und das Ausfüllen direkt am Ort als kaum praktikabel. Der BIAS-Bogen diente daher im Feld lediglich als Beobachtungsleitfaden und als Checkliste. Die Beobachtungen wurden auf ein mitgeführtes Tonband gesprochen. Auch die Gespräche mit Laschern und anderen Arbeitspersonen wurden auf diese Weise aufgezeichnet. Im Anschluß an die Aufnahme wurde in ausführlichen Protokollen die systematische Beurteilung und Bewertung der beobachteten Arbeitsbedingungen unter Verwendung des Tonmaterials durchgeführt. BIAS ist zur Erhebung von Daten für die Analyse des Ist-Zustandes u. a. auch eingesetzt worden, um Aufschluß darüber zu gewinnen, inwieweit die Angemessenheit der Gestaltung, die Arbeitsstruktur, Belastungen, Gefährdungen und Ausführungsprobleme von Schiff zu Schiff und von Laschsystem zu Laschsystem variieren. Es ist auch für die Evaluierung des innovativen Laschsystems eingesetzt worden.

Insgesamt wurden in 15 Zeiträumen Beobachtungen angestellt, in der Regel für die Dauer einer halben bis zu einer ganzen Schicht (d.h. vier bis acht Stunden lang): auf zwei Terminals, auch nachts und an Wochenenden, an sonnigen, warmen Tagen und bei Regen und Frost - um wenigstens exploratorisch wesentliche Variationen durch Witterung und Arbeitsorganisation abzudecken.

 

3.2.3.2 Gruppen-lnterview

Als zweite Methode, Informationen bzw. Daten zu sammeln, diente das Gruppeninterview. An drei aufeinanderfolgenden Tagen wurden mit insgesamt acht Laschern der Stauerei Carl Tiedemann intensive Gespräche von jeweils sechs bis sieben Stunden Dauer geführt. Die Lascher haben mit der Einladung zu den Gesprächen einen Leitfaden mit stichwortartig dargelegten Themen erhalten, die folgende Problembereiche abdeckten:

  • Fragen zum Selbstverständnis der Lascher
  • Handhabungs- und Handlingprobleme
  • Sicherheitsprobleme
  • Probleme des Arbeitsablaufs und der Zusammenarbeit

Die Interviews zielen auf die Analyse der Wahrnehmung und Bewertung der Arbeitsbedingungen durch die Lascher. Sie ergänzen und vertiefen damit die Beobachtungs-lnterviews und ermöglichen eine Vergleichskontrolle der Beobachtungsdaten.

Gesprächsablauf, Themenwahl und Abfolge von Gespräch und Diskussionen untereinander wurden jedoch den Laschern weitgehend selbst überlassen. Eine Lenkung des Gesprächs von Seiten der Untersucher fand lediglich durch Nach- oder Rückfragen statt.

Die Gespräche konnten mit Erlaubnis der Lascher auf Tonband mitgeschnitten werden. Die Tonbänder wurden abgeschrieben. Die Abschriften sind die Grundlage für eine DV-gestützte inhaltsanalytische, teils qualitative, teils quantitative Erhebung und Auswertung von Daten.

Ein methodischer Vorteil der inhaltsanalytischen Behandlung der Gruppeninterviews liegt in der Möglichkeit der „nonreaktiven“ Erfassung und Verwertung von Daten über Beeinträchtigungen des psychischen oder sozialen Wohlbefindens und deren Quellen. Wie der Leitfaden zeigt, ist dieses Thema nicht ausdrücklich angeregt worden; die Gespräche liefern jedoch ausreichend Material, um die subjektive Betroffenheit und Befindlichkeit der Lascher bei ihrer Arbeit in ihrem Betrieb zu beschreiben und zu analysieren. Im Rahmen dieser Untersuchung werden der nonverbale und verbale Ausdruck von Ärger, Mißfallen, Verbitterung, Resignation sowie explizite Bekundungen von Unzufriedenheit als Abwesenheit von Zufriedenheit interpretiert und Äußerungen von Freude oder Annehmlichkeit sowie explizite Aussagen über die Zufriedenheit als deren Vorhandensein.

Weil es auch im Problembereich „Zufriedenheit“ darum geht, Problembereiche in der Arbeitssituation beim Container-Laschen zu erkennen, wären empirische Feststellungen über das Ausmaß der Zufriedenheit oder Unzufriedenheit von Laschern allein unzureichend. Es geht vielmehr darum, die Elemente der Arbeitsbedingungen genauer zu kennzeichnen, auf die sich Beeinträchtigungen des psychischen und sozialen Wohlbefindens der Lascher zurückführen lassen.

Im allgemeinen läßt sich gut unterscheiden, ob mit einer Äußerung von Zufriedenheit oder Unzufriedenheit lediglich aktuelle Stimmungen bzw. rein individuelle Emotionen zum Ausdruck gebracht werden oder ob es sich um tiefergehende, von anderen geteilte subjektive Einstellungen, d. h. um eine Gruppenmeinung handelt. Lediglich letzteres ist für die Bestandsaufnahme maßgeblich.

 

3.2.3.3 Dokumentenanalyse

Die untersuchten Betriebe haben verschiedenartige Dokumente zur Verfügung gestellt, die Aufschluß über die Rahmenbedingungen und die Arbeitsorganisation des Laschens von Containern geben können.

Weiterhin standen Arbeitsunfallmeldungen zur Verfügung, die, statistisch und inhaltsanalytisch ausgewertet, auf indirektem Wege Einblicke in das Ausmaß faktischer Unfallgefährdungen bei Lascharbeiten auf Containerschiffen gewähren.

Näheres über die Methode der Analyse dieser Dokumente und die Qualität der gewonnenen Daten wird im Zusammenhang mit der Ergebnisdarstellung aufgezeigt.

 

3.3  Empirische Evaluation des neu entwickelten VACU-Laschsystem

Die empirische Evaluation erfolgte durch Beobachtungen des Löschvorgangs des HAPAG-Lloyd Containerschiffs „Ludwigshafen Express” (20) bei der HHLA Hamburger Hafen - und Lagerhaus AG, Containerterminal Burchardkai in Hamburg und dem VACU – Laschequipment – Referenzschiff M/V „Ankara“ auf dem ECT – Home-Terminal in Rotterdam.
Film: „Arbeiten mit den neuen Verriegelungselementen"

Bestimmte Arbeitsvorgänge werden durch das neue Laschsystem an Land verlagert. Um die neuen Arbeitsbedingungen beim Laschen an Land zu erfassen, wurde am 08.01.1993 der Löschvorgang der mit halbautomatischen Twistlocks älterer Bauart ausgestatteten „Ludwigshafen-Express“ beobachtet.

Für die Evaluation des neuen Laschsystems konnte nur über einen begrenzteren Beurteilungsrahmen verfügt werden. Vor allem fehlen die Erfahrungen einer „echten“ Arbeitssituation über einen längeren Zeitraum und unter unterschiedlichen Rahmenbedingungen. Diese Einschränkung galt es, durch eine intensive Auswertung der tatsächlich beobachteten Arbeitsabläufe aufzufangen. Für Überlegungen zu den sich ergebenden Veränderungen der Arbeitsbedingungen durch eine teilweise Verlagerung des Arbeitsplatzes der Lascher vom Schiff auf die Kaiseite konnte auf die Beobachtung und die Videoaufnahmen des Löschvorgangs bei der „Ludwigshafen-Express“ zurückgegriffen werden. Diese Beobachtung fand zur Nachtschicht statt. Das Schiff hatte auf Deck Container geladen, die mit halbautomatischen Twistlocks gesichert waren.

Die besonderen Umstände - in Rotterdam eine simulierte Arbeitssituation und in Hamburg schicht- und schiffstypische Beschränkungen - machten es erforderlich, eine tendenziell „idealtypische“ Perspektive einzunehmen. Darum stehen nicht Einzelbeobachtungen, sondern typische Arbeitsschritte und -abläufe im Mittelpunkt. So konnten unter Bezugnahme auf die erarbeiteten arbeitswissenschaftlichen Ergebnisse der Lascharbeit mit konventionellen Laschsystemen und auf der Grundlage der Beobachtungen, der Video-Aufnahmen sowie der Informationen der beteiligten Lascher verallgemeinerungsfähige Aussagen zu den Arbeitsbedingungen und Organisationsformen getroffen werden, die mit dem VACU-Laschsystem entstehen.
Zu den angewandten Methoden im einzelnen:

 

3.3.1 Beobachtung

Es waren jeweils drei Beobachter anwesend, von denen einer Videoaufnahmen erstellte. Sie verteilten sich auf unterschiedliche Beobachtungsplätze und sprachen ihre Beobachtungen auf Band. Für Zusatzinformationen wandten sie sich an verschiedene Funktionsträger im Arbeitsprozeß (Lascher, Einweiser, Lademeister u.a.).

Noch ohne Berücksichtigung der Videoaufzeichnung verfaßten die Beobachter Protokolle, die ein möglichst vollständiges Bild der Arbeitsvorgänge enthalten sollten. Sie dienten auch dazu, für die weitere Auswertung der Videoaufnahmen und der Lascher-Gespräche Arbeitsschritte und -abläufe zu bestimmen, die im Vergleich zu bestehenden Laschsystemen Veränderungen aufweisen. Die Protokolle wurden ebenso mit Projektbeteiligten, die an der Beobachtung nicht teilgenommen hatten, ausführlich diskutiert. Auf diesem Weg wurden schrittweise die maßgeblichen Faktoren für die Beurteilung des neuen Laschsystems erarbeitet.

 

3.3.2 Videoaufnahmen

Sowohl während der Vorstellung des VACU-Laschsystems in Rotterdam als auch während des Löschvorgangs der „Ludwigshafen Express“ wurden Video-Aufnahmen erstellt, die für eine intensive Auswertung der Beobachtungen verwendet wurden. Der Einsatz von Videoaufnahmen erfüllt für die Analyse von Arbeitssituationen drei für die Evaluation relevante Funktionen:

(I) Dokumentation des Arbeitsprozesses

(II) Strukturierung und Einteilung der Arbeitsabläufe in Sequenzen auf

  1. Ausführungsebene (z.B. Handgriffe)
  2. Ablaufebene (z.B. Unterscheidung von Lösch- und Ladevorgang)

(III) Überprüfen von Hypothesen über potentielle Probleme in den Bereichen

  1. Handhabung und Arbeitsausführung
  2. Bewegungsablauf
  3. Arbeitshöhen/ Erreichbarkeit
  4. gefährdende Tätigkeiten (hier z.B. Arbeit unter schwebenden Lasten)

Hinsichtlich der o.g. vier Kriterien humaner Arbeitsgestaltung (Ausführbarkeit, Schädigungslosigkeit, Beeinträchtigungsfreiheit, Persönlichkeitsförderlichkeit) kann eine Auswertung von Videoaufnahmen vor allem Aufschlüsse über die Ausführbarkeit und - mit Einschränkungen, weil das Videomaterial gesundheitsschädigende Wirkungen nicht aufzeichnen kann - über die Schädigungslosigkeit der Arbeit erbringen. Das Bildmaterial enthält zu den zentralen Ansatzpunkten für eine Suche nach Problembereichen im Arbeitssystem Informationen über

  • Arbeitsmittel
  • Tätigkeiten
  • Arbeitsobjekt
  • Ablauf- und Zeitstruktur
  • Arbeitsplatz
  • Arbeitsumgebung.

Zu berücksichtigen ist jedoch, daß dies zunächst nur für die aufgezeichnete Arbeitssituation gilt und von ihr abweichende, andere Situationen denkbar wären. Dies betrifft in diesem Fall vor allem die Punkte Arbeitsplatz und -umgebung sowie die Ablauf- und Zeitstruktur, wobei hier insbesondere die Zeitstruktur variieren kann, die vom Lade- bzw. Löschaufkommen sowie von der Containerbrücken- und Terminalkapazität abhängig ist. Für die Punkte Arbeitsmittel, Tätigkeiten und Arbeitsobjekt enthält das vorliegende Videomaterial verläßliche und auch für andere Arbeitssituationen gültige Informationen, da die Laschtechnik und das „Laschobjekt“ Container selbst stets die gleichen Handhabungs- und Arbeitsschritte erfordern.

Für die Bewertung der Ausführbarkeit und der Schädigungslosigkeit der Arbeit kann das Videomaterial umfangreiche Auskunft geben. Gerade in Bezug auf die Handhabbarkeit stellt die Möglichkeit, Arbeitssequenzen wiederholt und in unterschiedlichen Laufgeschwindigkeiten anzusehen, gegenüber der unmittelbaren Beobachtung einen besonderen Vorteil dar. Dies gilt jedoch nur eingeschränkt für die beiden anderen humanen Gestaltungsziele der Beeinträchtigungsfreiheit und der Persönlichkeitsförderlichkeit. Hier lassen sich anhand der Aufzeichnungen nur Vermutungen darüber anstellen, wie etwa langfristige Belastungen (z.B. Umgebungslärm oder die Zunahme sich ständig wiederholender Tätigkeiten) wirken oder inwieweit die Arbeitsaufgabe das Selbstwertgefühl der Lascher stärkt oder schwächt. Für diese Kriterien scheinen die Methoden der Beobachtung und vor allem des Gesprächs mit den betroffenen Arbeitspersonen angemessener zu sein.

Die Methode, Videoaufzeichnungen von Arbeitssituationen zu erfassen und auszuwerten, eröffnet die Möglichkeit, nachträglich - d.h. nicht ausschließlich unter den Bedingungen der betrieblichen Praxis - die Arbeitsabläufe beliebig oft zu betrachten und Sensibilität für die Aspekte des Arbeitshandelns zu entwickeln, die - auf den ersten Blick - leicht übersehen oder als nicht wichtig empfunden werden. Ferner können die Video-Aufzeichnungen bei Interviews mit den Arbeitskräften oder bei Gruppendiskussionen als „Anreiz“ für eine persönliche Schilderung des Arbeitshandelns und für entsprechende Kommentare etc. eingesetzt werden (vgl. auch Lange, J. et.al. 1989/1997, S. 10-12).

 

3.3.3 Gespräche mit Laschern

Es fanden zwei mehrstündige Gespräche mit zunächst vier und dann zwei Laschern statt, die an der Entwicklung des Laschsystems beim Laschequip-menthersteller Conver OSR in Bremen, der Präsentation bei der BLG in Bremerhaven und dem Praxistest auf dem ECT - Hometerminal in Rotterdam teilgenommen hatten. In diesen Gesprächen standen die Handhabbarkeit des VACU-Laschsystems mit seinen möglichen Folgen für die Arbeitsorganisation und die allgemeine Selbsteinschätzung der Lascher bezüglich ihrer Tätigkeit sowie eine Kritik von Laschsystem-unabhängigen Arbeitsbedingungen im Vordergrund.

Nachdem mit Hilfe der Beobachtung und der Auswertung der Videoaufnahmen ein vorläufiges Bild über die durch das neue Laschsystem veränderten Arbeitsbedingungen gewonnen wurde, sollten die Gespräche dazu dienen, die in diesem Bild enthaltenen Einschätzungen durch das Urteil der betroffenen Lascher selbst zu relativieren. Für das erste Gespräch wurden außerdem einige bezeichnende Videoaufnahmen herausgesucht, die den Laschern vorgeführt wurden, um die Interpretation der Beobachter mit denen der Lascher vergleichen zu können.

Die Gesprächsgestaltung blieb weitestgehend den Laschern überlassen, wobei versucht wurde, besonders kritisch erschienene Punkte ausführlicher zu behandeln. Über die Gespräche wurden sowohl Protokolle geschrieben als auch Audioaufnahmen erstellt, die selektiv ausgewertet wurden. Diese selektive Auswertung ist - noch einmal auf das Entscheidende verkürzt - in die Evaluation eingeflossen.

Beobachtung, Videoaufzeichnung und Gespräch bilden eine Kombination von Einzelmethoden, die sich gegenseitig ergänzen. Diese Kombination kann so die übergreifende Aufgabe einer Evaluation des neu entwickelten Laschsystems im Rahmen der gegebenen Möglichkeiten erfüllen. Aus einer tendenziell „idealtypischen“ Perspektive heraus deckt sie den möglichen Vergleichsbereich von bestehenden Laschsystemen und neuem Laschsystem erschöpfend ab.

Diese vier Quellen bilden das Hauptmaterial für die vorliegende Untersuchung. Die Angaben zu Größe, Gewicht, Material und Konstruktionsweise der Systemelemente beruhen auf schriftlichen Unterlagen und mündlichen Erläuterungen des Herstellers Conver OSR (jetzt Mc. Gregor Navire).

 

3.4 Wirtschaftlichkeitsuntersuchung

 

3.4.1 Einführung – Begründung der Methodenwahl

Konventionelle Wirtschaftlichkeitsuntersuchungen wägen Kosten und Leistungen bzw. Nutzen gegeneinander ab. Spielt jedoch auch die Leistungserstellung im Hinblick auf die erforderliche Art und Ausgestaltung der Arbeitsplätze für die Entscheidungsfindung eine Rolle, so ist die Erweiterung dieser Ansätze erforderlich. Als Ergänzung zu den konventionellen Nutzen-Kosten-Untersuchungen bieten sich die Verfahren der „Erweiterten Wirtschaftlichkeitsuntersuchungen“ an.
Die beiden Hauptzielrichtungen des Bewertungsverfahrens beziehen sich dabei auf die Handlungsfelder:


Abb. 6: Ziele für wirtschaftliche und menschengerechte Arbeitssysteme

Die beiden Hauptzielrichtungen des Bewertungsverfahrens beziehen sich dabei auf die Handlungsfelder:

  • Menschengerechte Anwendung neuer Technologien und
  • Abbau von Belastungen am Arbeitsplatz.

Es wird in dieser Arbeit ein Ansatz der erweiterten Wirtschaftlichkeitsrechnung dargestellt und auf die spezifische Situation des Arbeitsplatzes der Lascher übertragen werden. Im Vordergrund steht hierbei der Vergleich des derzeitigen Lascher - Arbeitsplatzes mit konventionellem Laschsystem und dem Lascher - Arbeitsplatz im VACU - Laschsystem.

Die Durchführung einer erweiterten Wirtschaftlichkeitsuntersuchung ist eng mit den Anforderungen und spezifischen Problemen der Laschsysteme verbunden. Neben dem erreichten technischen Stand bei den einzelnen Laschsystemen ist insbesondere das innerbetriebliche Umfeld zu berücksichtigen, da subjektive Betrachtungsweisen und jahrelange betriebliche Routinen den Umgang mit den Laschsystemen erheblich beeinflussen.
Die Übertragbarkeit der Ergebnisse einer erweiterten Wirtschaftlichkeitsuntersuchung auf andere betriebliche Organisationsformen ist aus diesem Grund nicht ohne Weiteres gegeben.

 

3.4.2 Erweiterte Wirtschaftlichkeitsuntersuchung des VACU - Laschsystems

Das VACU - Laschsystem wird sich in der Praxis nur dann durchsetzen, wenn die Personalbelange und die Forderungen der von der Einführung eines neuen Laschsystems betroffenen Betriebe (Stauereien, Umschlagsbetriebe, Reedereien) nach Verbesserung gegenüber konventionellen Laschsystemen berücksichtigt werden. Für die Bewertung muß das Verfahren einer erweiterten Wirtschaftlichkeitsrechnung angewendet werden.

 

3.4.2.1 Verfahren der erweiterten Wirtschaftlichkeitsrechnung

Der Unterschied zwischen der erweiterten Wirtschaftlichkeitsrechnung und der traditionellen Wirtschaftlichkeitsrechnung liegt darin, daß neben den Kosten und Leistungen auch technische, organisatorische und personelle Gesichtspunkte in die Bewertung einbezogen werden.
Diese Erweiterung ist erforderlich, wenn auch die Art und Weise der Leistungserstellung insbesondere im Hinblick auf die erforderliche Ausgestaltung der Arbeitsplätze für die Entscheidungsfindung eine Rolle spielt.

Die erweiterte Wirtschaftlichkeitsrechnung umfaßt verschiedene Verfahren zur Bewertung der Wirtschaftlichkeit von Produktions- und Arbeitssystemen. Zu diesen Verfahren gehören

  • die Humanvermögensrechnung,
  • der Wirtschaftlichkeitsvergleich und die Arbeitssystemwertermittlung,
  • die duale Arbeitssituationsanalyse und
  • das Vier-Ebenen-Modell der Wirtschaftlichkeitsbeurteilung.

Im Rahmen dieser Arbeit wird der Ansatz „Wirtschaftlichkeitsvergleich und Arbeitssystemwertermittlung“ angewendet.

Zur Durchführung eines erweiterten Wirtschaftlichkeitsvergleiches wurde ein fachübergreifendes Planungs- und Bewertungsteam gebildet. Das Team bestand aus Funktionsträgern von Stauereien, Terminalbetreibern, Reedereien, den jeweiligen Betriebs- bzw. Seebetriebsräten und Vertretern der durch die Umgestaltung ihres Arbeitsbereiches betroffenen Arbeitnehmern. Aus organisatorischen Gründen konnte im Rahmen des Wirtschaftlichkeitsvergleichs der angestrebte Beteiligungsansatz nur zum Teil erfüllt werden. Relativiert wurde diese Einschränkung dadurch, daß die einzelnen Hafen- bzw. Seebetriebe verschiedene Ziele mit den dazugehörenden Kriterien einzeln bewerten mußten. Diese Einzelbewertungen sind ergänzend in die Gesamtbewertung eingeflossen.

 

3.4.2.2 Wirtschaftlichkeitsvergleich und Arbeitssystemwertermittlung

Das Verfahren „Wirtschaftlichkeitsvergleich und Arbeitssystemwertermittlung“ hat seinen Schwerpunkt bei der Bewertung von Planungsalternativen.
Dabei sind drei Bewertungsphasen zu unterscheiden:

  • Konkretisierung der Zielsetzung
  • Bestimmung der Bewertungskriterien
  • Auswahl und Bewertung des optimalen Systems

Der Punkt Auswahl und Bewertung des optimalen Systems ist differenziert in die Unterpunkte:

  • Bewertung in der Planungsphase durch Vergleich von Planungsalternativen
  • Soll-Ist-Vergleich
  • Bewertung bei der Erfolgskontrolle einer realisierten Lösung.

Diese drei Bewertungsphasen werden im folgenden kurz dargestellt.

 

3.4.2.3 Umsetzung der Ziele in Bewertungskriterien - Anforderungen

Grundlage für die spätere Bewertung und die Anpassung des Verfahrens an die spezifische Problemstellung des Unternehmens ist die Bestimmung der Bewertungskriterien. Diese Bewertungskriterien werden durch das fachübergreifende Planungs- und Bewertungsteam aus den Zielvorstellungen zur Gestaltung und Umsetzung alternativer technischer und organisatorischer Laschlösungen abgeleitet und in Zielbereiche eingeteilt

Die Bewertungskriterien müssen folgende Anforderungen erfüllen:

  • Situationsrelevanz - die Kriterien spiegeln die spezielle Entwicklungsaufgabe wider;
  • Vollständigkeit - die Kriterien müssen die wesentlichen Gesichtspunkte berücksichtigen;
  • Unabhängigkeit - die Kriterien müssen so gewählt werden, daß Doppelbewertungen auszuschließen sind;
  • Operationalität - die Kriterien sind immer exakt abrechenbar
  • Handhabbarkeit - zur Begrenzung des Bewertungsaufwandes ist die Anzahl der Bewertungskriterien so gering wie möglich zu halten
  • Quantifizierbarkeit - die Kriterien sollten möglichst so definiert werden, daß man ihnen eine Meßvorschrift zuordnen kann, wobei drei Niveaus zu unterscheiden sind:
  • quantifizierbar, monetäre Kriterien
  • quantifizierbar, nicht monetäre Kriterien
  • nicht oder schwer quantifizierbare Kriterien.

Die Übergänge zwischen den Niveaus sind fließend, d.h. durch einen erhöhten Bewertungsaufwand können einige schwer quantifizierbare Kriterien auf das Niveau „quantifizierbar nicht monetär“ angehoben werden. Die monetär quantifizierbaren Kriterien gehen in den Wirtschaftlichkeitsvergleich ein, während die schwer monetär quantifizierbaren Kriterien in der sogenannten Arbeitssystemwertermittlung berücksichtigt werden. Diejenigen Bewertungskriterien, die in die Arbeitssystemwertermittlung einfließen sollen, müssen gewichtet werden, da sie i.d.R. nicht als gleichwertig anzusehen sind.

 

3.4.3 Bewertung in der Entwicklungssphase

Die Gewichtung wird von den Mitgliedern des Bewertungsteams nach zwei verschiedenen Mustern durchgeführt:

Paarweiser Vergleich

Jedes Kriterium wird mit jedem anderen Kriterium verglichen, um so eine Rangfolge der Wichtigkeit der Kriterien herzustellen.

Vergabe von Gewichtungspunkten

Die Gewichtung wird von den Mitgliedern des Bewertungsteams nach zwei verschiedenen Mustern durchgeführt:

Jedes Teammitglied erhält eine Anzahl von Punkten, die er/sie auf jene Kriterien verteilen kann, die das Teammitglied für die wichtigsten ansieht. Dabei dürfen auch mehrere Punkte für ein Kriterium vergeben werden. Die Gesamtsumme der Punkte wird auf 100 festgelegt.

Die nicht monetär quantifizierbaren Bewertungskriterien, werden in die Arbeitssystemwertermittlung einbezogen. Die erwarteten Eigenschaften der verschiedenen Planungsalternativen werden vom Planungsteam prognostiziert und mit Punkten bewertet (Erfüllungsfaktor). Multipliziert man den Erfüllungsfaktor eines Kriteriums mit dem dazugehörigen Gewichtungsfaktor, so ergibt sich ein Teilwert. Die Summe aller Teilwerte stellt dann den Arbeitssystemwert einer Alternative dar. Anschließend werden Wirtschaftlichkeitsvergleich und Arbeitssystemwertermittlung in einer gemeinsamen Ergebnisdarstellung wieder zusammengeführt, damit den Entscheidungsträgern die wechselseitigen Beziehungen zwischen monetären und nicht-monetären Bewertungskriterien transparent gemacht werden.

Die Bewertung in der Entwicklungsphase besteht aus zwei Teilen, dem Wirtschaftlichkeitsvergleich im engeren Sinne und der Arbeitssystemwertermittlung. Der Wirtschaftlichkeitsvergleich i.e.S. ist im wesentlichen ein Kostenvergleich, wobei die Kosten sich auf eine Leistungseinheit (Leistungsfaktor) beziehen müssen, damit eine einheitliche Beurteilung möglich ist. Das Ergebnis des Wirtschaftlichkeitsvergleichs ist somit ein Vergleich der Planungsalternativen auf Basis je Leistungseinheit, z.B. DM/Stück.

 

3.4.4 Bewertung bei der Erfolgskontrolle (Soll-Ist-Vergleich)

Insbesondere bei Maßnahmen, deren Auswirkungen in der Entwicklungsphase nur schwer zu prognostizieren waren, ist es wichtig, eine Erfolgskontrolle durchzuführen. Bei der Erfolgskontrolle wird überprüft, ob die prognostizierten Werte für die Entwicklungsalternative, die realisiert wurde, auch tatsächlich erreicht werden. Dazu sind die Bewertungskriterien gegenüber der Entwicklungssphase zu detaillieren, um genauere Aussagen zu ermöglichen. So können z.B. Bewertungskriterien, die vorher als schwer quantifizierbar eingestuft hatte, jetzt unter Umständen gemessen werden. Treten Abweichungen zwischen den Soll-Werten aus der Entwicklung und den Ist-Werten der Nacherhebung auf, so sind die Gründe hierfür exakt darzustellen.

 

3.4.5. Bewertungsbereiche

Dokumentiert sind die für das VACU - Lasch-System relevanten verschiedenen Bewertungsbereiche. Die Ausführungen sind als eine vorläufige Bewertung zu betrachten. Den Kriterien wurden Ober- und Untergrenzen zugeordnet, wobei die Untergrenze den Wert 0 und die Obergrenze den Wert 10 erhält. Es wurden insgesamt 6 Bewertungsbereiche gebildet. Den einzelnen Bewertungsbereichen wurden Ziele und Kriterien zugeordnet.

Die folgende Bewertungtabelle gibt einen Überblick über alle Zielbereiche und alle Kriterien:

Tab.: 1: Überblick über alle Zielbereiche und Bewertungskriterien

allg. Ziele
Einzelziele
Anforderungen
Bewertungskriterien
personelle Ziele
Verbesserung der Arbeitsbedingungen-
gute Ausführbarkeit der Arbeit
Handhabbarkeit des Laschsystems



Arbeitsplatzbedingungen



Qualifikationserfordernis

Reduktion der Belastungen
geringe Belastungen
physische Belastungen



psychische Belastungen

Verminderung der Gesundheitsrisiken
geringe Gesundheitsrisiken
Gesundheitsrisiken



Unfallrisiken

Sicherstellung der Arbeitsschutzrichtlinien
Einhaltung der Arbeitsrichtlinien
Einhaltung der Arbeits- schutzrichtlinien auf See



Einhaltung der Arbeits- schutzrichtlinien im Hafen
Leistungsziele
Steigerung der Umschlagsleistung
hohe Umschlagsleistung
Containerdurchsatz
Organisatorische Ziele
Verbesserung der Arbeitsabläufe
optimale Arbeitsabläufe
Arbeitsablauforganisation

Flexibilisierung des Containerlashings
hohe Ablaufflexibilität
Flexibilität hinsichtlich der Containergröße



Flexibilität des Einsatzes auf unterschiedlichen Schiffstypen


hohe Gewichtsflexibilität
Flexibilität der Stauung bei variierenden Containergewichten


Einsatz des alternativen Laschsystems in nationalen und internationalen Häfen
Einsatz des alternativen Laschsystems bei unterschiedlichen hafenseitigen Rahmenbedingungen
technische Ziele Erhöhung der Systemsicherheit hoher Sicherheitsstandard Ladungssicherheit



Erkennbarkeit der korrekten Befestigung

Vereinfachung des Containerumschlags
Einfachheit des Containerumschlags
Umfang des erforderlichen Materials und Geräts



Kompatibilität mit anderen Laschsystemen

Gewichtsminimierung des Laschsystems
Erhaltung der Stackgewichte
Transportkapazität pro qm Decksfläche
Kostenziele
Verringerung der Umschlagskosten
geringe Einrichtungskosten
Einrichtungsaufwand auf Schiffen und Terminals


geringe Investitionskosten
Material- und Gerätekosten auf Schiffen und Terminals


geringe Betriebskosten
Personalkosten pro Umschlag von z.B. 100 Containern
      Jährliche Unterhaltungskosten für Material und Gerät auf Schiffen und Terminals

Erhöhung der Produktivität
hohe Transportleistung
Anteil an der Hafenliegezeit



Transportkapazität der Schiffe
überbetriebliche Ziele
Minimierung gesellschaftlicher Folgekosten
Reduzierung Unfall gefahren
spezifische Anzahl von Unfällen



Ausbildung am alternativen Laschsystem


Erhaltung der Arbeitsplätze
spezifischer Personalbedarf

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