Teilautomatisierte Erstellung und Anpassung von Komponenten-Kennfeldern für Gasturbinen mit Hilfe von Betriebsdaten-Auswertung und numerischen Näherungsverfahren
In dieser Dissertation wird die methodisch zusammenhängende thermodynamische Modellbildung von Heavy-Duty Gasturbinen auf Basis von Betriebsmessdaten dargestellt. Die wichtigsten Punkte der entwickelten Modellbildung sind die Validierung der Daten, die Dekorrelation von Messwerten und zeitlichen Einflüssen sowie die automatisierte Adaption von Stromlinienkrümmungsverfahren für Verdichter und Turbine an den Messdatensatz durch Kalibrierung der zu Grunde liegenden Verlustkorrelationen.
Der vorgestellte Ansatz zur Validierung von Betriebsmessdaten basiert auf drei Stufen. Die erste Stufe ist eine signalverlaufbasierte Prüfung vor Beginn der thermodynamischen Auswertung, um große Abweichungen zu identifizieren. Die zweite Stufe ist die Erkennung spontaner Signalabweichungen mit zu geringer Amplitude, um während der ersten Prüfung vor der thermodynamischen Auswertung erkannt zu werden. Der in der zweiten Stufe genutzte Ansatz kann alle thermodynamisch relevanten Fehlerszenarien zu 100% korrekt identifizieren. Die notwendige Abweichung für die Detektion einer Anomalie beträgt hierbei das Dreifache der Standardabweichung des jeweiligen Signals. Die dritte Stufe ist die Erkennung langsam steigender Abweichungen. Aufgrund der Nicht-Anwendbarkeit der Einzelfehlerhypothese für dieses Szenario wird ein auf Fuzzylogik basierter Algorithmus mit dem Fehlerisolator aus der zweiten Stufe als Rechenkern entwickelt. Dieses System berücksichtigt erstmalig die Präzision der Lösungen in den einzelnen Fehlerkombinationssets und wird intensiv auf Basis realer Daten und unter Berücksichtigung des Einflusses verschiedener Alterungsgradienten getestet.
Nach der Validierung der Daten wird aufbauend auf dieser Datenbasis ein Verfahren entwickelt, um die unweigerlich auftretenden Alterungseffekte aus dem Datensatz zu entfernen und so die Datenqualität signifikant zu verbessern. In diesem mehrstufigen Prozess werden die Performancewerte für Verdichter und Turbine sequentiell von Alterungseffekten bereinigt. Hervorzuheben hierbei ist, dass in diesem neu entwickelten Vorgehen die Korrektur nicht nach Auswertung des Datensatzes erfolgt, sondern die notwendigen Korrekturen in den Rohdatensatz eingebracht werden. So ist sichergestellt, dass alle Performancewerte auch nach Alterungskorrektur die Energie- und Massenbilanzen erfüllen.
Der so bereinigte Datensatz stellt die Basis für die automatisierte Kalibrierung von zwei verschiedenen Stromlinienkrümmungsverfahren für die Simulation von Verdichter und Turbine dar. Das angewendete Kalibrierungsverfahren ist für beide SKV im Kern identisch, unterscheidet sich jedoch in zwei wesentlichen Punkten. So wird für den Verdichter ein Ansatz mit wenigen Kalibrierungsfaktoren gewählt, welche im Gegenzug über den Lastbereich variabel gestaltet werden können. Für die Kalibrierung der Turbine wird hingegen der Ansatz gewählt, möglichst viele, dafür aber über den Lastbereich konstante, Kalibrierungsfaktoren zu nutzen. Vor- und Nachteile beider Ansätze werden ausführlich diskutiert. Weiterhin unterscheiden sich die Kalibrierungsverfahren darin, dass das SKV Verdichter sowohl bezüglich des Verdichterwirkungsgrades als auch des Verdichtermassenstromes kalibriert wird, während das SKV Turbine bezüglich des Wirkungsgrades kalibriert wird.
Beiden Kalibrierungsansätzen ist gemein, dass sie sowohl direkte als auch indirekte Limitierungen der Kalibrierungsparameter erlauben. Insbesondere die Einbindung indirekter Randbedingungen ermöglicht eine physikalisch basierte Eingrenzung der Kalibrierungsparameter, welche den Umgang mit den Randbedingungen deutlich intuitiver und effektiver gestaltet. Weiterhin bieten die entwickelten Kalibrierungsansätze erstmalig die Möglichkeit, durch Zuordnung von Varianzen zu den Kalibrierungsparametern eine Gewichtung einzubringen, um so den Erfahrungsschatz des Anwenders in der Kalibrierung zu berücksichtigen.
Die Ergebnisse zeigen in beiden Fällen eine deutliche Verbesserung im Hinblick auf eine präzisere Beschreibung der Performance der Komponenten, so dass die kalibrierten Stromlinienkrümmungsverfahren auch für eine sinnvolle Extrapolation der Komponentenkennfelder genutzt werden können. Dieses Vorgehen führt somit insbesondere im nicht durch Betriebsmessdaten abdeckbaren Kennfeldbereich zu einer deutlich erhöhten Sicherheit in der Performancevorhersage bei gleichzeitig reduziertem Einflusses des Anwenders auf das Endergebnis.
Das hier vorgestellte Verfahren ist vor allem für ältere Gasturbinen Versionen nutzbar, eröffnet jedoch auch Möglichkeiten der weiterführenden Anwendung, unabhängig von Version und Alter der Gasturbine.
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