Frei rotierende Systeme in der Einschneckenextrusion

Die Einschneckenextrusion ist eines der wichtigsten Verarbeitungsverfahren in der Kunststoffindustrie. Die Forderungen von Maschinenbetreibern und -herstellern nach effizienten Anlagen zur Herstellung von hochwertigen Produkten sind entsprechend stark. Das Potenzial zur Leistungssteigerung konventioneller Maschinen ist nahezu ausgereizt, wohingegen das Potenzial von sogenannten frei rotierenden Systemen bisher kaum untersucht wurde. Bei frei rotierenden Systemen handelt es sich um eine nicht durch einen Motor aktiv angetriebene Komponente im System, deren Rotation sich aufgrund von Schleppströmungen einstellt. Solche Systeme können sowohl in der Plastifizierzone als auch in der Meteringszone eingesetzt werden. Während es für die Plastifizierzone bisher nur frei rotierende Konzepte gibt, die noch nicht in der Industrie etabliert sind, werden in der Meteringszone bereits frei rotierende Mischelemente eingesetzt. Diese Art von Mischelementen ist für ihre exzellente Mischwirkung bekannt. Der Twente-Mixing-Ring ist hier ein bekanntes Beispiel. Trotz vielversprechender Ergebnisse aus empirischen Versuchsreihen und Praxiserfahrungen sind frei rotierende Systeme in der Vergangenheit nicht konsequent untersucht und die Entwicklung sowie Auslegung innovativer Konstruktionen nicht vorangetrieben worden.

Im Rahmen dieser Arbeit wurden verschiedene frei rotierende Systeme sowohl experimentell als auch CFD-gestützt untersucht, um das Verständnis über diese Systeme auszubauen und Einflussfaktoren auf das Betriebsverhalten zu identifizieren. Neben den Standardprozessparametern, die maschinenseitig komfortabel ausgelesen werden können, wurden auch die Hülsendrehzahl und die Extrudatqualität ermittelt. Als frei rotierende Systeme wurden einerseits ein alternatives Plastifizierkonzept, welches in der Dissertation von Karrenberg vorgestellt wurde, und andererseits verschiedene frei rotierende Mischelemente verwendet [Ka16].

Bei dem untersuchten alternativen Plastifizierkonzept handelte es sich um den sogenannten High-Speed-S-Truder, der mittels einer frei rotierenden Schneckenhülse eine Feststoff-Schmelze-Trennung realisiert, um die Effizienz des Aufschmelzprozesses zu erhöhen. Für dieses Konzept wurden sowohl die noch unbekannte thermische und stoffliche Extrudathomogenität bestimmt als auch verschiedene konstruktive Änderungen an der bisher verwendeten Referenz-Schneckenhülse vorgenommen. Durch die konstruktiven Modifikationen wurde sich eine weitere Leistungssteigerung versprochen. Die Einbringung axialer Nuten auf der Innenfläche der Schneckenhülse brachte hierbei den gewünschten Erfolg. Die Beurteilung der Extrudatqualität erfolgte mittels des Segregationsgrades und mittels Thermographieaufnahmen. Es konnte gezeigt werden, dass die Extrudatqualität mit steigenden Schneckendrehzahlen abnimmt, aber für einen großen Drehzahlbereich gute Ergebnisse aufweist.

Die Untersuchung frei rotierender Mischelemente wurde insgesamt mit fünf verschiedenen Mischelementen durchgeführt. Ein kalottenförmiger Dynamic-Mixing-Ring (modifizierter Twente-Mixing-Ring) und vier wabenförmige Dynamic-Mixing-Rings wurden herangezogen, sodass Rückschlüsse über den Einfluss der Konstruktion auf das Betriebsverhalten gezogen werden konnten. Als Versuchsmaterialien wurden zwei PE-HD, ein PE-LD und ein PP betrachtet, um den Einfluss der Viskosität des Materials auf das Betriebsverhalten ermitteln zu können. Die Erfassung der Hülsendrehzahl wurde über die Auswertung von Drucksignalen vollzogen. Eine Methodik zur automatisierten Erfassung der Hülsendrehzahl mittels Fast-Fourier-Transformation wurde erprobt und der manuellen Auswertung gegenübergestellt. Auf Basis der Versuchsergebnisse wurde das Material als maßgeblicher Einflussfaktor auf die Höhe der Mischhülsendrehzahl identifiziert. Es wurden verschiedene Hypothesen diskutiert, welche Materialeigenschaften und welche Strömungsverhältnisse zur einer erhöhten bzw. reduzierten Mischhülsendrehzahl führen. Es konnte jedoch kein eindeutiger Zusammenhang zwischen Materialviskosität bzw. den viskoelastischen Materialeigenschaften und der Höhe der Hülsendrehzahl ermittelt werden. Ein Einfluss der Konstruktion auf das Betriebsverhalten konnte ebenfalls festgestellt werden. Insbesondere eine Erhöhung des freien Volumens reduziert den Druckbedarf bei gleichzeitig geringerer Hülsendrehzahl und gleichbleibender Extrudatqualität. Die Erfassung der stofflichen und thermischen Extrudatqualität ist für eines der verwendeten PE-HD und das verwendete PE-LD zuverlässig möglich. Für das zweite PE-HD und das PP erwies sich die Generierung und Aufbereitung der Ergebnisse zur Bewertung der Extrudatqualität aufgrund der herausfordernden Materialeigenschaften als schwierig und nicht für alle Betriebspunkte als zuverlässig. Im Rahmen einer CFD-gestützten Strömungsanalyse wurden die experimentellen den virtuellen Ergebnissen gegenübergestellt. Insbesondere der berechnete Einlassdruck lag niedriger als im Experiment. Die Ursache für diese Abweichung konnte u. a. auf die Position des Drucksensors im System zurückgeführt werden. Weiterhin wurde mittels CFD-Strömungsanalyse eine Methodik zur Prognose der Hülsendrehzahl vorgestellt und untersucht. Ein Vergleich zwischen experimentell gemessenen und prognostizierten Hülsendrehzahlen zeigte einen erheblichen Unterschied. Als Ursache für diesen Unterschied werden viskoelastische Materialeigenschaften vermutet, welche in der durchgeführten Strömungsanalyse nicht berücksichtigt wurden.

Um die Auslegung von Mischelementen und insbesondere frei rotierender Mischelemente in Zukunft zu vereinfachen, wurde ein Algorithmus zur automatisierten Auslegung und Optimierung vorgestellt und anhand eines neuartigen, frei rotierenden Mischhülsenkonzeptes untersucht. Hierbei wurde das Strömungsfeld einer jeden Geometrievariante durch einen genetischen Optimierer mittels neun verschiedener Qualitätskriterien hinsichtlich seiner Eignung zur Realisierung der distributiven und dispersiven Mischwirkung beurteilt. Darüber hinaus wurde die verfahrenstechnische Leistungsfähigkeit (Performance) beurteilt, sodass mittels eines genetischen Algorithmus automatisiert eine optimierte Variante erzeugt wurde. Es wurde gezeigt, dass eine willkürlich gewählte Referenzgeometrie mit Hilfe des vorgestellten Algorithmus unter den vorgegebenen Randbedingungen optimiert werden konnte.

Single-screw extrusion is one of the most important processing methods in the plastics industry. The demands of machine operators and manufacturers for efficient systems to manufacture high-quality products are correspondingly strong. The potential for increasing the performance of conventional machines is almost exhausted, whereas the potential of so-called free-rotating systems has hardly been investigated. Free-rotating systems involve a component in the system that is not actively driven by a motor and whose rotation occurs as a result of drag flows. Such systems can be used both in the plasticizing zone and in the metering zone. While only freely rotating concepts exist for the plasticizing zone, which are not yet established in the industry, freely rotating mixing elements are already used in the metering zone. This type of mixing element is known for its excellent mixing action. The Twente mixing ring is a well-known example here. Despite promising results from empirical test series and practical experience, free-rotating systems have not been consistently investigated in the past and the development and design of innovative constructions has not been advanced.

In this work, various free-rotating systems were investigated both experimentally and CFD-based to expand the understanding of these systems and to identify factors influencing the operating behavior. In addition to the standard process parameters, which can be conveniently read out on the machine side, the sleeve speed and the extrudate quality were determined. As free-rotating systems, an alternative plasticizing concept presented in Karrenberg's dissertation and various free-rotating mixing were used.

The alternative plasticizing concept investigated was the so-called high-speed S-Truder, which realizes a solid-melt separation by means of a free-rotating screw sleeve to increase the efficiency of the melting process. For this concept, both the still unknown thermal and material extrudate homogeneity were determined and various design modifications were made to the previously used reference screw sleeve. The design modifications were expected to result in a further increase in performance. The insertion of axial grooves on the inner surface of the screw sleeve brought the desired success. The extrudate quality was assessed by means of the degree of segregation and thermographic images. It was shown that the extrudate quality decreases with increasing screw speeds, but exhibits good results for a wide speed range.

The investigation of free-rotating mixing elements was carried out with a total of five different mixing elements. One spherical-shaped dynamic mixing ring (modified twentieth mixing ring) and four honeycomb-shaped dynamic mixing rings were used so that conclusions could be drawn about the influence of the design on the operating behavior. Two PE-HD, one PE-LD and one PP were considered as test materials to be able to determine the influence of the material on the operating behavior. The sleeve speed was recorded by evaluating pressure signals. A methodology for automated acquisition of the sleeve speed by means of Fast Fourier Transformation was tested and compared with manual evaluation. Based on the test results, the material was identified as a significant influencing factor on the level of the mixing sleeve speed. Various hypotheses were discussed as to which material properties and which flow conditions lead to an increased or reduced mixing sleeve speed. However, no clear correlation between material viscosity or viscoelastic material properties and the level of sleeve speed could be determined. An influence of the design on the operating behavior was also found. In particular, an increase in the free volume reduces the pressure requirement while at the same time reducing the sleeve speed and maintaining the extrudate quality. The material and thermal extrudate quality can be reliably determined for one of the PE-HD and the PE-LD used. For the second PE-HD and the PP, the generation and processing of the results for the evaluation of the extrudate quality proved to be difficult due to the challenging material properties and not reliable for all operating points. Within the framework of a CFD-based flow analysis, the experimental and virtual results were compared. In particular, the calculated inlet pressure was lower than in the experiment. The cause of this deviation could be traced back to the position of the pressure sensor in the system. Furthermore, a methodology for predicting the sleeve speed was presented and investigated by means of CFD flow analysis. A comparison between experimentally measured and predicted sleeve speeds showed a significant difference. The cause of this difference is assumed to be viscoelastic material properties, which were not taken into account in the flow analysis carried out.

In order to simplify the design of mixing elements and in particular freely rotating mixing elements in the future, an algorithm for automated design and optimization was presented. The algorithm was investigated on the basis of a novel, freely rotating mixing sleeve concept. Here, the flow field of each geometry variant was evaluated by means of nine different quality criteria with regard to its suitability for realizing the distributive and dispersive mixing effect. In addition, the process engineering performance was assessed so that an optimized variant was automatically generated by means of a genetic algorithm. It was shown that an arbitrarily reference geometry could be optimized using the presented algorithm under the given boundary conditions.

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