Untersuchung der intra- und interlaminaren mechanischen Eigenschaften von faserverstärkten und flammgeschützten Polyamiden im Kontext der extrusionsbasierten Additiven Fertigung

Die Additive Fertigung hat sich ausgehend von einem Prototyping Verfahren hin zu einem serienfähigen Fertigungsverfahren entwickelt, das von der Automobilbranche bis hin zur Luftfahrtindustrie vielfältige Geschäftsfelder bedient. Im Gegensatz zu den subtraktiven Verfahren wird die Bauteilgeometrie bei der additiven Fertigung durch das geometrisch definierte Auf- und Aneinanderfügen von einzelnen Volumenelementen aus der gasförmigen, flüssigen oder festen Phase hergestellt. Das metallische oder polymere Ausgangsmaterial liegt dabei größtenteils in flüssiger, pulverförmiger oder strangförmiger Form vor und wird durch Energieeinwirkung vernetzt, versintert oder verschmolzen. Einerseits bietet die additive Fertigung aufgrund der werkzeuglosen Herstellung, den Möglichkeiten der Funktionsintegration, der Kundenindividualisierung, des Leichtbaupotenzials, der höheren Geometrie- und Designfreiheit sowie den von der Bauteilkomplexität und Stückzahl weitgehend unabhängigen Kosten viele Vorteile. Andererseits hindern bisher sehr hohe Materialkosten, unzureichende mechanische und flammwidrige Bauteileigenschaften mit ausgeprägter Abhängigkeit vom Fertigungsprozess, ein erhöhtes Anisotropieverhalten, fehlende Standardisierung- und Zertifizierungsmodalitäten, hohe manuelle Aufwände und eine diskontinuierliche digitale Prozesskette die industrielle Durchsetzung und flächendeckende Implementierung dieser Technologie. Anhand der Materialextrusion werden gemäß dem Stand der Technik die Potenziale gegenüber einem serienfähigen und industriellen Zielprozess aufgedeckt und quantifiziert. Als Reaktion auf die vergleichsweise niedrigen intra- und interlaminaren Bauteileigenschaften und den unzureichenden Flammschutz werden basierend auf zertifizierten Standardgranulaten und konventionellen Faserhalbzeugen Filamente entwickelt und hergestellt, die aufgrund ihrer eingearbeiteten Kurz- oder Endlosfaserverstärkung die Bedürfnisse eines industriellen Einsatzzweckes erfüllen. Die Herstellung der Filamente auf Basis von Faserbündeln und Hybridgarnen erfolgt durch die Erweiterung und Modifikation einer Druckummantelungsanlage. Die Filamente werden mit Flammschutzmitteln additiviert und bei einer Prüfkörperstärke von 1,0 mm nach UL‑94 V0 qualifiziert, um auch den sicherheitskritischen Einsatz in der Bahnbranche zu ermöglichen. Für die Verarbeitung der Filamente wird auf der Grundlage industrieller Automatisierungskomponenten eine skalierbare 5‑achsige Maschine konstruiert und aufgebaut, die ihre Prozess- und Bahndaten aus einer durchgängigen und digitalen Prozesskette bezieht. Die Entwicklung und Implementierung der integrierten CAx-Prozesskette mitsamt dem Postprozessor fußt auf den bewährten Möglichkeiten subtraktiver Technologien und wird für die Belange der Additiven Fertigung spezifisch programmiert. Anhand der Versuchs- und Messdaten von flammgeschützten und teils glasfaserverstärkten Polyamidprüfkörpern, die nach DIN EN ISO 527‑2 Typ 1A hergestellt werden, wird in Abhängigkeit der Fertigungsparameter bezogen auf die Vorzugsrichtung gezeigt, dass die Spannweite der mittleren Elastizitätsmoduln bis zu 39 % und die der mittleren Zugfestigkeiten bis zu 56 % beträgt. Außerdem wird nachgewiesen, dass mit nominal 20 % Massenanteil Kurzglasfasern je nach flammgeschützter Polyamidmatrix die mittlere Zugfestigkeit um bis zu 33 % und der mittlere Elastizitätsmodul um bis zu 98 % gesteigert wird. Der maximale, mittlere Elastizitätsmodul in Höhe von 12,6 GPa und die maximale, mittlere Zugfestigkeit in Höhe von 146 MPa wird bei Polyamid 6 gemessen, das mit nominal 20 % Massenanteil Kurzcarbonfasern verstärkt ist. Bei den eigens entwickelten Endlosglasfaserfilamenten wird bei einem Faservolumenanteil von ca. 22 % ein Elastizitätsmodul in Höhe von 17,2 GPa und eine Festigkeit von 244 MPa gemessen, wodurch gegenüber den jeweils berechneten Werten vor allem bei der Festigkeit deutliche Einbußen festgestellt werden. Die daraus hergestellten Prüfkörper weisen einen mittleren Elastizitätsmodul in Höhe von 10,9 GPa und eine mittlere Festigkeit von 134 MPa auf, weshalb infolge des additiven Fertigungsprozesses von zusätzlichen, verarbeitungsspezifischen Defekten ausgegangen wird.


Die intralaminaren mechanischen Eigenschaften werden durch die Kurz- und Endlosfaserverstärkung trotz der eingearbeiteten Flammschutzmittel und der dadurch induzierten Porenbildung maßgeblich verbessert. In Kombination mit der realisierten CAx-Prozesskette wird die entwickelte Materialbasis für eine Topologieoptimierung eingesetzt, wodurch die Masse eines Demonstrators gegenüber der unverstärkten Ausgangsgeometrie in Summe um 59 % reduziert wird. Um auch den Anforderungen einer verringerten Anisotropie infolge einer erhöhten interlaminaren Adhäsion gerecht zu werden, wird ein IR‑Diodenlaser in das Maschinenkonzept integriert. Aufgrund seines hochenergetischen, lokalen Wärmeeintrags ist dieser dazu geeignet, das Substrat unmittelbar vor beziehungsweise unter dem Extrudat vorzuwärmen. Die interlaminare Festigkeit kann durch den Einsatz des Lasers bei unverstärkten, teilkristallinen Thermoplasten im Gegensatz zu amorphen Thermoplasten nahezu auf die intralaminare Zugfestigkeit gesteigert werden, wodurch ein quasi-isotropes Bauteilverhalten resultiert. Die mittlere, maximal gemessene Zugfestigkeit liegt infolge der Laservorwärmung im Fall von unverstärktem Polyamid 6 bei 58 MPa und damit um 79 % höher als bei Prüfkörpern, die als Referenz mit optimalen Fertigungsparametern auf einem Ultimaker S5 gefertigt werden. Auch bei kommerziell verfügbarem Polyamid 6.66 wird infolge der Laservorwärmung mit einer Standardabweichung von unter 3 MPa eine 55‑prozentige Erhöhung der interlaminaren Zugfestigkeit von 40 MPa auf 62 MPa nachgewiesen. Die Wirtschaftlichkeit der Kurzfaserverstärkung, ausgedrückt durch die Steifigkeit beziehungsweise Festigkeit pro €/kg, bewegt sich auf Grundlage der unverbindlichen Preisempfehlung der Hersteller bei den nicht flammgeschützten Werkstoffen in Bezug auf den Elastizitätsmodul zwischen 60–141 MPa/(€/kg) und bezüglich der Zugfestigkeit zwischen 0,65–1,58 MPa/(€/kg). In der technisch-wirtschaftlichen Gesamtbetrachtung bildet ein Polyamid 6 mit nominal 20 % Massenanteil Kurzcarbonfasern den besten Kompromiss aus Leistungsfähigkeit und Kosten. Die Wirtschaftlichkeit der flammgeschützten Werkstoffe liegt in Bezug auf den Elastizitätsmodul zwischen 25–46 MPa/(€/kg) und bezüglich der Zugfestigkeit zwischen 0,37–0,53 MPa/(€/kg), womit sie generell niedriger als die Wirtschaftlichkeit der nicht flammgeschützten Polyamide kursiert. Die vorteilhafteste Wirtschaftlichkeit unter Einhaltung des erforderlichen Flammschutzes wird durch ein kurzglasfaserverstärktes Polyamid 6.66 erzielt. In Anbetracht dessen, dass die Automobilindustrie den wirtschaftlichen Großserieneinsatz von kohlenstofffaserverstärkten Kunststoffen bei Materialpreisen von unter 10 €/kg sieht, scheinen die aktuellen, kommerziellen Materialpreise von ca. 1965 €/kg für ein Endloscarbonfaserfilament des Markführers Markforged selbst bei Annahme niedriger Fasermassenanteile unwirtschaftlich. Im direkten Vergleich von endlosglasfaserverstärkten Filamenten mit annähernd gleichem Faservolumenanteil resultiert zwischen den Materialkosten der Eigenproduktion und den kommerziellen Verkaufspreisen ein Faktor von 38, der selbst nach Abzug der Fertigungs-, Verwaltungs- und Vertriebsgemeinkosten Gestaltungsfreiraum für großzügige Gewinnmargen bietet. Die Wirtschaftlichkeit der kommerziellen Filamente weist generell eine hohe Spannweite auf und wird durch den Einsatz von Standardgranulaten sowie leistungssteigernden Fasern maximiert. Das Gesamtniveau der mechanischen und flammwidrigen Eigenschaften ist durch die in dieser Arbeit erforschten und realisierten Verbesserungen auf der Material‑, Maschinen‑ und Softwareebene nicht nur generell höher, sondern vor allem reproduzierbarer und zuverlässiger, wodurch ein leistungsfähiger, durchgängiger und gesamtheitlicher Fertigungsprozess resultiert, der auch unter wirtschaftlichen Aspekten konkurrenzfähig ist.

Starting from a prototyping process, Additive Manufacturing has developed into a production-ready manufacturing process that serves a wide range of business areas from the automotive to the aviation industry. In contrast to the subtractive processes, the component geometry in additive manufacturing is produced by the geometrically defined addition and joining of individual volume elements from the gaseous, liquid or solid phase. The metallic or polymeric raw material is mostly available in liquid, powder or strand form and is cross-linked, sintered or melted by the application of energy. On the one hand, additive manufacturing offers many advantages due to tool-free production, the possibilities of function integration, customer individualization, lightweight construction potential, greater freedom in geometry and design as well as costs that are largely independent of component complexity and lot sizes. On the other hand, very high material costs, inadequate mechanical and flame-retardant component properties with distinct dependence on the manufacturing process, increased anisotropy, lack of standardization and certification modalities, high manual effort and a discontinuous digital process chain have so far hindered the industrial implementation of this technology. By means of material extrusion, the potentials compared to an industrial target process are identified and quantified according to the state of the art. As a reaction to the comparatively low intra- and interlaminar component properties and the insufficient flame retardancy, filaments are developed and produced based on certified standard granules and conventional semi-finished fiber products. The production of the filaments based on fiber bundles and commingled hybrid yarns is done by the extension and modification of a pressured wiring coating and impregnation system. The filaments are compounded with flame retardants and qualified according to UL 94 V0 at a test specimen thickness of 1.0 mm to enable safety-critical use in the railroad industry. For the processing of the filaments, a scalable, five-axis machine will be designed and built on the basis of industrial automation components, which obtains its process and toolpath data from a continuous and digital process chain. The development and implementation of the integrated CAx process chain including the post-processor is based on the proven possibilities of subtractive technologies and is specifically programmed for the needs of additive manufacturing. Based on the test and measurement data of flame-retardant and partly glass fiber reinforced polyamide test specimens, which are produced according to DIN EN ISO 527‑2 type 1A, it is shown that the span of the average modulus of elasticity is up to 39 % and that of the average tensile strength is up to 56 %, depending on the production parameters in relation to the preferred direction. In addition, it is shown that with a nominal 20 % mass share of short glass fibers, depending on the flame-retardant polyamide matrix, the average tensile strength is increased by up to 33 % and the average modulus of elasticity by up to 98 %. The maximum average modulus of elasticity of 12.6 GPa and the maximum average tensile strength of 146 MPa are measured for polyamide 6 reinforced with a nominal 20 % mass fraction of short carbon fibers. For the specially developed continuous glass fiber filaments, a modulus of elasticity of 17.2 GPa and a strength of 244 MPa are measured at a fiber volume fraction of approximately 22 %. The test specimens produced from this material have an average modulus of elasticity of 10.9 GPa and an average strength of 134 MPa, which is why additional, process-specific defects are assumed as a result of the additive manufacturing process itself. The intralaminar mechanical properties are significantly improved by the short and continuous fiber reinforcement despite the incorporated flame retardants and the resulting pore formation. In combination with the implemented CAx process chain, the developed material base is used for topology optimization, which reduces the mass of a demonstrator by a total of 59 % compared to the unreinforced initial geometry. In order to also meet the requirements of reduced anisotropy due to increased interlaminar adhesion, an IR diode laser is integrated into the machine concept. Due to its high-energy, locally heat input, it is suitable for preheating the substrate immediately before or below the extrudate.


The interlaminar strength can be increased to almost the intralaminar tensile strength by using the laser for unreinforced, semi-crystalline thermoplastics, in contrast to amorphous thermoplastics, resulting in a quasi-isotropic component behavior. As a result of the laser preheating, the average, maximum measured tensile strength is 58 MPa in the case of unreinforced polyamide 6, which is 79 % higher than for test specimens produced on an Ultimaker S5 as a reference with optimum production parameters. Even with commercially available polyamide 6.66, a 55 % increase in interlaminar tensile strength from 40 MPa to 62 MPa is demonstrated as a result of laser preheating with a standard deviation of less than 3 MPa. Based on the manufacturers' recommended retail price, the economic efficiency of short fiber reinforcement, expressed in terms of stiffness or strength per €/kg, is between 60–141 MPa/(€/kg) for the elastic modulus and 0.65–1.58 MPa/(€/kg) for the tensile strength of non-flame-retardant materials. From a technical and economic point of view, a polyamide 6 with a nominal 20 % mass share of short carbon fibers represents the best compromise between performance and costs. The economic efficiency of flame-retardant materials lies between 25–46 MPa/(€/kg) in terms of modulus of elasticity and 0.37–0.53 MPa/(€/kg) in terms of tensile strength, which is generally lower than that of non-flame-retardant polyamides. The most advantageous economy while maintaining the required flame retardancy is achieved by a short glass fiber reinforced polyamide 6.66. Considering the fact that the automotive industry sees the economic large-scale production of carbon fiber reinforced plastics at material prices of less than 10 €/kg, the current commercial material prices of approximately 1965 €/kg for a continuous carbon fiber filament of the market leader Markforged seem uneconomical even if low fiber mass proportions are assumed. In a direct comparison of continuous glass fiber reinforced filaments with approximately the same fiber volume content, a factor of 38 results between the material costs of in-house production and the commercial sales prices, which even after deduction of the manufacturing, administrative and sales overheads offers scope for generous profit margins. The economic efficiency of commercial filaments generally has a high span width and is maximized by the use of standard granules and performance enhancing fibers. The overall level of mechanical and flame-retardant properties is not only generally higher, but above all more reproducible and reliable due to the improvements on the material, machine and software level, which have been researched and realized in this work.

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