Funktionale Empathie : Entwicklung und Evaluation eines Empathietrainings auf Basis eines integrativen Prozessmodells zur Vermeidung empathisch kurzschlüssigen Handelns

In der vorliegenden Arbeit wird die theorie- und empiriebasierte Entwicklung eines Empathietrainingsprogramms für soziale Berufe beschrieben. Ziel des Trainings ist der funktionale und reflektierte Umgang mit dem eigenen empathischen Handeln zur langfristigen Prävention von emotionalen Fehlbelastungen. In der anschließen-den empirischen Studie wird dieses Programm hinsichtlich Akzeptanz und Wirksam-keit in der Krankenpflegeausbildung evaluiert. Im ersten Teil der Arbeit wird basierend auf der Analyse der bisherigen Literatur eine integrative Arbeitsdefinition der Empathie vorgeschlagen. Demnach wird Em-pathie als ein kognitives und affektives Phänomen verstanden, das sowohl eine stabile Persönlichkeitseigenschaft im Sinne einer Verhaltenstendenz als auch eine generelle Fähigkeit beschreibt, die in eine erlern- und trainierbare Fertigkeit um-setzbar ist. Empathie wird dabei erst in der konkreten Interaktion mit anderen Per-sonen realisiert und damit existent. Bisherige Konzepte der Empathieforschung werden im Empathie-Prozessmodell (EPM) integriert, mit dem auch bestimmte dys-funktionale Reaktionen erklärt werden können. Diese „empathischen Kurzschlüsse“ (EKS) werden als eine kommunikative Notreaktion konzipiert, die primär der eige-nen kurzfristigen Emotionsregulation dient. Es wird angenommen, dass die langfris-tige Kumulation derartiger EKS-Reaktionen negative Auswirkungen auf die emotio-nale Befindlichkeit in Form von psychosomatischen und Belastungssymptomen des-jenigen hat, der die EKS begeht. Zur Reflexion des eigenen empathischen Verhaltens wird das Konzept der Gewaltfreien Kommunikation (GFK) nach Rosenberg vorgeschlagen. Im zweiten Teil der Arbeit wird die Entwicklung eines Empathietrainingsprogramms für soziale Berufe beschrieben, welches auf dem Konzept der GFK aufbaut. Dieses Programm intendiert erstens die Reflexion des eigenen empathischen Handelns und das Erkennen der Risiken des EKS, sowie zweitens den Aufbau von erprobten Hand-lungsalternativen und deren Integration in den Arbeitsalltag. Basierend auf empiri-schen Vorstudien und der Analyse bestehender Trainingskonzepte wurden die 35 didaktischen Einheiten des viertägigen Programms entwickelt, die aus Gruppen- und Partnerübungen, moderierten Diskussionen, individueller Arbeit und Kurzvorträgen bestehen. Den dritten Teil der Arbeit bildet eine empirische Studie zur Evaluation der Akzep-tanz und Wirksamkeit dieses Trainingskonzeptes an einer Stichprobe von 448 Aus-zubildenden in der Krankenpflege. Das Design entspricht dabei einer längsschnittli-chen Interventions-Kontrollgruppen-Studie mit Prä-, Post- und Follow-up-Messung über 3,3 Monate. Es konnte gezeigt werden, dass das Training zu positiven Effekten in den sozialen und emotionalen Kompetenzen sowie in den psychosomatischen und Belastungssymptomen führt. Die Balance aus Empathie für andere und Selbstempathie sowie der Fokus auf die Gefühle und Bedürfnisse bei aufrechterhal-tener Selbst-Andere-Differenzierung im Sinne der GFK konnten als erfolgreiche In-terventionen bestätigt werden. Die gesteigerte Akzeptanz der eigenen Emotionen und die Stärkung der Handlungsfähigkeit in intensiven, emotionalen Situationen können als protektive Faktoren bezüglich psychosomatischer Belastungs- und Burn-out-Symptome gesehen werden, die besonders in den sozialen bzw. helfenden Be-rufen von Bedeutung sind. Funktionale, reflektierte Empathie kann also in der An-wendung der Methode der GFK auf Grundlage des EPM zur Vermeidung des EKS in einem Training erreicht werden. Es bedarf natürlich weiterer Forschung zur detail-lierten Analyse der genauen Wirkmechanismen und differenzierten Effektivität von einzelnen Trainingseinheiten.
The present study investigates the effects of a self-developed empathy training for the social professions. As Empathy is defined in varying ways in the current litera-ture, an integrative definition is proposed using the Empathy Process Model (EPM). According to this empathy can be seen as a process that incorporates aspects of both a stable personality trait and an ability, which can be trained and developed into practical skills. The model also allows explaining dysfunctional empathic behav-ior such as the Empathic Short Circuit (ESC). The ESC is described as a communica-tive shortcut to escape an emotionally tense situation by disrupting the emotional interaction, leaving both involved with a diffuse dissatisfaction. It is assumed that the accumulation of these reactions over time may reflect in psychosomatic and symptoms of emotional strain. To review one’s own empathic actions the concept of Nonviolent Communication (NVC) by Rosenberg is suggested. The training program which is subsequently described in its development and prior evaluative studies builds on the NVC concept. The aim is to reflect one’s empathic actions to avoid the ESC as well as to install alternative strategies to deal with intense emotional situations in the everyday work context of the social professions. An evaluation of the training program is presented assessing its acceptance and efficacy in nursing schools with a total of 448 participants in the longitudinal inter-vention-control-group study. Significant changes could be achieved in strengthening several social and emotional competences as well as in reducing psychosomatic and symptoms of emotional strain. A higher acceptance for one’s own emotions and a higher experienced agency, i.e., capacity to act in emotionally tense situations were among the major effects of the training. The NVC concept of balance between fo-cusing of empathy for the other person and focusing one’s own emotional situation has been proven to be a useful strategy in reducing emotional strain and has been successfully implemented in the training program for the social professions. Further studies are necessary, e.g., to analyze of the effectiveness of single training units in detail.

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