Inhaltsverzeichnis | Voriges Kapitel | Elektronische Dissertationen | Hauptseite der UB |
Praktikumsversuch für Studenten des Studiengangs Elektrotechnik / Energietechnik an der Gerhard-Mercator-Universität - Gesamthochschule - Duisburg,
Trainingssimulator für die Stadtwerke Duisburg und
Trainingssimulator für die Durchführung von Netzwiederaufbau-Seminaren für die Betriebsführer des niederländischen Transmissions- und Subtransmissionsnetzes.
In der Ausbildung der Studenten werden die in Vorlesung und Übung Elektrische Anlagen und Netze" dargestellten theoretischen Grundlagen und Rechenmethoden durch ein Praktikum ergänzt, das die Eigenschaften verschiedener Geräte und Apparate (Transformatoren, Petersen-Spulen, Leistungsschalter, Schutzgeräte u.s.w.) experimentell untersucht. Im Rahmen dieses Praktikums wird auch der Trainingssimulator eingesetzt. Ziel ist dabei, die Betrachtung der Einzelkomponenten durch eine globale Darstellung der Zusammenhänge des Netzbetriebs zu vertiefen. So kann man den Studenten einerseits einen Einblick in das physikalische Verhalten des Gesamtnetzes und andererseits in die daraus resultierenden Aufgaben der Netzbetriebsführung vermitteln.
Zu diesem Zweck wurde ein fiktives Netz in GDL beschrieben, an dem die Studenten mehrere Aufgaben zu lösen haben:
1. Anfahren und Synchronisieren eines Kraftwerksblocks aus der Sicht der Netzleitstelle,
2. Maßnahmen zur Belastungsreduktion von überlasteten Betriebsmitteln,
3. Untersuchung der Einflüsse von längs- und quergeregelten Transformatoren in vermaschten Netzen,
4. Inbetriebnahme von Kabeln und Freileitungen,
5. Freischaltung von Betriebsmitteln zu Wartungszwecken, und
6. Verhalten der Primär- und Sekundärregelung im Inselnetz.
Mit der ersten Aufgabe (Anfahren eines Kraftwerks) soll dem Studenten der Unterschied zwischen Einspeise- und Anfahranschluß eines Kraftwerks und der Übergang in den Blockbetrieb dargestellt werden. Daneben können mehrere typische Eigenbedarfsschaltungen gezeigt werden.
In der zweiten Aufgabe (Belastungsreduktion) soll zunächst festgestellt werden, welches Betriebsmittel überlastet ist, indem im Schaltanlagenbild geeignete Meßwerte zur Beurteilung der Betriebsmittelauslastung angewählt werden. Ist das betroffene Betriebsmittel (Transformator) identifiziert, muß der Student geeignete Gegenmaßnahmen herleiten und durchführen. In diesem Fall kann durch Zuschaltung eines zweiten parallelen Transformators die Belastung halbiert werden. Dabei werden die Einschaltreihenfolge und die Parallelschaltbedingungen von Transformatoren diskutiert und angewendet.
Während der Durchführung der dritten Aufgabe (Längs-/Querregelung) wird durch Verstellung eines längs- bzw. eines quergeregelten Transformators der Einfluß auf die Blind- bzw. Wirkleistungsverteilung in vermaschten Netzen untersucht. Besonders der nicht in allen Fällen bewußte Zusammenhang Längsregelung / Blindleistungsverteilung und Querregelung / Wirkleistungsverteilung wegen des induktiven Verhaltens der beteiligten Betriebsmittel kann verdeutlicht werden.
Die vierte Aufgabe (Einschalten von Leitungen) verlangt, jeweils ein Kabel und eine Freileitung gleicher Länge und Übertragungskapazität in Betrieb zu nehmen, um die unterschiedliche Ladeleistung bei annähernd gleicher Übertragungslänge deutlich zu machen. An dieser Stelle kann der der über-/unternatürliche Betrieb einer Leitung diskutiert werden.
Die fünfte Aufgabe (Freischaltung) soll dem Studenten nochmals die Funktion von Leistungsschalter, Trenner, Erder, Kuppelfeld und Sammelschiene näher bringen. Indem mehrere Freischaltungen in verschiedenen Anlagentypen durchgeführt werden, ergibt sich die Gelegnheit, die Aufgaben der verschiedenen Geräte und Anlagenteile zu diskutieren. Besonders wichtig an dieser Stelle ist die Existenz des Expertensystems für Verriegelung (siehe 3.4.3), das jede nicht zulässige Schalthandlung des Studenten unterbindet und eine Fehlermeldung ausgibt.
In der sechsten Aufgabe (Leistungsregelung) wird das Verhalten der Kraftwerke in einem Inselnetz studiert und dabei die Funktionsweise der Primär- und Sekundärregelung untersucht. Dabei werden Frequenz und Leistung der in der Insel befindlichen Kraftwerke im Meßwertfenster (siehe 3.4.4) angezeigt und deren zeitlicher Verlauf erläutert.
Da die Hardware-Konfiguration des Simulators flexibel aufbaubar ist, kann auf unterschiedliche Anzahl von Studenten in einer Praktikumsgruppe mit variabel gestalteten Arbeitsplätzen reagiert werden. Allerdings zeigt die Erfahrung, daß beim Einsatz mehrerer Arbeitsplatzrechner der Praktikumsleiter auch zu koordinierter Zusammenarbeit ermahnen muß.
Insgesamt konnte festgestellt werden, daß durch den Einsatz moderner Rechnersysteme für den Praktikumsversuch die Motivation und damit die Lernbereitschaft der Studenten sehr hoch lag. Auf Nachfrage wurde fast immer bestätigt, daß dieser Praktikumsversuch hohen Lerneffekt besitzt. Weiterführende Informationen sind in [BRU-94] zu finden.
Weitere Anwendung im Bereich der Lehre findet der Simulator in der Übung zur Vorlesung Netzleittechnik", wobei vertiefend auf die leittechnischen Funktionen (Ereignisverarbeitung, Bildsystem) eingegangen wird.8.1. Praktikum für Studenten
Tag | Tageszeit | Tätigkeit | |
1 | vormittag | theoretische Einführung Kennenlernen des Simulators | |
1 | nachmittag | Szenario 1, Strategie 1 | Wiederaufbaufälle |
2 | vormittag | Szenario 1, Strategie 2 | Wiederaufbaufälle |
2 | nachmittag | Szenario 2, Strategie 1 | Wiederaufbaufälle |
3 | vormittag | Szenario 1, Strategie 3 | Wiederaufbaufälle |
3 | nachmittag | Szenario 2, Strategie 3 | Wiederaufbaufälle |
Abschlußbesprechung |
Während des Wiederaufbaus greift der Trainer nur bei groben Fehlern seitens der Trainees ein. Nach jedem Wiederaufbau wird die Vorgehensweise mit allen Betriebsführern anhand von Kopien aus dem Meßwertarchiv diskutiert, um Probleme, die in einem Teilnetz auftraten, den anderen Teilnehmern transparent zu machen und daraus Konsequenzen ziehen zu können.
Zum Zeitpunkt der Erstellung dieser Dissertation sind fast alle Betriebsführer der niederländischen Subtransmissions- und Transmissions-Netzleitstellen und Produktionsleitstellen (ca. 150) mindestens einmal trainiert worden, so daß nun der Schwierigkeitsgrad des Trainings gesteigert wird. Folgende Punkte werden dabei beachtet:
Einschränkung der Kommunikationskanäle auf ein der Realität entsprechendes Maß durch Verwendung einer Telefonanlage anstatt der direkten Ansprache,
Setzung von Handicaps seitens des Trainers wie z.B. Entziehung der Verfügbarkeit wichtiger Kraftwerke oder Unterstationen,
Training eines worst-case-Szenario, indem davon ausgegangen wird, daß sich kein Kraftwerksblock im Eigenbedarf gefangen hat und der Netzwiederaufbau mit Hilfe schwarzstartfähiger Einheiten begonnen werden muß,
Reduzierung der direkt verfügbaren Informationen, und
Schutzauslösungen während der Wiederaufbauphase.
Zusammenfassend kann festgehalten werden:
Für die Entwicklung des Simulators war die Durchführung der Seminare sehr wichtig, da die vorhandene Funktionalität Betriebsführern an die Hand gegeben werden wurde. Somit konnte eine Beurteilung durch Mitglieder der Zielgruppe, an die sich der Simulator wendet, erfolgen. Weiterhin konnte in Diskussion mit dem Leitstellenpersonal verifiziert werden, welche Modelle und Oberflächen-Funktionen gewünscht oder nötig sind; diese Diskussionen haben zu einigen Denkanstößen geführt, die die Entwicklung einiger Teilkomponenten positiv beeinflußt haben.
Die Seminare werden von den Betriebsführern weitgehend positiv aufgenommen [ENG-93] [OUD-95]. Nach der Durchführung eines Trainings wurde vielfach bestätigt, daß man sich für den Ernstfall besser gerüstet fühlt. Kritikpunkte am Realitätsgrad der Szenarien (nicht am Realitätsgrad des Simulators) können in Zukunft in der zweiten Stufe des Trainings ausgeräumt werden.
Durch die gemeinschaftliche Teilnahme am Seminar wird das Verständnis des Leitstellenpersonals für Probleme von Betriebführern anderer Leitstellen erhöht, so daß positive Auswirkungen (gestiegene Kooperationsbereitschaft) auch im Normalbetrieb zu verzeichnen sind.
Für die Durchführung eines solchen Team-Trainings ist die Verwendung von stand-alone-Simulatoren zwingend erforderlich, da die Kopplung von integrierten Simulatoren nicht möglich ist. Außerdem erlaubt die Anwendung des standalone-Simulators die Durchführung des Trainings an einem neutralen" Ort.
Zurück zum Anfang | Nächstes Kapitel | Inhaltsverzeichnis | Elektronische Dissertationen | Hauptseite der UB |