Litzinger, Andreas: Systemintegration, Weiterentwicklung und Anwendung eines Trainingssimulators...


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5. Kraftwerksmodelle und Kraftwerksbeschreibung

Im Bereich der Kraftwerksdarstellung enthielt der Prototyp einige vereinfachende Annahmen, die die realen Verläufe im Netzwiederaufbau nur ungenügend nachvollziehen ließen. Dies betraf:

Ferner ergab die Erfahrung, daß die Beschaffung der zur genauen Parametrierung der Kraftwerksmodelle erforderlichen Daten ein langwieriger Vorgang ist, der vielfach erst lange nach der Netzbeschreibung abgeschlossen werden kann. Hier mußte eine Zwischenlösung geschaffen werden, die es erlaubt, eine vereinfachte Parametrierung der Kraftwerksmodelle mit nur wenigen bekannten Daten zu ermöglichen.

5.1. Sollwertführungsgerät

5.1.1. Problemstellung

Die Wirkleistungsabgabe der Kraftwerkseinheiten wird im Langzeitmodell (siehe Bild 3.2) nach dem Prädiktor-Selektor-Verfahren errechnet, d.h. in jedem Rechenschritt wird für jede Einheit die obere und die untere Grenze des Leistungsintervalls ermittelt, innerhalb dessen im Rechenschritt die Leistung geändert werden kann. Diese Grenzen werden dem P-Distributor mitgeteilt, der die vom Netz geforderte Wirkleistung unter Berücksichtigung der Solleistung, der Statik und der mitgeteilten Grenzen auf die einzelnen Kraftwerksblöcke verteilt. Der P-Distributor modelliert so zusammenfassend die Primärregelung der Einheiten. Auf diese Weise sind die Modelle der Kraftwerkseinheiten untereinander weitgehend entkoppelt und es läßt sich insbesondere eine entkoppelte Berechnung der Frequenz in einem gegenüber dem Langzeitmodell stark verkürzten Rechenschritt erreichen [DIC-86].

Die Ermittlung und Weitergabe der Leistungsgrenzen kann für jede Kraftwerkseinheit wahlweise eingestellt werden auf:

Dieses Vorgehen erwies sich in zwei Punkten als zu stark vereinfacht:

5.1.2. Lösungskonzept

Es muß für jede Kraftwerkseinheit individuell das Sollwertführungsgerät modelliert werden, welches folgende Bedingungen realisiert:

An den P-Distributor werden pro Rechenschritt des Langzeitmodells weitergegeben:

Die Weitergabe dieser Werte an das Mittelzeitmodell sollte zunächst ebenfalls im Takt des Langzeitmodells (10 Sekunden) erfolgen. Er zeigte sich jedoch, daß dabei in speziellen Fällen der Übergabetakt in Resonanznähe zur Eigenfrequenz des Netzes geriet; dabei trat statt einer Beruhigung eine Aufschaukelung der Frequenzschwingungen auf. Aus diesem Grunde wird der Sollwertverlauf an den Rechentakt des Mittelzeitmodells (100 Millisekunden) angepaßt.

5.1.3. Realisierung

Bild 5.2 zeigt das Schema des neu entwickelten Modells des Sollwertführungsgeräts und seine Einbindung in das Lang- und Mittelzeitmodell. Dem Gerät wird ein in positiver und negativer Richtung einheitlicher Stellgradient S* mit einem Wert von 0,5%.Pn 1/s vorgegeben, mit dem Stellwertänderungen an die Maschine weitergegeben werden. Stellwertänderungen werden einerseits durch sprunghafte Änderungen des Sollwerts Ps,hand bewirkt, können andererseits aber auch durch Änderungen der thermischen Grenzen ausgelöst werden. Zu Beginn eines Rechenschritts im Langzeitmodell ist daher festzustellen, in welche Richtung die nächste Stellungsänderung erfolgt. Dies bestimmt das Element „Richtungsermittlung" nach der Regel:

Bei deaktiviertem WT-Gerät entfallen die Begrenzungen von Ps,hand . Im nächsten Schritt wird der Stellwert P* berechnet, der sich mit dem vorgegebenen Stellgradienten S* im nächsten Zeitschritt erreichen läßt:

Bei aktivem WT-Gerät wird dieser Wert begrenzt auf

Abschließend wird über

ein aktueller Gradient S** und durch Begrenzung auf Ps,hand der aktuelle Sollwert

gebildet. Ps,neu wird an den P-Distributor als neuer Leistungssollwert weitergegeben.



Bild 5.2. Struktur des Modells der Sollwertführungsgeräte
Das Mittelzeitmodell erhält beide Werte Ps,neu und S** . Hier werden diese Werte mit dem Zeitschritt 100 Millisekunden und der Schrittzahl n weiterbehandelt nach:



Bild 5.3.: Zeitlicher Verlauf der Sollwertänderung

Bild 5.3 zeigt die so erreichte Funktionsweise des Sollwertführungsgeräts:

  • Solange das WT-Gerät abgeschaltet oder seine Grenzen nicht wirksam werden, verläuft der Stellvorgang mit dem Gradienten S** des Sollwertführungsgeräts bis zum Erreichen des Sollwerts Ps,hand (oberer Teil Bild 5.3).

  • Bei Eingreifen des WT-Geräts wird der Gradient im weiteren Verlauf auf die Leistungsfreigabe des WT-Geräts reduziert (unterer Teil Bild 5.3).

    Bild 5.4 zeigt den Frequenzverlauf, der sich unter Verwendung des neuen Modells zur Sollwertführung ergibt.



    5.2. Erweitertes Gasturbinenmodell

    5.2.1. Problemstellung

    In dem im Prototyp eingesetzten Gasturbinenmodell [SCH-89], [ADE-92] wurden gemäß Bild 5.5 zwei unterschiedliche Gradienten verwendet:

  • Normalgradient: wird die Leistung entlang dieses Gradienten verändert, sind keine lebensdauereinschränkenden Effekte zu erwarten. Dieser Gradient wird im Normalbetrieb verwendet.

  • Notgradient: dieser Gradient wird dann eingesetzt, wenn in einem Versorgungsgebiet ein Erzeugungsmangel eingetreten ist (Ausfall eines Kraftwerksblocks). Mit den in dem betroffenen Gebiet befindlichen Gasturbinen kann dieses Leistungsdefizit reduziert oder behoben werden; dabei sind allerdings Lebensdauereinschränkungen der Turbine zu erwarten.

    Die physikalischen (harten) Grenzen der Gasturbine wurden bisher unter Verwendung des Notgradienten bestimmt. Werden aber für den Notgradienten betrieblich realistische Werte von ca. 15% pro Minute angesetzt, so läßt sich dann in einem Zeitschritt nur 1/6 dieses Wertes, also ca. 2,5% der Nennleistung als Lastsprung auf eine Gasturbine aufschalten. Mit diesen Werten ist aber das Verhalten einer Gasturbine, die in eine schwache Netzinsel einspeist, nicht realistisch nachzubilden.



    Bild 5.5.: Gradienten der thermischen Grenze einer Gasturbine

    Zur Deckung des Anfahreigenbedarfs werden gelegentlich Gasturbinen in einem Kraftwerk mit mehreren Blöcken aufgestellt. Mit Hilfe eines Dieselmotors kann dann die Gasturbine ohne eine Versorgung von außen gestartet werden, um dann anschließend mit der dann zur Verfügung stehenden Leistung der Gasturbine die übrigen Blöcke anfahren zu können. Somit erreicht man die Schwarzstartfähigkeit eines gesamten Kraftwerks. Wurde diese Vorgehensweise am Simulator nachvollzogen, so stellte man fest, daß sprungartige Leistungsänderungen wie der Start einer Kesselspeisepumpe zu einem unrealistischen Frequenzabfall der Gasturbine führte, was auf das zu stark vereinfachte Gasturbinenmodell zurückzuführen war.

    5.2.2. Lösungskonzept

    Um eine verbesserte Nachbildung für das Verhalten der Gasturbine zu erhalten, ist die Implementation eines Modells denkbar, das in Analogie zu dem Modell der thermischen Blöcke die wichtigsten thermodynamischen Effekte berücksichtigt. Allerdings muß dann für die Parametrierung dieses Modells ein erheblicher Aufwand getrieben werden. Um die Parametrierungs-Problematik zu umgehen, wurde auf die Implementation eines thermodynamischen Gasturbinenmodells verzichtet.

    Das Verhalten der Gasturbine im stationären Betrieb wird durch Verwendung der betrieblichen Gradienten genügend genau nachgebildet. Bei Zuschaltung von Lasten in einer Insel, die nur von einer oder wenigen Gasturbinen gespeist wird, entfallen auf die einzelne Turbine mehr oder weniger hohe Lastsprünge. Um das Verhalten in dieser Situation besser modellieren zu können, wurde in Anlehnung an [TRÖ-83] eine maximale Sprungleistung und ein maximaler Leistungsänderungsgradient definiert.

    Die durch diese neuen Parameter bestimmten Grenzen werden als physikalische (harte) Grenzen aufgefaßt. Sie werden in jedem Rechenschritt ermittelt und dem P-Distributor (vgl. Bild 5.2) übergeben. Die bisher verwendeten Gradienten dienen nun ausschließlich der Bestimmung der thermischen Grenzen, die - wie in Abschnitt 5.1 geschildert wurde - Einfluß auf die Verstellung des Wirkleistungs-Sollwerts haben, der dem P-Distributor übergeben wird. Auf diese Weise wird erreicht, daß von Hand vorgegebene Sollwerte in ihrer Verstellgeschwindigkeit dem thermisch schonenden Normalbetrieb angepaßt werden, sofern die Verwendung des Normalgradienten vorgegeben wird. Durch Frequenzänderungen ausgelöste Leistungsvariationen können den größeren Bereich bis zu den physikalischen Grenzen ausnutzen.

    Die neuen Parameter müssen in die Kraftwerksbeschreibung aufgenommen werden, durch die Kraftwerksaufbereitung verarbeitet und in die modellspezifischen Daten eingetragen werden. Das Gasturbinenmodell ist entsprechend der Bedeutung dieser neuen Parameter zu modifizieren.

    5.2.3. Realisierung

    Die bisher definierten Gradienten nach Bild 5.5 werden ausschließlich zur Berechnung der thermischen Grenzen benutzt, indem zunächst der Wert Leistungsänderung ermittelt wird:
    >

    Der Gradient (dP/dt)therm wird in Abhängigkeit der Vorgabe, ob der Normal- oder der Notgradient verwendet werden soll, und der aktuellen Leistung ermittelt.

    Die thermischen Grenzen bestimmen sich dann zu:


    Dieses Wertepaar ist Ausgangsgröße des Modells der thermischen Grenze und wird dem Modell der Sollwertführungsgeräte übergeben (siehe Bild 5.2) und dort entsprechend verarbeitet.

    Zur Nachbildung der physikalischen Grenzen werden in der Beschreibung der Kraftwerksdaten zwei neue Parameter eingeführt:

  • durch die Spezies P.SPRUNG wird die maximale Sprungleistung definiert; sie wird in der folgenden Gleichung (5.10) durch den Ausdruck PSprung wiedergegeben und

  • die Spezies P.MXGRAD beschreibt die maximale Leistungsänderungsgeschwindigkeit, die in der Gleichung (5.10) als (dP/dt)max erscheint.

    Diese neuen Parameter werden durch die Kraftwerksaufbereitung verarbeitet und im modellspezifischen Datensatz für die Gasturbine hinterlegt.

    Im dynamischen Modell wird zunächst die maximale Änderung der physikalischen Grenze bestimmt zu:

    Damit kann für den nächsten Zeitschritt die neue obere physikalische Grenze festgelegt werden zu:


    In Bild 5.6 erkennt man das so erreichte Verhalten des Verlaufs der harten Grenze einer Gasturbine. Nach einem ausgeführten Lastsprung steigt die maximale zur Verfügung stehende Leistung mit dem vorgegebenen Gradienten an.



    Bild 5.6.: Sprungleistung und maximaler Gradient

    Die untere harte Grenze wird zu Null gesetzt, da jederzeit durch Abschalten der Brennstoffzufuhr erreicht werden kann, daß die Maschine keine Leistung mehr in das Netz abgibt.

    5.3. Beschreibung der topologischen Anschlüsse von Einspeisungen

    5.3.1. Problemstellung

    Die GDL-Beschreibung eines Energieversorgungssystems besteht aus zwei getrennten Texten, einerseits für das Netz, andererseits für die Kraftwerke und externen Einspeisungen. Der Zusammenhang wird hergestellt, indem in die Netzbeschreibung am Anschlußort des Generators ein Verweis auf den zugehörigen Block in der Kraftwerksbeschreibung hinterlegt wird.

    In der Prototypversion des Simulators wurde der Generatoranschluß mit Hilfe der Spezies VERW beschrieben. Attribute zu dieser Spezies waren der Kraftwerkstyp und eine für jeden Typ dichte Numerierung der einzelnen Blöcke. Diese Spezies wurde sowohl in der Netzbeschreibung als auch in der Beschreibung der festen (herstellerspezifischen) und variablen (szenariospezifischen) Kraftwerksdaten verwendet. Über die Identität von Typ und Nummer konnten die verschiedenen Beschreibungen für einen Kraftwerksblock als zusammengehörig identifiziert werden.

    Diese Vorgehensweise erwies sich als nachteilig, da normalerweise Netzbeschreibung und Kraftwerksbeschreibungen von verschiedenen Personen erstellt werden. Für die Beschreibung des topologischen Anschlusses eines Kraftwerksblocks mußten beide Personen die Numerierung der Kraftwerksblöcke miteinander absprechen, da ansonsten Inkonsistenzen in der Zuordnung der Kraftwerksdaten zu den Einspeisepunkten auftraten.

    Für den Leistungsbetrieb einer Kraftwerkseinheit wird im Simulator Blockbetrieb angenommen, d.h. die für den Eigenbedarf der Einheit erforderliche Leistung wird direkt dem Generator (bzw. über eine dritte Wicklung des Blocktransformators) entnommen. An der Netzanschlußstelle erscheint somit die Nettoleistung der Einheit. Wird jedoch ein Block angefahren, wird die Eigenbedarfsschaltanlage über den Anfahrtransformator des Kraftwerks gespeist.

    Der Anschlußpunkt des Anfahrtransformators wurde im Prototyp nicht explizit beschrieben; statt dessen wurde hilfsweise angenommen, daß der Anfahreigenbedarf als versorgt gilt, wenn mindestens eine Sammelschiene der Schaltanlage, in die der Kraftwerksblock einspeist, unter Spannung steht. Die im Eigenbedarfsmodell bestimmte Anfahrleistung wurde der ersten in der Datenbank aufgefundenen und unter Spannung stehenden Sammelschiene der Schaltanlage entnommen. Dies führte aber zu einer unrealistischen Darstellung der Leistungsflüsse innerhalb der Anlagenbilddarstellung, da die Sammelschiene als Leistungssenke erschien.

    Da der Anfahreigenbedarfsanschluß vielfach im Subtransmissionsnetz, der Einspeiseanschluß aber im Transmissionsnetz erfolgt [HAP-78], müssen unter ungünstigen Umständen weite Bereiche des Subtransmissionsnetzes wiederversorgt werden, ehe ein Kraftwerk angefahren werden kann. Diese für das strategische Vorgehen im Netzwiederaufbau wichtige Tatsache muß nachgebildet werden können.

    Diese Probleme machten es erforderlich, den gesamten Bereich der topologischen Anbindung der Einspeisungen zu überarbeiten.

    5.3.2. Lösungskonzept

    Wie in Abschnitt 3.4.1 geschildert wurde, werden in GDL Verweise unter Angabe der Lokation des Zielpunktes durchgeführt. In Analogie zu den Q-Verweisen wird für den Anschluß der Kraftwerke und externen Einspeisungen eine neue Verweisklasse geschaffen, die den Block mit Hilfe seines GDL-Deskriptors identifiziert. Im Gegensatz zu den Q-Verweisen gelten besondere Randbedingungen, die die Einführung einer neuen Verweisklasse ( E-Verweis) mit den folgenden Eigenschaften nötig machen:

  • E-Verweise sind einseitig; in der Netzbeschreibung wird auf das Kraftwerk verwiesen, aber in der Kraftwerksbeschreibung nicht auf den topologischen Anschlußpunkt in der Netzbeschreibung.

  • E-Verweise werden mit einer angepaßten Anzahl von Hierarchiestufen angelegt, da ein Kraftwerk für eine eindeutige Identifizierung zwei, eine externe Einspeisung hingegen drei Hierarchiestufen benötigt.

  • E-Verweise werden topologisch relevanten Spezies der Klasse 2 zugeordnet.

    Mit Hilfe der E-Verweise müssen die Einspeisepunkte von Kraftwerksblöcken und externen Einspeisungen und die Anfahreigenbedarfs-Anschlüsse der Kraftwerksblöcke beschrieben werden können.

    Für die Versorgung des Lastflusses im dynamischen Modell muß die Insel- und Knotennummer der Anschlußpunkte aller synchronisierten Kraftwerksblöcke und externen Einspeisungen bekannt sein. Diese topologische Zuordnung der Blöcke zum Netz wird von der Topologieauswertung (vgl. 7.1) ermittelt und an das dynamische Modell übertragen.

    5.3.3. Realisierung

    Es werden drei neue Spezies eingeführt, die den oben definierten Eigenschaften des E-Verweises genügen:

  • KWESP/E('''L''N): Kraftwerkseinspeisung

  • KWEB/E('''L''N): Anfahreigenbedarfs-Anschluß

  • EXESP/E('''L''N'P): externe Einspeisung

    Bei Anwendung werden diese Spezies an der Anschlußstelle der Einspeisung bzw. des Anfahrtransformators in die Syntax der Netzbeschreibung eingebunden. Lokal-, Numeral- und gegebenenfalls Partialname sind mit der Alphabezeichnung des Kraftwerks und des Blockes bzw. des Fremdnetzes, der Spannungsebene und der Gegenstation gefüllt. Über die Identität des zwei- bzw. dreistufigen Deskriptors im Verweis mit der Lokation der Kraftwerksbeschreibung ist der wechselseitige Bezug hergestellt.

    Aus Redundanzgründen ist es möglich, daß mehrere Eigenbedarfsanschlüsse zum Außennetz bestehen. Es wird daher - abweichend von der Verwendung der Einspeiseverweise - zugelassen, mehrere potentielle Anschlußpunkte für einen Block zu markieren, indem die Spezies KWESP/E mit Verweis auf denselben Block mehrfach in der Netzbeschreibung aufgeführt werden darf.

    Die Datenhaltung des dynamischen Modells verlangt nach wie vor eine dichte Numerierung der Einheiten. Dazu wird in der Beschreibung der herstellerspezifischen Kraftwerksdaten die Spezies VERW durch die Spezies IDENT ersetzt, die die auf Modellebene notwendige Kennzeichnung des Kraftwerkstyps und eine Nummer enthält. Diese Nummer wird allerdings nicht mehr vom Beschreiber, sondern automatisch von der in der Initialisierungsphase ablaufenden Kraftwerksaufbereitung durchgeführt, so daß eine fehlerhafte Numerierung ausgeschlossen ist.

    In der Beschreibung der variablen Kraftwerksdaten wird die Spezies VERW ersatzlos gestrichen; die Zuordnung der variablen zu den festen Kraftwerksdaten erfolgt ausschließlich über den Namen, indem in beiden Beschreibungen identische Lokal- und Numeral-, bei externen Einspeisungen auch Partialnamen verwendet werden.

    Für die Verwendung des Eigenbedarfanschlusses unter Beachtung einer gegebenenfalls vorhandenen bzw. genutzten Schwarzstarteinrichtung wurden folgende Regeln aufgestellt und das Verhalten des Modells entsprechend angepaßt:

  • Ist ein Kraftwerk synchronisiert, so wird der Eigenbedarf direkt am Generator entnommen (Blockbetrieb).

  • Wird ein Kraftwerk über den Anfahrtransformator gestartet, so wird der Eigenbedarf bis zum Synchronisationszeitpunkt an dieser Stelle aus dem Netz entnommen.

  • Wird ein Kraftwerk mit Hilfe einer Schwarzstarteinrichtung angefahren, so wird bei Versorgung eines Eigenbedarfsanschlusses nicht auf die Außenversorgung umgeschaltet, sondern der Anfahrvorgang mit Hilfe der Schwarzstarteinrichtung beendet.

  • Bei Verlust der äußeren Eigenbedarfsversorgung während des Anfahrvorgangs wird bei Blöcken, die ohne Schwarzstarteinrichtung angefahren werden, der Anfahrvorgang abgebrochen.

  • Sind mehrere Eigenbedarfsanschlüsse eines Kraftwerksblocks mit dem Netz verbunden, wird derjenige zur Versorgung des Eigenbedarfs benutzt, der als erstes in der Netzbeschreibung aufgefunden wurde.

    Die Behandlung der E-Verweise in der Topologieauswertung wird in Abschnitt 7.1 näher geschildert.

    5.4. Synchronisierender Leistungsschalter

    5.4.1. Problemstellung

    Jeder Kraftwerksblock besitzt einen synchronisierenden Leistungsschalter, der in der Netzbeschreibung erscheint und demzufolge im Anlagenbild angezeigt wird. Dieser Schalter wird aber nicht vom Leitstellenpersonal, sondern vom Synchronisiergerät des Kraftwerksblocks betätigt. Dieser Automatismus war in der Prototypversion nicht implementiert, so daß der synchronisierende Schalter realitätsabweichend „von der Leitstelle aus" betätigt werden mußte.

    5.4.2. Lösungskonzept

    Die Einschaltung des synchronisierenden Leistungsschalters soll in den Synchronisiermechanismus des Kraftwerksmodells aufgenommen werden. Dazu muß im Kraftwerksmodell ein Ereigniselement „synchronisierender Schalter ist eingeschaltet worden" erzeugt und an die Ereignisverarbeitung abgegeben werden. Ist in der Schaltanlage, in die der Kraftwerksblock einspeist, eine Umgehungssammelschiene vorhanden, kann es erforderlich sein, den Generator nicht mit dem Leistungsschalter im Anschlußfeld, sondern statt dessen - bei geeigneter Trennerstellung - mit dem Leistungsschalter des Kuppelfeldes zuzuschalten. Um auch diesen Fall behandeln zu können, muß durch eine topologische Suche entschieden werden, welcher der potentiell verfügbaren Schalter aktuell zu betätigen ist.

    5.4.3. Realisierung

    Zur Markierung eines synchronisierenden Leistungsschalters wird eine neue relative Spezies *SYN definiert. Diese relative Spezies wird in der Netzbeschreibung allen Schaltgeräten zugefügt, die potentiell für die Synchronisierung des Kraftwerksblocks infrage kommen. Die Ermittlung des aktuell zu verwendenden Schalters erfolgt mit Hilfe eines Suchalgorithmus in der Topologieauswertung, indem vom Kraftwerksanschluß aus der nächste Schalter mit der entsprechenden Markierung *SYN gesucht wird. Solange eine topologische Verbindung besteht, wird der Deskriptor des Schalters von der Topologieauswertung dem Kraftwerksmodell mitgeteilt und hier bei einer Synchronisierung zur Formulierung des Ereigniselements benutzt, das die Stellungsänderung des synchronisierenden Leistungsschalters beschreibt.

    Für den Simulator wird vereinfachend angenommen, daß dieser Schalter bei Schutzauslösungen seitens des Kraftwerks (vgl. Abschnitt 6.3) auch zur Trennung des Blocks vom Netz verwendet wird. Synchronisierende Leistungsschalter von Externnetzeinspeisungen werden analog behandelt.

    5.5. Parametrierhilfe für die Kraftwerksmodelle

    5.5.1 Problemstellung

    Durch die Arbeiten [DIC-86] und [ADE-92] wurde ein umfangreiches Kraftwerksmodell geschaffen, das für die Typen „konventionelles Dampfkraftwerk (DKW)" und „Kernkraftwerke mit Druckwasserreaktor (DWR)" über ein einfaches lineares Gradientenmodell hinaus geht. In diesen Modellen werden die Turbine mit ihrem thermischen Verhalten, die Turbinendrossel, ein evtl. vorhandener Bypass und der Dampferzeuger modelliert. Das Verhalten der übrigen Kraftwerkstypen „Wasserkraftwerke" (WKW), „Gasturbinen" (GT) und „Kernkraftwerke mit Siedewasserreaktor" (SWR) wird mit Hilfe von Gradientenmodellen nachgebildet.

    Für die Parametrierung dieser Modelle ist ein umfangreicher Datensatz erforderlich. Die Anzahl der Parameter ist aus Tabelle 5.1 ersichtlich.

    TypDKWWKWGTDWRSWR
    Datenpunkte5120284833

    Tabelle 5.1.: Anzahl Parameter in den Kraftwerksmodellen

    Innerhalb dieser Datenmengen bestehen unterschiedlich stark korrelierte Abhängigkeiten. Ein Teil der Daten ist für das generelle Verhalten eines Kraftwerksblocks im Simulator relativ unkritisch; andere Daten hingegen sind unter Beachtung bestimmter innerer Abhängigkeiten zu erfassen, da ansonsten das Kraftwerksmodell ein nicht der Realität entsprechendes Verhalten zeigt. Beispiel für eine starke Abhängigkeit der Werte sind die Angaben für Frischdampfdruck, Frischdampftemperatur, Nennmassendampfstrom und Nennwirkleistung.

    Die Erfahrungen im Einsatz der Kraftwerksmodelle haben gezeigt, daß die Beschaffung der Daten langwierig ist. Da teilweise Herstellerdaten benötigt werden, können sie nicht ohne weiteres vom Personal in der Kraftwerksleitstelle beschrieben werden, sondern erfordern Rückfragen beim Kraftwerkspersonal, das die erforderlichen Daten aus den Herstellerunterlagen entnehmen muß; führt dies nicht zum Erfolg, muß sogar beim Hersteller des Kraftwerks nachgefragt werden.

    Alternativ dazu können Daten durch den Beschreiber abgeschätzt werden. Ist diese Abschätzung aber unzureichend, ist der Sinn eines Trainings stark in Frage gestellt, da in vielen Szenarien die Leistungsbereitstellung in den Kraftwerken die begrenzende Größe darstellt und somit hoher Wert auf die korrekte Darstellung des Kraftwerksverhaltens gelegt werden muß.

    5.5.2. Lösungskonzept

    Um die Parametrierung der Kraftwerksmodelle zu erleichtern, sollte ein Programm vorhanden sein, das es ermöglicht, mit der Kenntnis nur weniger charakteristischer Werte und möglicher Fahrweisen einen Datensatz zu erzeugen, der zu einem stabilen und plausiblen Verhalten der Kraftwerksblöcke führt.

    Die für eine solche Abschätzung notwendigen Parameter sollten vom Programm in einem Dialog vom Beschreiber abgefragt werden. Als Ausgabe des Programms erscheint es sinnvoll, eine GDL-Beschreibung des entsprechenden Kraftwerksblocks zu erzeugen, die dann vom Bediener kontrolliert und gegebenenfalls korrigiert werden kann.

    5.5.3. Realisierung

    Es wurde ein Programm entwickelt, das vom Benutzer nur den Namen des Kraftwerksblocks und wenige charakteristische Größen abfragt. Aus der Tabelle 5.2 wird ersichtlich, welche Eingangsdaten für welchen Kraftwerkstyp erforderlich sind.

    DKWWKWGTDWRSWR
    Name des Kraftwerksxxxxx
    Name des Blocksxxxxx
    Brutto-Nennwirkleistungxxxxx
    Schwarzstartfähig?xxxxxx--
    Gleitdruck möglich?xx----
    Störfallregelung möglich?xx--xxxx
    Festdruck-/Gleitdruckumschaltung möglich?xxx----
    verwendeter Brennstoffxx----
    Zeichenerklärung
    -: Eingabe nicht erforderlich
    x: Eingabe immer erforderlich
    xx: Eingabe erforderlich, wenn nicht Default-Einstellungen verwendet werden
    xxx: Eingabe erforderlich, wenn Gleitdruckfahrweise möglich

    Tabelle 5.2.: Eingabedaten für die Kraftwerksparametrierung
    Liegen nur minimale Informationen vor, können die sogenannten Default-Einstellungen verwendet werden. Dabei wird dann die Eingabe der in der Tabelle 5.2 mit „xx" markierten Einträge durch folgende Annahmen ersetzt:

  • konventionelle Dampfkraftwerke sowie Kernkraftwerke besitzen die Störfallregelung,

  • konventionelle Dampfkraftwerke haben außerdem die Möglichkeit der Gleitdruck-Festdruck-Umschaltung und werden mit Steinkohle befeuert, und

  • Gasturbinenkraftwerke und Wasserkraftwerke sind schwarzstartfähig

    Der dann benötigte Datenumfang betrifft nur noch den Namen des Blocks sowie dessen Nennwirkleistung. Allerdings soll an dieser Stelle darauf hingewiesen werden, daß diese Abschätzung gegebenenfalls zu Leistungsänderungsgeschwindigkeiten führt, die in Realität - wegen z.B. nicht vorhandener Störfallregelung - nicht erreicht werden können.

    Der vollständige Parametersatz eines Kraftwerksblocks enthält teilweise Werte, die von der Nennleistung unabhängig sind, wie z.B. die Zeitkonstanten für die Erwärmung der Turbinenbauteile oder die zulässigen Temperaturdifferenzen zwischen Turbinenbauteilen und Frischdampf. Andere Parameter weisen eine lineare Abhängigkeit mit der Nennleistung auf, wie beispielsweise die Eckpunkte des Generatorleistungsdiagramms. Gegebenenfalls werden die linear umgerechneten Werte auf maximale oder minimale Größen reduziert, wie es für den Frischdampfdruck erforderlich ist.

    Die Default-Werte wurden aus im Fachgebiet vorhandenen Kraftwerksdaten ermittelt. Sie sind in INCLUDE-Dateien hinterlegt. Im Anhang B sind die zur Zeit verwendeten Werte aufgelistet. Sollten sich in der Zukunft aufgrund weiterer realer, nicht abgeschätzter Datensätze oder neueren Entwicklungen in der Kraftwerkstechnik zeigen, daß die Defaults nicht mehr korrekt sind, so müssen nur die entsprechenden PARAMETER-Einträge geändert und das Programm neu übersetzt werden.

    Das Kraftwerks-Parametrierungsprogramm erzeugt zwei Dateien, die den GDL-Quellcode für die Beschreibung der Kraftwerksdaten enthalten. Der Inhalt dieser Dateien kann in eine möglicherweise bereits existierende GDL-Kraftwerksbeschreibung übernommen werden. Anschließend wird dieser Quellcode auf dem üblichen Weg in die Datenbank eingebracht.

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