Der deutsche Afrikaforscher Heinrich Barth : Herkunft, Sozialisation und Mentalität als prägende Faktoren für die Wahrnehmung vorkolonialer Städte und Urbanität in Westafrika
Die vorliegende Dissertation fokussiert auf den Afrikaforscher Heinrich Barth (1821-1865), der zwischen 1849 und 1855 in das Innere Afrikas reiste und sich mit seiner Wahrnehmung und Beschreibung insbesondere der von ihm besuchten Städte von zeitgenössischen europäischen Vorstellungen über Afrika löste. Sein Bericht Reisen und Entdeckungen in Nord- und Zentralafrika in den Jahren 1849-1855 wurde als Narrativ der Untersuchung gewählt, da dieser detaillierte und bisher noch nicht ausgewertete Darstellungen vorkolonialer (west-)afrikanischer Städte enthält. Die Berichte anderer Afrikareisender wie u.a. Gustav Nachtigal, die dieselbe Region, aber zu unterschiedlichen Zeitpunkten besucht haben, wurden einbezogen, um Barths Stadtwahrnehmungen vergleichen und reflektieren zu können. Die vorliegende Dissertation setzt an den prägenden Faktoren Herkunft, Sozialisation und Mentalität an, um zu erklären, wie biographische Besonderheiten die Stadtwahrnehmungen der Afrikareisenden beeinflusst haben. Barth, promovierter Althistoriker und habilitierter Geograph, begann seine Reise 1849 in Tripolis (im heutigen Libyen) und gelangte über Agadez (Niger) und Kano (Nordnigeria) in die sagenumwobene Stadt Timbuktu (Mali). Vorliegende Untersuchung liest aus den Quellen heraus, wie er und weitere europäische Reisende vorkoloniale westafrikanische Städte wahrnahmen und ob sie jene mit europäischen verglichen. Barth hob sich von anderen Afrikareisenden seiner Zeit vor allem durch seinen Anspruch ab, ein möglichst genaues Bild des afrikanischen Kontinents und seiner Bewohner zu zeichnen. Hierzu tauchte er als teilnehmender Beobachter in die ihn umgebende spezifische Lebenswelt ein und suchte vor allem Kontakt zu Einheimischen, um die Städte, die er besuchte, und ihre jeweiligen Strukturen von innen heraus zu verstehen. Dies gelang ihm, dem Hamburger Kaufmannssohn, vor allem auf den Märkten, die er als Kontaktzone wahrnahm, da er aufgrund seiner Sprachfertigkeiten (er sprach u.a. Arabisch) mit Einheimischen ins Gespräch kommen konnte. Barth sah hier auch, wie vorkoloniale westafrikanische Städte als Handelsknotenpunkte des weitreichenden Transsaharahandels Europa und Afrika verbanden, da europäische Waren (wie Messerklingen aus Solingen und Stoffe aus Manchester) auf den Märkten Westafrikas angeboten wurden. Die quellenbasierte Arbeit zeigt auf, wie weit Heinrich Barth darüber hinaus ging, in dem er nicht nur Parallelen und Verbindungen zu europäischen Städten offenlegte, sondern durch seine wissenschaftliche Expertise auch in der Lage war, Stadtentstehung und -entwicklung nachzuvollziehen und zu historisieren.
This dissertation focuses on the African explorer Heinrich Barth (1821-1865), who traveled into the interior of Africa between 1849 and 1855 and, in particular, broke away from contemporary European ideas about Africa with his perception and description of the cities he visited. His report “Travels and Discoveries in North and Central Africa in the years 1849-1855” was chosen as the narrative of the study because it contains detailed and previously unevaluated descriptions of pre-colonial (West) African cities. The reports of other African travelers, such as Gustav Nachtigal, who visited the same region but at different times, were included in order to be able to compare and reflect on Barth's perception of cities. This dissertation focuses on the formative factors of origin, socialization and mentality in order to explain how biographical peculiarities influenced the African travelers' perception of cities. Barth, who holds a doctorate in Ancient History and a postdoctoral degree in Geography, began his journey in 1849 in Tripoli (in present-day Libya) and travelled via Agadez (Niger) and Kano (northern Nigeria) to the legendary city of Timbuktu (Mali). This study reads from the sources how he and other European travelers perceived pre-colonial West African cities and whether they compared them with European ones. Barth stood out from other African travelers of his time above all through his desire to paint as accurate a picture of the African continent and its inhabitants as possible. In order to do this, he immersed himself as a participant observer in the specific world around him and sought contact with locals in particular in order to understand the cities he visited and their respective structures from the inside. He, the son of a Hamburg merchant, succeeded in doing this primarily in the markets, which he perceived as a contact zone, as his language skills (he spoke Arabic, among other languages) enabled him to engage in conversation with locals. Barth also saw how pre-colonial West African cities connected Europe and Africa as trading hubs of the far-reaching trans-Saharan trade, as European goods (such as knife blades from Solingen and fabrics from Manchester) were offered on the markets of West Africa. The source-based work shows how far Heinrich Barth went beyond this, not only by revealing parallels and connections to European cities, but also by using his scientific expertise to understand and historicize the formation and development of cities.