Pränatale Sonografie im Lehrbuch : eine Geschichte des Ultraschalls im deutschsprachigen Raum

Mit der vorgelegten Arbeit wird erstmals ein Einblick in die Etablierung und Entwicklung der pränatalen Sonografie als Lehrbuchinhalt gegeben. Methodischer Hintergrund ist die Wissenschaftstheorie von Ludwik Fleck, nach der Lehrbücher anerkanntes Wissen widerspiegeln und allgemeine Fachleute die typischen Autoren von Lehrbüchern sind.

Hauptquellen sind deutschsprachige Lehrbücher der Jahre 1970 bis 1995. Zusätzlich werden Staatsexamensfragen und Gegenstandskataloge ausgewertet und so Licht auf das Wechselspiel geworfen, in dem das „Absolventenwissen“ entstand. Anhand zweier Problemfelder (vorgeburtliche Entwicklung des Kindes und Anatomie des mütterlichen Beckens) wird gefragt, wie schnell die Sonografie in die Lehrbücher übernommen wurde, welche Techniken Anknüpfungspunkte waren, welche verdrängt und welche erhalten blieben, welche Rolle Normierungs-, Normalisierungs-, und Standardisierungsprozesse in den Lehrbüchern sowie damals ausgewählte, gesellschaftlich breit diskutierte Fragen spielten und welche Sozialstruktur das Kollektiv der Autoren besaß.

Die pränatale Sonografie wurde etwa 20 Jahre nach den ersten wissenschaftlichen Publikationen zum B-Bild zum Lehrgegenstand (A- und B-Bild). Normierungs-, Normalisierungs- und Standardisierungsprozesse werden auf verschiedenen Ebenen sichtbar, z.B. im Vergleich der Visualisierungen und der „Erklärungstiefe“. Hauptanknüpfungspunkte waren die Röntgendiagnostik und die bereits etablierten Messstrecken am Becken. Früh verdrängt wurde der Beckenzirkel, die Bedeutung der Auskultation verschob sich allmählich, die Röntgendiagnostik zog sich auf wenige Indikationen zurück. In den Verdrängungsprozessen entfielen oft erst die Visualisierungen und dann die Texte. Bei den Techniken, die erhalten blieben (z.B. Leopold-Handgriffe und die Betrachtung der Michaelisraute), wird eine zunehmende didaktische Standardisierung sichtbar. Die gesellschaftlich-ethischen Fragestellungen wurden nicht aufgegriffen.

Im Vergleich mit anderen medizinischen Techniken verlief die Übernahme in die Lehrbücher ähnlich. Bisher nicht erkannt wurde die stufenweise „Mechanik“ der Verdrängungsprozesse. Flecks These, dass Lehrbücher von „allgemeinen Fachleuten“ verfasst wurden, wird durch die Sozialstruktur des Autorenkollektivs grundsätzlich bestätigt, seine These des „anerkannten Wissens“ wird insofern relativiert, als dass spezielle Lehrbuchinhalte nur in einzelnen Lehrbüchern eine Rolle spielten.

The presented work gives an insight into the establishment and development of prenatal sonography as textbook content for the first time. The methodological background is Ludwik Fleck's theory of science, according to which textbooks, on the one hand, reflect accepted knowledge and, on the other hand, were typically written by general experts.

The main sources are German textbooks of the years 1970 to 1995. In addition, state examination questions and subject catalogues are evaluated, shedding light on the interplay in which "graduate knowledge" emerged. On the basis of two problem areas (prenatal development of the child and anatomy of the maternal pelvis) the questions are asked how quickly sonography was adopted in the textbooks; which techniques were connecting points for the new ultrasonography, which were suppressed and which were retained; which role norming (i.e. construction of the normal and the pathological), normalization- (i.e. construction of self-evidence) and standardization-processes played in the textbooks; which role selected, socially widely discussed questions played and which social structure the collective of authors possessed.

Prenatal sonography became a subject of teaching about 20 years after the first scientific publications on B-scan (A-scan and B-scan). Norming, normalization- and standardization-processes are visible on different levels, e.g. in the comparison of visualizations, as well as in the "depth of explanation". Main connecting points were X-ray diagnostics and the already established measurement sections on the pelvis. The pelvic circle was displaced early, the importance of auscultation gradually shifted, and X-ray diagnostics retreated to a few indications. In the process of displacement, visualizations were often eliminated first, followed by the texts. The techniques that remained (e.g. Leopold’s maneuvers and the examination of the rhombus of Michaelis) show an increasing didactic standardization. The social-ethical questions were not considered.

In comparison with other medical techniques, the adoption into textbooks was similar. So far, the gradual "mechanics" of the displacement processes have not been recognized. Fleck's thesis that textbooks were written by "general experts" is fundamentally confirmed by the social structure of the authors' collective; his thesis of "accepted knowledge" is relativized by the fact that special textbook content played a role in only individual textbooks.

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