Digitale Biosignalanalyse zur Funktionalisierung von Möbeln im Klinik- und Pflegeumfeld
Prognosen für die Bevölkerungsentwicklung zeigen seit vielen Jahren auf, dass zukünftig die Anzahl der Einwohner in vielen Industrieländern abnehmen wird und sich die Überalterung der Gesellschaft verstärken wird. So werden im Jahr 2060 6,2 Millionen Pflegebedürftige und 76,1 Millionen Einwohner in Deutschland erwartet. Zum Vergleich waren es 2020 4,6 Millionen Pflegebedürftige bei 83,2 Millionen Einwohnern.
Durch diese potentiellen Veränderungen wird es zu neuen Anforderungen im Pflege- und Gesundheitssektor kommen. Zum einen muss weiterhin eine Versorgung der Pflegebedürftigen gewährleistet werden, zum anderen muss der zu erwartende Personalmangel bedingt durch die abnehmende Einwohnerzahl aufgefangen werden. Ein möglicher Lösungsansatz besteht darin, einerseits Patienten und Pflegende durch zusätzliche technische Hilfsmittel zu unterstützen, andererseits bereits frühzeitig auf Verschlechterungen des Patientenzustands zu reagieren und entsprechende Gegenmaßnahmen einzuleiten. Hierzu bietet sich der Einsatz präparationsfreier Messsysteme zur Unterstützung der Patienten an.
Diese Systeme sind in die Alltagsumgebung integriert und ermöglichen ein Langzeitmonitoring, ohne dass der Patient mit Messelektroden und anderen Modulen ausgestattet werden muss. Im Rahmen der vorliegenden Arbeit wird hierzu ein präparationsfreies Messsystem basierend auf einem Pflegebett vorgestellt. Durch im Bett integrierte Kraftmesszellen und einer Auswerteelektronik werden Auflagemassen und Massenveränderungen über die Zeit erfasst. Die Auswertung der Signale ermöglicht neben der Bestimmung von Basisparametern wie Gewicht, Schwerpunktlage und Bettbelegung auch die Ableitung von Indikatoren für unruhiges Verhalten sowie für eine potentielle Sturzgefahr. Weiterhin werden Verfahren zur Ableitung von Herz- und Atemaktivität des Menschen in dem Pflegebett und zur Bewegungserkennung präsentiert. Der Fokus der Arbeit liegt auf der Unterstützung der Entwicklung von präparationsfreien Monitoringsystemen durch Modellbildung und Simulation. Hierzu wird ein neuer Modellbildungsansatz für ein präparationsfreies Messsystem auf Basis eines funktionalisierten Pflegebetts vorgestellt. Das entwickelte Gesamtmodell ist in drei Untergruppen unterteilt, um den Menschen, das Möbel und die Sensorik zu modellieren. Durch diese Unterteilung werden sowohl die Simulationen des Gesamtsystems, als auch Simulationen basierend auf einzelnen Modellteilen ermöglicht. Neben der Entwicklung des mehrstufigen Modells werden Erweiterungsmöglichkeiten des Modells sowie die Validierung des Gesamtmodells dargestellt und diskutiert.
Die Validierung des Modells zeigt eine universelle Eignung des mehrstufigen Modells zur Simulation von funktionalisierten Pflegebetten. Im Rahmen der Validierung wurden zwei Testsets eingesetzt, einmal basierend auf Daten des eigenen Pflegebetts und einmal basierend auf Daten einer externen Datenbank eines weiteren funktionalisierten Pflegebetts, die nicht im Rahmen der Modellbildung zu Rate gezogen wurden. Aus den Ergebnissen der Validierung lässt sich ableiten, dass mittels des Modells verschiedene Personen in einem Pflegebett mit unterschiedlichen physiologischen Attributen aus beiden Testsets mit einer hohen Übereinstimmung von simulierten und realen Daten simuliert werden können, ohne dass das Modell auf die jeweilige Testperson angepasst werden muss. Weiterhin wird deutlich, dass eine Anpassung des Modells an fremde Datensätze und Systeme möglich ist und dass anhand des Modells verschiedene Körperlagen und Bewegungen simuliert werden können. Diese lassen sich z.B. in Erkennungsexperimenten verwenden oder für die Erstellung von Datenbanken aus simulierten Daten und tragen dazu bei, die Datenlage bei der Entwicklung und dem Test von Verfahren in der Biosignalverarbeitung zu verbessern.
For many years, forecasts for population development have indicated that the number of inhabitants in many industrialized countries will decline in the future and that the aging of society will increase. Thus, 6.2 million people in need of care and 76.1 million inhabitants are expected in Germany in 2060. By comparison, in 2020 there were 4.6 million people in need of care with 83.2 million inhabitants.
These potential changes will result in new requirements in the healthcare sector. On the one hand, care must continue to be provided for those in need of care, and on the other hand, the expected shortage of personnel due to the declining population must be absorbed. One possible solution is to support patients and caregivers with additional technical aids on the one hand, and to react to deteriorations in the patient's condition at an early stage and initiate appropriate countermeasures on the other. For this purpose, the use of preparation-free measuring systems to support patients is a suitable approach.
These systems are integrated into the everyday environment and enable long-term monitoring without the patient having to be equipped with measuring electrodes and other modules. In the context of the present work, a preparation-free measurement system based on a nursing bed is presented for this purpose. By means of load cells integrated in the bed and evaluation electronics, support masses and mass changes are recorded over time. The evaluation of the signals allows not only the determination of basic parameters such as weight, center of gravity position and bed occupancy, but also the derivation of indicators for restless behavior as well as for a potential risk of falling. Furthermore, methods for deriving cardiac and respiratory activity of the person in the nursing bed and for motion classification are presented. The focus of the work is on supporting the development of preparation-free monitoring systems by modeling and simulation. For this purpose, a new model building approach for a preparation-free monitoring system based on a functionalized nursing bed is presented. The developed overall model is divided into three subgroups to model the human, the furniture and the sensor system. This subdivision enables simulations of the overall system as well as simulations based on individual model parts. In addition to the development of the multistage model, possible extensions of the model as well as the validation of the overall model are presented and discussed.
The validation of the model shows a universal suitability of the multistage model for the simulation of functionalized nursing beds. Two test sets were used in the validation, one based on data from an own nursing bed and one based on data from an external database of another functionalized nursing bed, which was not consulted in the model building process. From the results of the validation it can be deduced that by means of the model different persons in a nursing bed with different physiological attributes from both test sets can be simulated with a high agreement of simulated and real data without having to adapt the model to the respective test person. Furthermore, an adaptation of the model to foreign data sets and systems is possible and different body positions and movements can be simulated using the model. These can be used, for example, in recognition experiments or for the creation of databases from simulated data and help to improve the data situation in the development and testing of methods in biosignal processing.