Vergleich zweier Kollektive von Mann zu Frau Transidenten aus unterschiedlichen Zeiträumen im Hinblick auf soziodemographische Daten, Ergebnisse der Geschlechtsangleichung und Zufriedenheit
Einleitung: Der für transidente Menschen zu durchlaufende Prozess, um dem Wunschgeschlecht angeglichen zu werden, wurde in den letzten 10 Jahren zunehmend besser strukturiert. Auch hat die Präsenz der Themen Gender/ Transidentität in den Medien deutlich zugenommen. Vor diesem Hintergrund stellten wir uns die Frage, ob diese Entwicklung einen Einfluss auf die Altersverteilung, soziodemographischen Daten, das Ergebnis der Operation und die Zufriedenheit der Patientinnen hat, die sich einer geschlechtsangleichenden Operation von Mann zu Frau in den Kliniken Essen Mitte unterzogen haben.
Patienten und Methodik: Es wurden zwei Kollektive von Patientinnen, die sich in Essen einer geschlechtsangleichenden Operation von Mann zu Frau unterzogen hatten, aus zwei verschiedenen Zeiträumen (1997- 2003, n= 106; 2015- 2018, n= 185) miteinander verglichen. Das erste Kollektiv war bereits Gegenstand einer Auswertung von Löwenberg et. al, 2011. Um eine Vergleichbarkeit zwischen dem jetzigen Kollektiv und den Daten aus 2011 herzustellen, wurde den Patientinnen aus dem jetzigen Kollektiv der gleiche Fragebogen wie 2011 mit einigen Ergänzungen zugeschickt. Die Hypothese war, dass sich die Anzahl der Patientinnen deutlich erhöht hat und sich die Altersverteilung im Laufe der Zeit deutlich verändert haben muss. Wenn bestätigt, folgten daraus weitere Fragestellungen zu soziodemographischen Daten, dem Einfluss auf die Komplikationen nach der Operation, die
Zufriedenheit mit der Operation und dem Leben allgemein. Des Weiteren untersuchten wir Ursachen für diese Veränderungen, welche wir im sozialen Umfeld vermuteten.
Ergebnisse: Die Anzahl der Patientinnen, die sich in Essen einer geschlechtsangleichenden Operation unterzogen haben, hat sich innerhalb der letzten 18 Jahre mehr als verdreifacht. Im Zeitraum von 1997- 2003 unterzogen sich in Essen 106 transidente Patientinnen einer geschlechtsangleichenden Operation, auf das Jahr gerechnet wurden in dieser Zeit demnach 17,7 Patientinnen operiert. Im Zeitraum von 2015- 2018 waren es 185 Patientinnen, im Jahr durchschnittlich 61,7 Patientinnen. Das Operationsalter ist hingegen gesunken. Der Altersmedian, der 1997- 2003 bei 37,5 Jahren lag, lag in der aktuellen Auswertung etwa vergleichbar bei 36 Jahren, es gibt jedoch einen deutlichen Zuwachs von Patientinnen in der Altersklasse unter 30 Jahren von 18,9% hin zu 37,6%. Dies ist ebenso bei Patientinnen in der Altersklasse der über 50-Jährigen der Fall. Im Zeitraum von 1997- 2003 lag der Anteil bei
4,8% und von 2015- 2018 bei 24,9%. Knapp 60% der Patientinnen erhielten Unterstützung durch die Familie. Mit Betrachtung in den drei Altersklassen (jünger als 30, 30-49, ab 50) zeigt sich, dass die Patientinnen, die jünger als 30 Jahre sind, signifikant häufiger unterstützt wurden. Von den 42 Patientinnen mit Partner/ Partnerin erhielten insgesamt 76,2% Unterstützung. Auch hier zeigte sich in den Altersklassen, dass die jüngeren Patientinnen signifikant häufiger unterstützt wurden.
In Bezug auf den Schulabschluss und die berufliche Qualifikation zeigte sich kein signifikanter Unterschied in den Kollektiven. In beiden Studien von 2011 sowie 2022 hatten die meisten Patientinnen den höchsten Schulabschluss erreicht (2011, 42%; 2022, 48,8%). Ohne Abschluss waren die wenigsten Patientinnen in beiden Untersuchungen (2011, 6%; 2022, 2,4%). Der Anteil der Arbeitslosen ist jedoch von 27% auf 10,7% gesunken, damit ist anzunehmen, dass es den Patientinnen leichter fällt, trotz ihrer Transition einen Arbeitsplatz zu finden. In Bezug auf die Komplikationsrate im Zusammenhang mit der Geschlechtsangleichung ergab sich zwischen den Kollektiven kein signifikanter Unterschied. Auch bezogen auf die Altersklassen zeigte sich kein Unterschied. Die Zufriedenheit mit dem Operationsergebnis und der Sexualität nach der Operation unterschied sich in den Kollektiven nicht signifikant, beides steht in Zusammenhang mit dem Schweregrad der Komplikationen nach der Operation. Die Zufriedenheit mit der allgemeinen Lebenssituation nach der Operation ist von 70% auf 90% angestiegen, dies in allen Altersklassen.
Schlussfolgerung: Die Anzahl der Patientinnen, die sich einer geschlechtsangleichenden Operation unterziehen, ist stark angestiegen und die Patientinnen werden in der Tendenz jünger, wenn sie sich operieren lassen. Bei gleichbleibender Qualität der Operation sowie Komplikationsrate gehen wir davon aus, dass dieser Anstieg unter anderem mit der zunehmenden Akzeptanz durch die Gesellschaft und auch der Unterstützung im sozialen Umfeld zusammenhängt. Außerdem wird inzwischen eine umfangreichere und spezifischere Betreuung auf medizinischer und psychologischer Ebene angeboten. Dass die Patientinnen häufiger jünger sind als noch vor 15 Jahren, macht jedoch in Bezug auf die Komplikationen in Art und Schweregrad keinen Unterschied. Es wirkt sich auch nicht wesentlich auf die Lebenszufriedenheit der Patientinnen aus.
Abstract
Introduction: The process that transgender people have to go through in order to be assimilated to the desired gender has been increasingly structured in the last 10 years. The presence of gender/ trans identity issues in the media has also increased significantly. Against this background, we ask ourselves whether this development has an impact on the age distribution, sociodemographic data, the outcome of the operation and the satisfaction of patients who have undergone sex reassignment surgery from man to femal in Essen Mitte.
Patients and Method: Two collectives of female patients who had undergone male-to-female gender reassignment surgery in Essen from two different time periods (1997- 2003, n= 106; 2015- 2018, n= 185) were compared. The first collective was already the subject of an evaluation by Löwenberg et. al, 2011. In order to establish comparability between the present collective and the data from 2011, patients from the present collective were sent the same questionnaire as in 2011 with some additions. The hypothesis was that the number of female patients had increased significantly and that the age distribution must have changed significantly over time. If confirmed, this was followed by further questions on sociodemographic data, the influence on complications after surgery, the Satisfaction with surgery and life in general. Furthermore, we investigated causes for these changes, which we suspected in the social environment.
Results: The number of patients who have undergone gender reassignment surgery in Essen has more than tripled within the last 18 years. In the period 1997-2003, 106 transgender patients underwent gender reassignment surgery in Essen, which means that 17.7 patients were operated on per year during this period. In the period from 2015- 2018, there were 185 female patients, an average of 61.7 patients per year. The age at surgery, on the other hand, has decreased. The median age, which was 37.5 years in 1997-2003, was about 36 years in the current evaluation, but there is a significant increase in patients in the age group below 30 years from 18.9% to 37.6%. This is also the case for patients in the age group over 50 years. In the period from 1997- 2003 the percentage was 4.8% and from 2015- 2018 it was 24.9%. Nearly 60% of female patients received support from family. With consideration in the three age groups (younger than 30, 30-49, 50+), it can be seen that female patients younger than 30 years were significantly more often supported. Of the 42 female patients with partners, a total of 76.2% received support. Again, the age groups showed that the younger female patients were supported significantly more often. With regard to school-leaving qualifications and professional qualifications, there was no significant difference between the groups. In both studies from 2011 as well as 2022, most female patients had attained the highest level of schooling (2011, 42%; 2022, 48.8%). The fewest female patients in both studies were without a degree (2011, 6%; 2022, 2.4%). However, the percentage of unemployed decreased from 27% to 10.7%, thus it can be assumed that patients find it easier to find a job despite their transition. In terms of the complication rate related to gender reassignment, there was no significant difference between the collectives. There was also no difference in terms of age groups. Satisfaction with surgical outcome and sexuality after surgery did not differ significantly among the collectives, both of which were related to the severity of complications after surgery. Satisfaction with the general life situation after surgery increased from 70% to 90%, this in all age groups.
Conclusion: The number of patients undergoing gender reassignment surgery has risen sharply and patients tend to be younger when they undergo surgery. While the quality of the surgery as well as the rate of complications remain the same, we assume that this increase is related, among other things, to the increasing acceptance by society and also the support in the social environment. In addition, more comprehensive and specific care is now offered on a medical and psychological level. However, the fact that patients are more often younger than they were 15 years ago makes no difference in terms of the type and severity of complications. It also does not have a significant effect on the patients' life satisfaction.