Marginalisation and fragmentation of collective bargaining in Chile. Impacts on workers' power resources and income distribution

This thesis examines the fragmentation and marginalisation of collective bargaining in Chile after the Pinochet dictatorship and its impact on political power relations and income distribution. Fragmentation and marginalisation refer to the situation where that only a few workers are covered by a multitude of uncoordinated collective agreements, since negotiation of industry-level agreements is prohibited. Following the taxonomy of the OECD, Chile has a fully decentralised system of collective bargaining.

The focus of the present work lies in the detailed analysis of the situation in Chile. In order to determine the contrast between the Chilean situation and the coordinated negotiation systems, the collective bargaining systems in Uruguay and Germany are also examined.

In this study I have used mixed methods. On the one hand, the qualitative methods are based on 79 in-depth interviews with trade unionists and industrial relation experts conducted in the course of fieldwork in the three countries. On the other hand, the quantitative methods are based on data analysis on income inequality and collective bargaining using descriptive statistics and econometrics. The databases of each country were used for this purpose, as well as the Luxembourg Institute Study and the ICTWSS database.

The work shows in detail how the Plan Laboral of the Pinochet dictatorship, which still characterises industrial relations in Chile to this day, systematically made collective bargaining more difficult and only possible at a decentralised level without recognisable effects on the economy as a whole. Some of these effects include: intense rivalry between many competing small unions; high job instability and short-lived unions; low infrastructural power resources of unions; and limited scope for collective bargaining. Furthermore, since unions are not allowed to negotiate at industry level, they are locked into the completely decentralised system with no alternative course of action. Coordination of workers’ primary power resources is not possible in this system, which has drastically shifted the balance of power in favour of the capitalists. The comparison with the more inclusive bargaining systems in Germany and Uruguay demonstrates the need to strengthen collective bargaining at industry level. This is the only way to coordinate the power resources of the trade unions and employees and correct the extremely unequal distribution of market income.

The detailed statistical analysis of various indicators of income inequality in Chile and other countries clearly demonstrates the negative effects of a fully decentralised collective bargaining system, as in Chile, on the income distribution of market incomes even when other factors are taken into account as controls. The result of this decentralised system after over 40 years is one of the highest inequality levels in market incomes in the OECD. Wages are largely concentrated near the minimum wage, which in turn is low.

The analysis of international data, and the comparative case studies in particular, show no examples of low inequality of market incomes in countries with fully decentralised collective bargaining systems. This study adds evidence to the research stream that emphasises the positive correlations between high collective bargaining coverage and a strengthening of the power resources of employees and their unions on the one hand and lower income inequality on the other. Furthermore, increases in collective bargaining coverage lead to a reduction in the capitalists’ appropriation of the surplus value, which means that there is a relatively lower degree of exploitation.

At the end of this research, I present a proposal to replace the current fully decentralised system with an inclusive collective bargaining system with coordinated collective bargaining at the industry level and less fragmented trade unions.

Diese Arbeit untersucht die Fragmentierung und Marginalisierung von Tarifverhandlungen in Chile nach der Pinochet-Diktatur und ihre Auswirkungen auf die politischen Machtverhältnisse und die Einkommensverteilung.  Fragmentierung und Marginalisierung bedeuten, dass nur wenige Arbeitnehmer von einer Vielzahl unkoordinierter Tarifverträge erfasst werden, da die Verhandlungen auf Branchenebene verboten ist. In Anlehnung an die Taxonomie der OECD verfügt Chile über ein vollständig dezentralisiertes System von Tarifverhandlungen.

Der Schwerpunkt der Arbeit liegt auf der detaillierten Analyse der Situation in Chile. Um den Kontrast zwischen der chilenischen Situation und koordinierten Verhandlungen herauszuarbeiten, wurden auch die Tarifsysteme in Uruguay und Deutschland untersucht.

In dieser Studie habe ich verschiedene Methoden verwendet. Die qualitativen Methoden basieren  auf  79  ausführlichen  Interviews  mit  Gewerkschaftern  und  Experten  für  Arbeitsbeziehungen.   Diese  Interviews  wurden  während  der  Feldforschung  in  den  drei  Ländern durchgeführt.  Die quantitativen Methoden beruhen auf der Datenanalyse unterschiedlicher Indikatoren der Einkommensungleichheit und der Tarifverhandlungen mit Hilfe von deskriptiven Statistiken und ökonometrischen Methoden.  Zu diesem Zweck wurden Datenquellen der  einzelnen  Länder  sowie  der  Luxembourg  Income  Study  und  die  ICTWSS-Datenbank verwendet.

Die Arbeit zeigt detailliert, wie der ”Plan Laboral“, der Pinochet-Diktatur, der Arbeitsbeziehungen in Chile bis heute prägt, Tarifverhandlungen systematisch erschwerte und nur auf dezentraler Ebene unter sehr restriktiven ermöglichte, so dass Auswirkungen auf die Gesamtwirtschaft nicht erkennbar sind.  Einige dieser Auswirkungen sind:  Intensive Rivalität zwischen vielen konkurrierenden kleinen Gewerkschaften, hohe Arbeitsplatzinstabilit¨at und kurzlebige Gewerkschaften, geringe infrastrukturelle Machtressourcen der Gewerkschaften und begrenzter Spielraum für Tarifverhandlungen.  Da die Gewerkschaften außerdem nicht auf Branchenebene verhandeln dürfen, sind sie in dem völlig dezentralisierten System ohne Handlungsalternativen  gefangen.   Eine  Koordinierung  der  primären  Machtressourcen  der Arbeitnehmer  ist  in  diesem  System  nicht  möglich,  wodurch  sich  das  Machtgleichgewicht drastisch zugunsten der Kapitalisten verschoben hat. Der Vergleich mit den inklusiveren Tarifverhandlungssystemen in Deutschland und Uruguay zeigt, dass die Tarifverhandlungen auf Branchenebene gestärkt werden müssen.  Nur so können die Machtressourcen der Gewerkschaften und der Arbeitnehmer koordiniert und die extrem ungleiche Verteilung der Markteinkommen korrigiert werden.

Die detaillierte statistische Analyse verschiedener Indikatoren der Einkommensungleichheit in Chile und anderen Ländern zeigt deutlich die negativen Auswirkungen eines vollständig dezentralisierten Tarifverhandlungssystems auf die Einkommensverteilung der Markteinkommen,  selbst wenn andere Faktoren als Kontrolle berücksichtigt werden.  Das Ergebnis dieses dezentralen Systems über 40 Jahre hinweg ist eine der größten Ungleichheiten bei den Markteinkommen in der OECD. Die Löhne sind weitgehend in der Nähe des Mindestlohns konzentriert, der wiederum niedrig ist. Die Analyse der internationalen Daten und insbesondere die vergleichenden Fallstudien zeigen keine Beispiele für eine geringe Ungleichheit der Markteinkommen in Ländern mit vollständig dezentralisierten Tarifverhandlungssystemen.

Diese  Studie  ergänzt  die  Forschung  zu  den  positiven  Zusammenhängen  zwischen einer hohen Tarifbindung und einer Stärkung der Machtressourcen der Arbeitnehmer und ihrer Gewerkschaften einerseits und einer geringeren Einkommensungleichheit andererseits. Darüber hinaus führte die Erhöhung der Tarifbindung zu einer Verringerung der Aneignung des Mehrwerts durch den Kapitalisten, was bedeutet, dass es einen relativ geringeren Grad an Ausbeutung gibt.

Am Ende dieser Untersuchung formuliere ich einen Vorschlag, der darauf abzielt, das derzeitige vollständig dezentralisierte System durch ein inklusives System mit koordinierten Tarifverhandlungen auf Branchenebene und weniger zersplitterten Gewerkschaften zu ersetzen.

Vorschau

Zitieren

Zitierform:
Zitierform konnte nicht geladen werden.

Rechte

Nutzung und Vervielfältigung:
Dieses Werk kann unter einer
CC BY-NC-ND 4.0 LogoCreative Commons Namensnennung - Nicht kommerziell - Keine Bearbeitungen 4.0 Lizenz (CC BY-NC-ND 4.0)
genutzt werden.