Rational targeting of Taspase1 nuclear import and biological function by supramolecular ligands
In der Krebstherapie sind Chemotherapeutika noch immer die erste Wahl bei den meisten Tumorentitäten, obwohl ihre generelle Zytotoxizität im Organismus zu teils schwerwiegenden Nebenwirkungen führt. Neue Therapieansätze haben deshalb zum Ziel, Tumorzellen spezifischer anzugreifen. Allerdings ist Krebs entstehungsbedingt eine äußerst vielfältige Erkrankung, was die Entwicklung selektiver Inhibitoren erschwert (Hanahan and Weinberg 2011). Ein Protein, welches in zahlreichen Tumoren und Leukämien verstärkt exprimiert wird, ist die Taspase1 (Threonin Aspartase 1) (Hsieh et al. 2003; D Wünsch et al. 2016). Diese Protease erkennt eine konserviertes Spaltungsmotiv Q3 (F/I/L/V)2D1 /G1’X 2’D3’D4’, und zu ihren bestätigten Substraten zählen bekannte Onkogene wie MLL1 oder Transkriptionsfaktoren wie TFIIA (Bier et al. 2011b; Gribko et al. 2017; Hsieh et al. 2003). Während ein Knock-out von Taspase1 im adulten Gewebe im Allgemeinen gut vertragen wird, führt er in Tumorzellen zu einer verlangsamten Proliferation und zur Einleitung der Apoptose, was Taspase1 zu einem attraktiven Ziel für die Krebstherapie macht (Takeda et al. 2006; Chen et al. 2010). Allerdings zeigen allgemeine Protease-Inhibitoren gegenüber Taspase1 keine Wirksamkeit, und bislang sind nur wenige spezifische Hemmstoffe verfügbar, mit welchen die proteolytische Aktivität effizient beeinflusst werden kann (Chen et al. 2012; Johannes van den Boom et al. 2014; van den Boom et al. 2020; Hsieh et al. 2003). Der intrazelluläre Aktivierungsprozess der Taspase1 beinhaltet deren aktiven Import in den Zellkern, was die hierfür maßgebliche Interaktion mit Importinα (Impα) als Angriffspunkt für neuartige Inhibitionsstrategien identifiziert (Bier et al. 2011a; van den Boom et al. 2016). Das Ziel dieser Arbeit war daher die rationale Entwicklung supramolekularer Liganden, welche diese Wechselwirkung effizient unterdrücken und so möglicherweise auch die proteolytische Aktivität von Taspase1 hemmen (Bier et al. 2011a). Im Fokus standen zunächst kationische Liganden, welche an Gruppen von Aminosäuren mit sauren Seitenketten binden sollten, welche das zweiteilige, basische Kernlokalisationssignal (engl. Nuclear localization signal, NLS) flankieren. In der Tat haben wir in einer initialen Studie den ersten Inhibitor entwickelt, welcher die Tasp/Imp-Wechselwirkung effektiv stört (Pasch et al. 2021). In den hierzu entwickelten trivalenten supramolekularen Liganden wurden als kationische Binder drei Guanidiniumcarbonylpyrrol(GCP)-Einheiten, wahlweise mit oder ohne Lysin substituierten Seitenketten, durch ein gemeinsames Oligomer-Rückgrad verbunden (Liganden 3G und 3GL). Diese wurden in einem weiteren Schritt zur erweiterten räumlichen Abschirmung der Bindestelle zusätzlich mit Polyethylenglykol (PEG) funktionalisiert (Liganden 3GP und 3GLP). Während für alle GCP-Oligomere mittels Oberflächenplasmonresonanz eine direkte Bindung an Taspase1 nachgewiesen werden konnte, waren nur PEGylierte Liganden in der Lage, die Wechselwirkung mit Impα in Pulldown-Experimenten zu unterbinden. In einer zweiten Studie wurde wiederum die Anionen-bindende GCP-Einheit zur Entwicklung bivalenter supramolekularer Liganden herangezogen, welche zusätzlich noch mit unterschiedlichen Schutzgruppen ausgestattet wurden (Höing et al. 2021). So konnte der die Schutzgruppe C(bz) enthaltende, bivalente Inhibitor 2GC identifiziert werden, welcher die nicht nur die Tasp/Impα-Wechselwirkung in Pulldown-Experimenten effizient inhibierte (IC50 = 35 µM), sondern darüber hinaus auch eine toxische Wirkung auf Taspase1- exprimierende Tumorzellen zeigte (EC50 = 40-70 µM). Neben der GCP-Einheit stellten sich hier also die Bivalenz sowie das Vorhandensein der C(bz)-Schutzgruppe als entscheidende Faktoren für die inhibitorische Wirkung des Liganden heraus. Konzeptionell basierten die bislang entwickelten Inhibitoren auf der Bindung der Liganden an saure Aminosäuren wie Glutamin- oder Asparaginsäure, welche auf der Oberfläche der Taspase1 in räumlicher Nähe zum zweigeteilten, basischen NLS auf einer flexiblen LoopStruktur verortet sind. In weiteren Untersuchungen sollte daher letzteres als relevante Zielstruktur mittels anionischer Binder direkt angesteuert werden. In einer auf diesem Konzept basierenden dritten Studie konnten wir so den ersten Inhibitor für Taspase1 beschreiben, welcher nicht nur verbesserte Bindungseigenschaften, sondern auch einen dualen Inhibitionsmechanismus aufweist. Der ebenfalls bivalente supramolekulare Ligand 11d verwendet para-substituierte Phosphatgruppen als Bindungsmotiv (Octa-Smolin et al. 2018). Über virtuelle Bindungsstudien wurde die energetisch günstigste Bindestelle am NLS im Taspase1-Loop bestimmt. Über Fluoreszenzanisotropie konnte eine Bindungssaffinität für Taspase1 im nanomolaren Bereich ermittelt werden (KD = 300 nM). Die direkte Wechselwirkung mit dem Taspase1-Loop konnte mittels Fluoreszenztitration (KD = 3 µM) und Kernspinresonanz bestätigt werden. In Pulldown-Experimenten wurde eine Hemmung der Tasp/Impα-Wechselwirkung im mikromolaren Bereich (IC50 = 6 µM) nachgewiesen. Kolorimetrische Spaltungstests zeigten zudem, dass 11d in vergleichbaren Konzentrationen die proteolytische Aktivität von Taspase1 unterdrückt (IC50 = 2 µM), was darüber hinaus in Zellexperimenten mit einem transfizierbaren Biosensor verifiziert werden konnte. Die bislang durchgeführten Studien zeigten eindrücklich, dass anscheinend nur die mehrfache Präsentation supramolekularer Bindungsmotive eine effiziente Inhibition der Taspase1 ermöglicht. Daher wurde in einem vierten Ansatz nun systematisch der Einfluss der Multivalenz supramolekularer Liganden auf die Tasp/Impα-Wechselwirkung untersucht (Fokkens et al. 2005). Hierfür wurde unter Verwendung anionischer molekularer, Lysinbindender Pinzetten eine Reihe multivalenter Binder entwickelt, welche bis zu fünf anionische Pinzetten miteinander verknüpfen. In der Tat konnte die Bindung der Liganden an das im Taspase1-Loop befindliche NLS über Fluoreszenztitration und NMR nachgewiesen werden. Darüber hinaus bestätigten Pulldown-Experimente eine Korrelation zwischen der Valenz der Bindungseinheiten und der inhibitorischen Wirkung auf die Taspase1/Impα-Wechselwirkung. Diese Beobachtung konnte in kolorimetrischen Spaltungstests ebenfalls für die proteolytische Aktivität von Taspase1 bestätigt werden. Insgesamt wurden im Rahmen dieser Arbeit in insgesamt vier Studien verschiedene supramolekulare Liganden zur funktionellen Hemmung der krebsrelevanten Protease Taspase1 entwickelt. Mehrere, voneinander unabhängige Ansätze zur rationalen Verwendung der wahlweise kationischen oder anionischen Binder erlaubten, die Wechselwirkung mit Impα als essentiellen Schritt der zellulären Taspase1-Aktivierung sowie teils auch deren proteolytische Aktivität direkt zu inhibieren. Insbesondere das systematische Vorgehen erlaubt einen Hypothesen-getriebenen Wissenstransfer. So kann möglicherweise auch die rationale Entwicklung effektiverer Inhibitoren weiterer biologisch relevanter Zielproteine hin zu neuartigen Therapieansätzen für Krebs und andere Erkrankungen gezielt vorangetrieben werden.