Relevanz strukturiert psychotherapeutisch-psychosomatischer Bewegungsinterventionen bei Patientinnen mit Anorexia und Bulimia nervosa aus Behandler*innen- und Patientinnen-Sicht
Die Schwere und die Verläufe der Anorexia (AN) und Bulimia nervosa (BN) erfordern umfangreiche Kenntnisse über wirksame Behandlungsmöglichkeiten. An erhöhtem Bewegungsverhalten (EB) leiden 80% der Patient*innen mit AN und 55% der Patient*innen mit BN. Eine einheitliche therapeutische Herangehensweise in Bezug auf das EB fehlt. Ziele der Studie sind 1) Erkenntnisse über die Anwendung von Bewegungsinterventionen bei Patient*innen mit AN und BN zu gewinnen, 2) die Integration der Bedürfnisse von Patient*innen in die psychotherapeutische Behandlungen und 3) den Verlauf einer chronischen Essstörung langfristig positiv zu beeinflussen. Die Studie beinhaltet eine Online-Befragung von Behandler*innen zur aktuellen Anwendung von Bewegungsinterventionen in Deutschland. Dabei wird der therapeutische Umgang von 50 ärztlichen und psychologischen Behandler*innen aus den Bereichen Psychosomatik, Psychiatrie und Psychotherapie mit ihren bisherigen Strategien und Methoden erfasst. Darüber hinaus werden Erfahrungen und Bedürfnisse von 103 erwachsenen Patientinnen mit AN und BN gesammelt. Die Behandler*innen halten Bewegungsinterventionen zur Reduktion von Rückfällen und langfristigen Symptomlinderung der Essstörung für wirksam. Eine große Mehrheit der Behandler*innen bewertete EB als Purgingverhalten bei Patient*innen mit AN und BN. Selbstbeobachtungsmethoden bezüglich des EB wie beispielsweise Bewegungsprotokolle finden häufige Verwendung. Die Adressierung von EB in der Patientinnen-Behandlung ist nicht abhängig von der Stärke des EB. Es wird ein Einfluss von hoher Essstörungspsychopathologie und hoher Impulsivität auf ein stark EB vorhergesagt. Es geben 80% der Patientinnen den Wunsch an, sich bezüglich des EB behandeln zu lassen. Die Forschungsergebnisse und therapeutischen Einstellungen klären die Frage, inwieweit Behandlungsentscheidungen beeinflusst werden. Eine gemeinsame Definition von EB wird vorgeschlagen. Die Ergebnisse weisen auf die Notwendigkeit von randomisiert kontrollierten Studien zur Untersuchung der Relevanz von Bewegungsinterventionen hin. Die vorliegende Arbeit unterstützt die Therapieplanung einer standardisierten psychotherapeutisch-psychosomatischen Behandlung der Betroffenen.