Lärmminderung durch Elektrofahrzeuge im städtischen Straßenverkehr : Akustische Potenziale und Konsequenzen für die Stadt
Insbesondere in Städten ist eine große Anzahl an Menschen von Straßenverkehrslärm betroffen. Straßenverkehrslärm kann die Lebensqualität einschränken sowie die Gesundheit der Menschen gefährden. Im Einsatz von Fahrzeugen mit Elektromotor (E‑Kfz) gegenüber Fahrzeugen mit Verbrennungsmotor (internal combustion engine - ICE‑Kfz) besteht ein Lärmminderungspotenzial, welches in der vorliegenden Arbeit analysiert wird. Dabei wird insb. untersucht, welche Potenziale sich bei einem (zukünftig) steigenden Anteil an E‑Kfz am Gesamtverkehr für die Stadt eröffnen.
Zur Analyse akustisch quantitativer Potenziale wurden Schallmessungen an 7 E‑Pkw und 2 ICE‑Pkw bei Fahrgeschwindigkeiten von 10 km/h bis 50 km/h durchgeführt. Auf Grundlage der Messungen sowie den Erkenntnissen aus bestehenden Studien wurde anschließend ein Vorschlag zur modelltechnischen Berücksichtigung von E‑Kfz entwickelt. Akustisch qualitative Potenziale im Einsatz von E‑Kfz wurden auf Basis von Hörversuchen zur Lästigkeit der Vorbeifahrgeräusche von ICE- und E‑Pkw mit 60 Teilnehmenden untersucht. Die Erkenntnisse wurden zusammengeführt, um auf Grundlage der Ergebnisse die Potenziale im Einsatz von E‑Kfz insb. für die Lebensqualität und Gesundheit in der Stadt abzuleiten.
Bei den Schallmessungen riefen die E‑Pkw bei 10 km/h etwa 11 dB(A), bei 50 km/h noch etwa 4 dB(A) geringere Vorbeifahrpegel als die ICE‑Pkw hervor. Sofern die E‑Pkw akustische Warnsignale mittels Soundgeneratoren erzeugten, betrug das Schallminderungspotenzial bei 10 km/h und 20 km/h noch etwa 5 dB(A). Auf Grundlage der Messergebnisse kann ein erhebliches Schallminderungspotenzial von mehr als 2 dB(A) bei geringen Fahrgeschwindigkeiten damit (erst) ab einem Anteil an E‑Kfz am Gesamtverkehr von etwa 40 % erreicht werden. Bei geringeren Anteilen am Gesamtverkehr kann das Schallminderungspotenzial durch E‑Kfz jedoch insb. deshalb nicht zum Tragen kommen, da der bestehende Verkehr (nach wie vor) den Gesamtpegel bestimmt.
Da schwere Kfz (wie Lkw/Busse) fahrzeugbezogen deutlich höhere Schallemissionen als Pkw hervorrufen, kann beim Austausch aller schweren ICE‑Kfz durch schwere E‑Kfz bei geringen Fahrgeschwindigkeiten von 10 km/h und 20 km/h bereits bei einem Schwerverkehrsanteil von 1 % am Gesamtverkehr ein erhebliches Schallminderungspotenzial von etwa 2 dB(A) bestehen.
Unabhängig von der Differenz der Vorbeifahrpegel wurde in einer beispielhaften Schallausbreitungsberechnung bei schweren E‑ und ICE‑Kfz überdies (allein) durch die Differenz im Frequenzspektrum ein relevantes Schallminderungspotenzial prognostiziert. Durch das Frequenzspektrum ergeben sich im Einsatz von E‑Kfz damit Potenziale, die Schallausbreitung zu mindern und den Übergang von Schall in Gebäude (wie bspw. Wohnräume) zu verringern.
Auf Grundlage der Ergebnisse aus den Hörversuchen besteht die Aussicht, dass sowohl die Vorbeifahrgeräusche einzelner E‑Kfz als auch die überlagerten Vorbeifahrgeräusche mehrerer E‑Kfz gegenüber den Geräuschen von ICE‑Kfz als weniger lästig bewertet werden. Es kann damit angenommen werden, dass durch den Einsatz von E‑Kfz im Vergleich zu ICE‑Kfz ein relevantes Potenzial besteht, die Lästigkeit der Geräusche des Straßenverkehrs zu mindern, die Lebensqualität in der Stadt zu erhöhen und die Gesundheit der Menschen zu verbessern. Weiterhin bestehen Potenziale, die akustische Nutzbarkeit städtischer Räume zu verändern (wie bspw. ‘neue’ qualitätvolle Aufenthaltsbereiche im Freien zu schaffen) oder die Immobilienwerte in der Stadt zu erhöhen.
Der Gesetz- und Normgeber ist jedoch gefordert, diese Potenziale für die Zukunft zu sichern, indem die Vorgaben für Soundgeneratoren von E‑Kfz angepasst werden. So sollten die akustischen Vorteile im Einsatz von E‑Kfz gegenüber ICE‑Kfz nicht durch unnötig hohe Schallpegel akustischer Warnsysteme oder bewusst auffällig gestaltete Außengeräusche von Sportwagen egalisiert werden.
Die in der vorliegenden Arbeit gewonnenen Erkenntnisse können einen Baustein für einen integrierten Ansatz zur Verbesserung der Lebensqualität und Gesundheit in der Stadt liefern. Es ist davon auszugehen, dass durch die Kombination von Maßnahmen positive Synergien erzeugt und genutzt werden können. Positive Wechselwirkungen können etwa durch eine Absenkung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit (bspw. auf 30 km/h) induziert werden, da bei geringeren Fahrgeschwindigkeiten einerseits das Lärmminderungspotenzial beim Einsatz von E‑Kfz erheblich gesteigert wird und andererseits i.d.R. die Sicherheit, in einem zunehmend gemeinsam genutzten Verkehrsraum (Shared Space) erhöht werden kann. Synergieeffekte zur Verbesserung der Lebensqualität und Gesundheit in der Stadt können sich zudem bspw. durch die Schaffung von Grünflächen und ruhigen Gebieten ergeben.A large number of people are affected by road traffic noise, especially in cities. Road traffic noise can reduce quality of life and endanger people's health. The use of vehicles with electric motors (EV) compared to vehicles with internal combustion engines (ICEV) has a noise reduction potential, which is analyzed in this thesis. In this context, the potentials of a (future) increasing share of EV in total traffic for cities are investigated.
For the analysis of acoustically quantitative potentials noise measurements were carried out on 7 E‑passenger cars and 2 ICE‑passenger cars at driving speeds of 10 km/h to 50 km/h. Based on the measurements and the findings from existing studies, a suggestion was subsequently developed for the consideration of EV in acoustic models. Acoustic qualitative potentials using EV were investigated on the basis of listening experiments on the annoyance of pass-by noises of ICE‑ and E‑passenger cars with 60 participants. The results were combined to derive the potentials using EV, especially for quality of life and health in cities.
In the sound measurements the E-passenger cars emitted pass-by levels about 11 dB(A) lower than the ICE‑ passenger cars at 10 km/h, and about 4 dB(A) lower at 50 km/h. If passenger cars generated acoustic warning signals by means of sound generators, the sound reduction potential at 10 km/h and 20 km/h was still about 5 dB(A). Based on the measurement results, a significant noise reduction potential of more than 2 dB(A) at low speeds can (only) be achieved when the share of EV in total traffic is around 40 %. With lower shares in total traffic, however, the sound reduction potential due to EV cannot come into effect, in particular because the existing traffic (still) determines the overall level.
Since heavy vehicles (such as trucks/buses) cause significantly higher noise emissions than passenger cars, replacing all heavy ICEV with heavy EV at low speeds of 10 km/h and 20 km/h can result in a significant noise reduction potential of about 2 dB(A) even with a heavy traffic share of only 1 % in total traffic.
Regardless of the difference in pass-by levels, an exemplary sound propagation calculation for heavy E- and ICEV also predicted a relevant sound reduction potential (only) due to the difference in the frequency spectrum. The frequency spectrum of EV thus offers the potential to reduce sound propagation and the transfer of sound into buildings (such as living spaces).
Based on the results from the listening experiments, there is a reasonable prospect that both the pass-by noise of individual EV and the overlaid pass-by noise of multiple EV will be rated as less annoying compared to the noise of ICEV. It can thus be assumed that there is a relevant potential to reduce the annoyance of road traffic noise, increase quality of life in the city and improve people's health using EV compared to ICEV. Furthermore, there is a potential to change the acoustic usability of urban spaces (e.g. to create 'new' quality outdoor recreation areas) or to increase property values in cities.
However, legislators and standard setters are called upon to safeguard this potential for the future by adjusting the specifications for sound generators in EV. Thus, the acoustic advantages using EV compared to ICEV should not be equalized by unnecessarily high sound levels of acoustic warning systems or deliberately conspicuous exterior noise of sports cars.
The knowledge gained in the present work can thus provide a cornerstone for an integrated approach towards improving quality of life and health in cities. It can be assumed that positive synergies can be generated and used by the combination of different actions. Positive interactions can be induced, for example, by lowering the speed limit (e.g. to 30 km/h), since lower driving speeds on the one hand significantly increase the noise reduction potential using EV and, on the other hand, can generally increase safety in an increasingly shared (traffic) space. Synergies for improving quality of life and health in cities can also result, for example, from the creation of green spaces and quiet areas.Preview
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