Entwicklung eines manöveradaptiven Motion-Cueing-Systems mit prädiktiver Manövererkennung
In der Automobilindustrie werden Fahrsimulatoren eingesetzt, um in frühen Phasen funktionale Systeme erlebbar zu machen, diese zu bewerten und Erkenntnisse für den weiteren Entwicklungsprozess abzuleiten. Um neben visuellen und akustischen Reizen auch Beschleunigungen darzustellen und damit die Realitätsempfinden zu steigern, werden Bewegungsplattformen verwendet. Aufgrund von Bauraum- und Dynamikbeschränkungen lassen sich Fahrzeugbeschleunigungen, die auf Basis von Fahrdynamikmodellen berechnet werden, nicht unverändert am Fahrsimulator abbilden. Zur Signalverarbeitung und realitätsnahen Darstellung der Bewegung werden Motion-Cueing-Algorithmen eingesetzt. Diese Algorithmen verarbeiten die berechneten fahrdynamischen Vorgaben und generieren Signale zur Ansteuerung der Bewegungsplattform. In der Literatur existieren verschiedene Algorithmen, die auf definierte Manöver angepasst wurden. Diese Ansätze werden im Vergleich zu etablierten Algorithmen oft besser bewertet, d.h. das Realitätsempfinden wird durch die Anpassung an die spezifischen Anforderungen der Manöver positiv beeinflusst.
Im Rahmen dieser Arbeit werden zunächst manöverabhängige Reize untersucht, um Anforderungen an manöverspezifische Motion-Cueing-Algorithmen abzuleiten. Durch den Fokus auf die identifizierten Größen soll bei definierten Fahrszenarien die Darstellung der vestibulären Reize verbessert werden. Basierend auf den Ergebnissen werden manöverspezifische Algorithmen entwickelt, die diese Besonderheiten unter gegebenen Rahmenbedingungen berücksichtigen und die subjektiv wahrgenommene Realitätsnähe potentiell erhöhen. Die Ansätze unterscheiden sich abhängig vom Manöver nicht nur durch Anpassung von Parametern, sondern durch einen grundsätzlich anderen Aufbau. Da eine Fahrt typischerweise aus einer Abfolge verschiedener Manöver besteht, müssen die manöverspezifischen Algorithmen in ein Motion-Cueing-System integriert werden und parallel Bewegungsvorgaben berechnen. Abhängig vom Manöver kann dann der zugehörige Algorithmus ausgewählt und die berechneten Vorgaben an die Bewegungsplattform weitergeben werden. Um einen Wechsel zwischen den Algorithmen zu ermöglichen, wird ein entsprechender Mechanismus implementiert.
Die Auswahl des aktiven Algorithmus erfolgt durch Bahnplanung oder auf Basis von Modellen zur prädiktiven Manövererkennung, das auf maschinellen Lernverfahren basieren. Während bei der Bahnplanung die Abfolge der Manöver koordinatenbasiert festgelegt wird, berechnen Prädiktionsmodelle in Echtzeit Zugehörigkeitswahrscheinlichkeiten, um eine Auswahl zu ermöglichen. Abhängig vom identifizierten Manöver wird der zugehörige Algorithmus ausgewählt und die berechneten Vorgaben an die Bewegungsplattform weitergegeben.
Im Rahmen der Arbeit wird auf Basis statistischer Methoden sowie objektiver Kriterien nachgewiesen, dass das neue System die Realitätsnähe einer Fahrt im dynamischen Simulator im Vergleich zu etablierten Algorithmen signifikant erhöht. Die Abstimmung der Algorithmen auf die Manöver verbessert die wahrgenommene Bewegung, Intensität sowie den Zeitpunkt. Das entwickelte Motion-Cueing-System kann auf Spezifikationen verschiedener Fahrsimulatoren angepasst werden und bietet eine vielversprechende Alternative zu etablierten Ansätzen.Driving simulators are important tools in the automotive industry to experience, test and evaluate functional systems in early phases of the development process. To represent accelerations in addition to visual and acoustics cues and enhance the degree of realism, motion bases are integrated. Due to dynamic limitations and limits of the available workspace, calculated accelerations from vehicle dynamics models cannot be represented one-to-one. For that reason, motion cueing algorithms are required to enable a realistic driving experience. These algorithms process the inputs from the vehicle dynamics model and generate signals that can be used to control the motion base. Several studies from literature investigate the performance of algorithms that are adopted to specific maneuvers. These approaches often outperform established motion cueing algorithms and enhance the perceived degree of realism.
In this work, maneuver-dependent cues are investigated and requirements for maneuver-specific algorithms are derived. The identified cues influence the perceived degree of realism, and therefore should be focused on. Based on the analysis, maneuver-specific motion cueing algorithms are developed that include the special requirements and potentially improve the driving experience. The algorithms do not only apply different parameter sets, but use different control approaches dependent on the requirements of the corresponding maneuver. Since simulator studies typically consist of different maneuvers, the algorithms have to be integrated in a motion cueing system. Dependent on the maneuver, the appropriate algorithm is activated and the corresponding motion cues are used to control the motion base. To change the active algorithms, a framework to change the active algorithm is required.
The decision of the active algorithm can be made based on a motion planning technique or machine learning models for predictive maneuver recognition. Motion planning includes a predefined path and a coordinate-based decision of the active algorithm. The prediction models are capable of computing probabilities to classify the given conditions in real-time, and thereby predict the most probable next maneuver. Based on either these methods, the motion cueing algorithm, which was designed for the identified maneuver, is activated.
The new motion cueing system is compared to established algorithms and results are analyzed. The improvement is statistically verified and it is shown, that the perceived realism of the dynamic simulation is enhanced. The adaptation of the algorithms to the identified maneuver-specific cues improves the perceived motion, intensity and timing. The maneuver-adaptive motion cueing system can be adapted to the specifications of different driving simulators, and therefore is a promising alternative to established approaches.