Diasporapolitik in Subsahara-Afrika : eine Politikfeldanalyse auf Basis der Fallbeispiele Kamerun und Ghana
Die Bemühungen von Regierungen, mit ihren Bürger_innen im Ausland im Kontakt zu bleiben, drücken sich in Diasporapolitik aus. Unter Diasporapolitik werden alle staatlichen Institutionen und Praktiken, die auf Bürger_innen im Ausland zielen, zusammengefasst. Es ist eine Zunahme diasporapolitischer Maßnahmen in Subsahara-Afrika zu beobachten. Allerdings ist über die politischen Interessen, die den Maßnahmen zugrunde liegen, wenig bekannt.</br> Hier setzt die vorliegende Dissertation an. Ziel ist es, ein tieferes Verständnis der Zusammenhänge innerhalb des Politikfeldes zu entwickeln. Es wird die Frage beantwortet, mit welchen Faktoren die Diasporapolitik beschrieben und erklärt werden kann.</br>
Die Dissertation umfasst einen strukturiert fokussierten Vergleich der Politikfeldanalysen der beiden Fallbeispiele Kamerun und Ghana. Dabei erhalten die beiden zentralen diasporapolitischen Maßnahmen der Doppelten Staatsangehörigkeit und des Auslandswahlrechts besondere Aufmerksamkeit. Kameruns und Ghanas Diasporapolitik unterscheiden sich darin, dass Ghanas Diasporapolitik in gewissem Sinne weiter entwickelt ist und auch Maßnahmen umfasst, die auf die sogenannte „alte afrikanische Diaspora“ zielen.</br>
Die Ergebnisse der Untersuchung verdeutlichen, dass Diasporapolitik erklärende Faktoren hauptsächlich in den politisch-institutionellen Rahmenbedingungen – der Polity – zu verorten sind. Transitions- und Demokratisierungsprozesse spielen eine entscheidende Rolle für Diasporapolitik, woraus Unterschiede zwischen autoritären und demokratischen Staaten entstehen.</br> In erster Linie geht es Regierungseliten darum, ihre Macht zu sichern und die Unterstützung der Bürger_innen im Ausland für sich zu erlangen – dieses gilt sowohl für demokratische als auch autoritäre Regime. In autoritären Systemen prägen und beschränken allerdings Vorbehalte gegenüber politischer Beteiligung sämtlicher gesellschaftlicher Gruppen die Zusammenarbeit mit Bürger_innen im Ausland. Eine Inklusion der Migrant_innen durch eine aktive Diasporapolitik wird nicht gefördert und die Regime zielen mit der Diasporapolitik auf Segmente der Diaspora ab, die das bestehende System nicht gefährden. Diasporapolitische Maßnahmen werden auch dazu instrumentalisiert, nach außen hin eine Offenheit zu demonstrieren, die de facto nicht gegeben ist.</br>
Im Hinblick auf Akteurskonstellationen zeigt sich, dass während in autoritären Systemen die politische Machtelite Diasporapolitik dominiert und anderen Akteuren kein Raum bleibt, sich durchzusetzen, im Rahmen demokratischer Transitionsprozesse Parteidifferenzen in der Ausgestaltung der Diasporapolitik an Bedeutung gewinnen. Politische Parteien konkurrieren um die Gunst der Bür-ger_innen im Ausland und nutzen elitäre Netzwerke mit Diasporamitgliedern für sich. Daneben können in demokratischen Systemen andere Akteure einen größeren Einfluss im Politikfeld ausüben. Je demokratischer das politische System ist, desto stärker können Migrant_innen durch ihre aktive Mitgliedschaft in den Parteien im Ausland oder durch gezielte Lobbyaktivitäten Einfluss auf die Politik ihrer Herkunftsländer ausüben.</br> Ihr Einfluss ist darüber hinaus von der nationalen Fragmentierung und der damit zusammenhängenden Stärke sowie auch von der Vernetzung mit Akteuren im Herkunftsstaat abhängig.</br>
In dieser Untersuchung wird deutlich, dass durch Rückkehr Verbindungen zwischen Bürger_innen im Ausland und der politischen Elite eines Landes entstehen, dadurch, dass Rückkehrer_innen wichtige politische Ämter bekleiden. Rückkehrer_innen bilden somit eine zentrale Schnittstelle zwischen Diasporapolitikgestaltung und den Bürger_innen im Ausland. Es kann somit aus den Ergebnissen der Fallstudien geschlussfolgert werden, dass je stärker Rückkehrmigration stattfindet, desto stärker die Impulse im inneren der politischen Systeme für eine aktivere Diasporapolitik werden.</br>
Ein weiteres Ergebnis dieser Dissertation verdeutlicht, dass wenn durch Staaten entsprechender politischer Raum geöffnet wird, die Internationale Organisation für Migration eine zentrale Rolle in der (inhaltlichen) Ausgestaltung von Diasporapolitik spielt. Allerdings ist zu hinterfragen, ob bei starkem Engagement der IOM, eine Ownership der Regierung für diasporapolitische Maßnahmen weiterhin gegeben ist. Darüber hinaus tragen wissenschaftliche Einrichtungen ebenfalls dazu bei, das Thema Diasporaförderung auf die politische Agenda zu setzen. Sie können insbesondere innerhalb demokratischer Strukturen an der Ausgestaltung der Diasporapolitik mitwirken. Ein Ergebnis dieser Untersuchung ist somit auch, dass diese Institutionen einbezogen werden sollten, um die Diasporapolitik eines Staates zu erklären. Nicht zuletzt, wird in der Dissertation auch deutlich, dass in der Betrachtung afrikanischer Diasporapolitik normative und idealistische Aspekte berücksichtigt werden müssen, da sie den Nährboden für Diasporapolitik bilden können.</br>
Darüber hinaus offenbart sich in der Untersuchung die Notwendigkeit der differenzierten Bedeu-tung unterschiedlicher diasporapolitischer Maßnahmen. Diasporapolitische Maßnahmen, die mit politischen Rechten einhergehen, unterliegen stärker Interessengeleiteten Motiven, als das bei entwicklungsbezogener Diasporaförderung der Fall ist.
The efforts of governments to reach out to their citizens abroad become evident in diaspora policies. Broadly, diaspora policies are defined as state institutions and practices that apply to members of that state’s society who reside outside of the national territory. There is an increase in diaspora policies in Sub-Saharan African countries. However, little is known about the political interests behind diaspora policies.</br> This is the starting point for this dissertation, which aims to develop a deeper understanding of diaspora policies. The objective of this research is to determine factors that de-scribe and explain diaspora policies.</br>
This investigation takes the form of a structured focused comparison between the policy analysis of the two cases Cameroon and Ghana. Within the case studies, there is a special focus on two central diaspora policy measures: dual citizenship and voting rights for those abroad. In a certain sense Ghana’s diaspora policy is more developed than Cameroon’s. Moreover, it also contains measures aiming at the so-called “old African diaspora”.</br>
The most obvious finding to emerge from this study is that diaspora policy explaining factors have to be seen within the polity of a country. Transition and democratization processes play a crucial role for diaspo-ra policies. Therefore, this study reveals differences between authoritarian and democratic states.</br> First and foremost, governmental elites seek to secure their power and support of citizens abroad, which applies to both democratic and authoritarian regimes. However, in authoritarian systems general reservations about political participation impact and restrict cooperation with the diaspora. Moreover, inclusion of migrants through an active diaspora policy is not encouraged at all. Authoritarian regimes target segments of the diaspora that do not oppose the existing status quo. Further, diaspora policy is used to demonstrate an openness which in fact is not given.</br>
This research has also shown that while in authoritarian systems the political elites dominate diaspora politics and leave no space for other actors, party differences are gaining importance for diaspora politics in the context of democratic transition. Political parties compete for the support of citizens abroad, build and use networks with members of the diaspora to secure and gain power. Next to political parties, other actors can impact diaspora politics in democratic system.</br> With greater democratization, citizens abroad have a higher influence on diaspora politics through active membership in political parties or through politi-cal lobbying. However, diaspora’s influence also depends on its strengths and national fragmentation as well as strong networks with other political actors in the country of origin.</br>
One more significant finding to emerge from this dissertation is that return migration creates connections and networks between citizens abroad and political elites in the country of origin. This may be explained by the fact that returnees often hold political offices and are a central interface between diaspora politics and citizens abroad. In general, therefore, it seems that more return migration creates a stronger impulse for a more active diaspora policy within the political system.</br>
If states open political space, the International Organization for Migration (IOM) plays a central role, espe-cially in the design of diaspora policies. However, it has to be questioned whether this weakens the owner-ship of diaspora policies of the governments of countries of origin. In addition, research institutions also strengthen diaspora policies. In particular, within a democratic context they can shape diaspora policies. These findings suggest that these institutions should be included in research on diaspora policies in order to explain the diaspora policy of a specific state. Further, the research shows that normative and idealistic aspects have to be taken into account as they can form a basis for diaspora policy.</br> Moreover, the study results reveal the need for a differentiation between different diaspora policy measures. Diaspora political measures, which are accompanied by political rights (especially dual citizenship and voting rights abroad), are subject to stronger political interests than it is the case with development-related diaspora promotion.