Let’s talk about Sex Robots : empirical and theoretical investigations of sexualized robots
Ein Anwendungsbereich der hierbei besonders kontrovers diskutiert wird ist das Erbauen von Robotern zur Befriedung sexueller Bedürfnisse. Hierbei werden hyperrealistische Sexpuppen mit elektro- und feinmechanischen Bauelementen ausgestattet, welche auf Grundlage von Algorithmen und Datenstrukturen den Eindruck verbaler und nonverbaler Kommunikation vermitteln können (Bartneck & McMullen, 2018).
Auf Grundlage der Media Equation Theory (Nass & Moon, 2000; Reeves & Nass, 1996) kann davon ausgegangen werden, dass die so entstehenden sozialen Hinweisreize der Roboter zur Aktivierung von sozialen Skripten beim Menschen führen. Es ist darüber hinaus denkbar, dass gerade der sexualisierte Kontext der Interaktion aufgrund von distinkten Motivationen einen Einfluss darauf hat, wie sozial das artifizielle Gegenüber wahrgenommen wird. Dieses Potential wird beispielsweise in Hinblick auf mögliche negative Konsequenzen für die Objektifizierung von Frauen kritisiert (Richardson, 2016). Um die Chancen und Risiken der Technologie realistisch einschätzen zu können, sind empirische Untersuchungen unabdingbar, jedoch werden sexualisierte Interaktionen im akademischen Kontext oftmals außer Acht gelassen (Brewer, Kaye, Williams, & Wyche, 2006).
Das Ziel der vorliegenden Dissertation ist es, anhand von ausgewählten methodologischen Ansätzen sich eben genau dieser entstandenen Forschungslücke anzunehmen und das soziale Potential von sexualisierten Robotern zu untersuchen. Das soziale Potential wird hierbei in Form von perzeptuellen Prozessen und Evaluationen betrachtet, da diese Prozesse die Basis für weitere Interaktionen bilden.
Um eine umfassende Betrachtung zu erzielen, sollen nicht nur Evaluationen und Perzeptionen potentieller Nutzer, sondern auch potentielle negative Konsequenzen für das soziale Umfeld der Nutzer (hier in Form der Beziehungspartnerin) Betrachtung finden. Da sowohl die ersten robotischen Prototypen als auch die Verkaufszahlen bisheriger hyperrealistischer Sexpuppen darauf hindeuten, dass heterosexuelle Strukturen auch bei sexualisierten Interaktionen mit Robotern prävalent sein werden (Bartneck & McMullen, 2018), fokussieren die vorliegenden Untersuchungen heterosexuelle Männer als Nutzergruppen und heterosexuelle Frauen als deren Partner (Studie zur technologiebasierten Eifersucht).
Die erste Schrift untersucht den Einfluss von Einsamkeit, welche potentiellen Nutzern stereotypisch unterstellt wird und fokussiert darüber hinaus Unterschiede zwischen expliziten Attraktivitätsbewertungen von Frauen und Robotern und implizit abgerufenen Assoziationen (Szczuka & Krämer, 2017).
Schrift 2 befasst sich mit der Frage, ob die Darstellung von artifiziellen sekundären Sexualcharakteristika dazu führt, dass evolutionär eingeprägte Prozesse der Perzeption in Hinblick auf potentielle Partner auf Roboter übertragen werden (Szczuka & Krämer, 2019). Um dies angemessen zu untersuchen, wurde die Blickbewegung mittels Eye Tracking examiniert.
Die dritte Schrift ist eine theoretische Abhandlung, welche interdisziplinäre Theorien und Befunde aus den Bereichen der Medienpsychologie, Sexualwissenschaft und Sozialwissenschaft in Hinblick auf deren hemmenden oder bestärkenden Einfluss auf eine mögliche entstehende sexuelle Illusion gegenüber einem artifiziellen Sexpartner konzeptualisiert (Szczuka, Hartmann, & Krämer, accepted).
Die letzte Schrift betrachtet potentielle negative Konsequenzen für das soziale Umfeld der Nutzer in Form der Beziehungspartnerin (Szczuka & Krämer, 2018). Im Detail wurde hier untersucht, ob Roboter im gleichen Maße das Potential haben Eifersucht in Frauen auszulösen wie menschliche Kontrahentinnen.
Die Befunde der ersten Studie zeigen zum einen, dass Einsamkeit keine große Rolle in Attraktivitätsbewertungen hat und deutet darüber hinaus darauf hin, dass die schematische Darstellung sekundärer Sexualcharakteristika in Robotern ähnliche Assoziationen zum Konstrukt Attraktivität aktiviert wie menschliche Darstellungen. Die Ergebnisse der Eye Tracking Studie untermauern jedoch, dass Menschen auf einer perzeptuellen Ebene zwischen Robotern und Frauen unterscheiden, sobald klar ist, dass es sich um ein artifizielles Gegenüber handelt - ungeachtet der Menschen- oder Maschinenähnlichkeit der Roboter. In Kombination mit den in dem theoretischen Model betrachteten positiven und negativen Einflussfaktoren, welche auf die sexuale Illusion wirken, lässt sich aus den Ergebnissen ableiten, dass in initialen Rezeptionen Replikationen von Sexualcharakteristika durchaus ähnliche evaluative Assoziationen hervorrufen wie bei Frauen, dass jedoch bei Bewusstsein, dass es sich um artifizielle Gegenüber handelt unterschiedliche perzeptive Prozesse ausgelöst werden. Was jedoch bei der Betrachtung einer verantwortungsvollen Handhabung der Technologie berücksichtigt werden muss, ist das Potential der Theorie negative Konsequenzen für das soziale Umfeld zu schaffen.
Die Ergebnisse der vierten Schrift zeigen, dass Frauen sich bei der Vorstellung, dass ihr Partner Sex mit einem Roboter hatte, genauso unzulänglich fühlen, als hätte er eine sexuelle Interaktion mit einer anderen Frau gehabt. Somit darf nicht vergessen werden, dass die durch die Technologie induzierten Bewertungen des Selbst und der Beziehung negative Konsequenzen für das soziale Umfeld der Nutzer entstehen können.
Die Schriften des vorliegenden Cumulus liefern neue Erkenntnisse über evaluative und perzeptive Prozesse in Hinblick auf sexualisierte Roboter im Vergleich zu Frauen und bilden somit eine empirisch untermauerte Basis für Diskussionen um eine verantwortungsvolle Handhabung der Technologie und zukünftige Untersuchungen sexualisierter Interaktionen zwischen Menschen und artifizieller Sexpartner.