Die europäische Wasserrahmenrichtlinie im gesellschaftlichen Spannungsfeld des urbanen Raums : Untersuchung zu Akzeptanz und Partizipation im Flussgebietsmanagement

Die im Jahr 2000 erlassene Europäische Wasserrahmenrichtlinie (2000/60/EG) hat mit ihrem Ziel der Wiederherstellung des guten ökologischen Zustands für alle europäischen Wasserkörper (HAMMER et al. 2011; JAGER et al. 2016) einen stark umweltorientierten Fokus (HELDT et al. 2017). Flussgebiete sind hoch komplexe Ökosysteme, deren nachhaltiges Management nicht alleine durch Expertenwissen möglich ist (BONNEY et al. 2009; COLLINS et al. 2007; MAYNARD 2013; SNOWDEN et BOONE 2007). Das umweltfreundliche oder nicht umweltfreundliche Verhalten jedes einzelnen Wassernutzers hat Einfluss auf die Effektivität des Flussgebietsmanagements. Dadurch ist, vor allem in dicht besiedelten urbanen Räumen, die Akzeptanz in der breiten Öffentlichkeit für den Erfolg einer nachhaltigen Wasserwirtschaft essentiell (MOURATIADOU et MORAN 2007) und ihr Fehlen ein erhebliches Umsetzungshindernis für die EU-WRRL (FRÖR et al. 2016; UBA 2012). Viele Autoren sehen Partizipation der Bevölkerung als Möglichkeit, die Akzeptanz für die EU-WRRL „zu steigern“ (u. a. DESTEFANO 2010; EU 2003; NEWIG 2007). Als „new generation“ Richtlinie (LIEFFERINK et al. 2011) will die EU-WRRL durch Etablierung von integriertem Management sowie Kommunikations- und Partizipationsansätzen diese soziokulturellen und hoch politischen Aufgaben (ANTUNES et al. 2009; COLLINS et al. 2007) im europäischen Wassersektor lösen (FEICHTINGER et PREGERNIG 2016; GOULDSON et al. 2008; JAGER et al. 2016; KOCHSKÄMPER et al. 2016; Newig et al. 2016). Doch durch die unübersichtlichen Akteursstrukturen, die Abstraktheit des guten ökologischen Zustands und die durch die EU-WRRL geforderten formalen Partizipationsprozesse, ist Partizipation im europäischen Flussgebietsmanagement besonders anfällig für die Marginalisierung bürgerschaftlichen Engagements. Dies kann an Stelle der eigentlich angestrebten gesellschaftlichen Akzeptanz zu Legitimationsproblemen, festgefahrenen Konflikten und Protesten führen. Aus diesem Grund war es Ziel der vorliegenden Arbeit, herauszufinden, (1) wie Bürger ins Flussgebietsmanagement eingebunden werden können, damit die Umsetzung möglichst akzeptabel ist und von der Bevölkerung eher akzeptiert werden kann und (2) inwieweit ein solcher Ansatz im konkreten Kontext des europäischen Flussgebietsmanagements mit Blick auf die EU-WRRL integrierbar ist. Grundlage zur Beantwortung der Forschungsfragen war eine konzeptionelle Auseinandersetzung mit Akzeptanz und Partizipation. Die Ergebnisse zeigen, dass gesellschaftliche Akzeptanz durch einen subjektiven Bewertungsprozess jedes einzelnen Bürgers entsteht. Die Bewertung basiert auf dem persönlichen Wissen über und Identifikation mit den Zielen des Flussgebietsmanagements sowie der sich daraus ergebenden Motivation zu handeln. Grundlage für ein mehrheitlich positives Ergebnis dieser Akzeptanzbewertung in der Gesellschaft ist die Akzeptabilität des Flussgebietsmanagements. Sowohl Akzeptanz als auch Akzeptabilität können durch einen repräsentativen, inklusiven und kontinuierlichen Partizipationsprozess erreicht werden, der der Bevölkerung die Möglichkeit zur Selbstorganisation und Mitbestimmung bietet. Im Flussgebietsmanagement sollte der Partizipationsprozess durch eine zentrale Organisation unterstützt werden, die als verlässliche Ansprechstelle den Partizipationsprozess auf Flussgebietsebene koordiniert und als Vermittler zwischen lokalem bürgerschaftlichem Engagement und der etablierten Wasserwirtschaft moderiert. Zur Überprüfung der Implementierbarkeit der entwickelten Kriterien in die europäische Flussgebietsmanagementpraxis und ihrer Auswirkung auf Akzeptanz und Akzeptabilität wurde eine Mehrfallstudie durchgeführt. Die Ergebnisse der Untersuchung von zwei ausgewählten Fallstudien (Emscher, Deutschland; Themse, Großbritannien) zeigen, dass (1) die Umsetzung von Partizipation nach den in der vorliegenden Arbeit entwickelten Kriterien vor unterschiedlichen Länderkontexten - zumindest in Teilen - möglich ist und Auswirkung auf die gesellschaftliche Akzeptanz hat, (2) der Partizipationsprozess, der mehr dieser Kriterien erfüllt, tatsächlich auch mehr Kriterien für eine nachhaltige Akzeptanzbewertung bei den Teilnehmern anspricht, (3) die Wichtigkeit einer zentralen Organisation als Koordinator und Vermittler sich bestätigt und (4) jeder EU-Mitgliedstaat durch seinen Länderkontext vor individuellen Herausforderungen bei der Umsetzung eines partizipativen Flussgebietsmanagements steht. Der letzte Punkt zeigt, dass es zur Förderung von Akzeptanz und Akzeptabilität nicht sinnvoll ist, einen allgemeingültigen Prozess als Blaupause zu definieren und in die EU-WRRL zu integrieren. Basierend auf den Ergebnissen dieser Arbeit ist es vielmehr zu empfehlen, wie in anderen Bereichen der EU-WRRL, Kriterien als Rahmen vorzugeben. Dadurch wird jedem Mitgliedstaat eine Orientierung für die Entwicklung passender Prozesse gegeben und gleichzeitig eine gemeinsame Grundlage für die tatsächliche Umsetzung in den (transnationalen) Flussgebietseinheiten geschaffen.
By aiming to reach the good ecological status for all European water bodies (HAMMER et al. 2011; JAGER et al. 2016), the European Water Framework Directive (2000/60/EG; EU WFD) sets a strong ecological focus (HELDT et al. 2017). Because of their high complexity, the sustainable management of river basins cannot be based on pure expert knowledge (BONNEY et al. 2009; COLLINS et al. 2007; MAYNARD 2013; SNOWDEN et BOONE 2007). The willingness to commit to environmental-friendly behaviour of every single water user influences the effectivity of river basin management. Thus, public acceptance is essential for the success of sustainable water management, especially in urban areas (MOURATIADOU et MORAN 2007). Indeed, the lack of public acceptance is impeding the implementation of the EU WFD significantly (FRÖR et al. 2016; UBA 2012). Many scholars discuss public participation as a possibility to „raise public acceptance” (DESTEFANO 2010; EU 2003; NEWIG 2007). As a „new generation“ framework (LIEFFERINK et al. 2011) the EU WFD aims to solve these socio-cultural and highly political issues (ANTUNES et al. 2009; COLLINS et al. 2007) by requiring the member states to implement integrated management and public participation (FEICHTINGER et PREGERNIG 2016; GOULDSON et al. 2008; JAGER et al. 2016; KOCHSKÄMPER et al. 2016; Newig et al. 2016). But due to unclear social structures and the conceptual character of the good ecological status, the required formal public participation is prone to power bias and the marginalization of civic commitment. Consequently, the initial reason of participation, to raise public acceptance for river basin management, will be inverted and results in deficits in terms of legitimacy and thereby in severe conflicts and protest. Therefore, the research objective of this thesis is to understand (1) how to reach an acceptable and accepted river basin management by involving citizens and (2) how such an approach can be integrated in the context of European river basin management. As a basis, the terms acceptance and participation were subject of a conceptual study. The findings identify acceptance as a subjective assessment process based on the personal knowledge about and identification with river basin management as well as the resulting motivation of every citizen to act. As consequence, predominant public acceptance is to be reached by creating high acceptability in the first place. Both, acceptance and acceptability can be encouraged by a representative, inclusive and continuous participation process that provides the public with possibilities for self-organization and codetermination. In the context of river basin management, it is recommendable that participation is guided by a central organization. It can act as a reliable focal point that coordinates local processes on river basin scale and moderates between civic society and the professional water sector. To verify the feasibility of these criteria in the context of European river basin management, a case study with two cases (Emscher, Germany; Thames, United Kingdom) was conducted. The findings show that (1) it is possible to implement – at least parts of – the developed multi criteria approach in different national contexts of the EU with positive influences on public acceptance, (2) the process implementing more of the developed criteria, addresses more criteria for acceptance, (3) the leading role of a central organization proofed important and (4) due to the different national contexts, every EU member state faces individual challenges during the implementation of participative river basin management. The latter indicates that it is not advisable to define common implementation strategies as blueprints to rise acceptability and public acceptance for the implementation of the EU WFD. A recommendation based on the results of this thesis, is to predetermine, as successfully practiced in other parts of the EU WFD, a multi criteria approach for public participation embracing the concepts of acceptance and acceptability. Thus, every member states gains guidance for the development of a procedure that is suitable to the national context without compromising the needed freedom and flexibility. Simultaneously, a multi criteria approach would create a common framework for collaborations in trans-national river basins.

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