„Sich aufopfern“ oder „geopfert werden“? : Zur Darstellung menschlicher Verhaltensformen in Extremsituationen untersucht an Werken der Nachkriegsliteratur in Deutschland (nach 1945) und im Iran (nach 1986)
Die vorliegende Dissertation untersucht in ihrem ersten Teil zunächst sieben deutsche Erzählungen und Romane sowie zwei Spielfilme aus den Jahren 1945 bis 1955 von den Autoren bzw. Regisseuren Heinrich Böll, Gert Ledig, Hans Werner Richter, Wolfgang Staudte und Bernhard Wicki. Im zweiten Teil werden vier Romane der iranischen Autoren Ahmad Mahmoud, Hossein Mortezaein Abkenar, Hassan Mahmoudi und Alireza Gholami, die zwischen 1982 und 2014 abgeschlossen erschienen sind, bearbeitet.
Der Autor versucht seine Arbeit um den Begriff „Opfer“ im alltagssprachlichen Sinne sowie um den Gegenbegriff „Täter“ aufzubauen. Durch die kritische Textanalyse, insbesondere der Erzählstrukturen und der Figurengestaltung, erzielt er eine hilfreiche Differenzierung über die schematische Entgegensetzung von Opfer und Täter hinaus und kann ein typologisches Figurenspektrum aufzeigen z. B. passive und hilflose Opfer, sich selbst aus unterschiedlichen Motiven Aufopfernde, fanatische Täter, die religiös oder politisch motiviert sind, gewissenlose Täter, ‚gezwungene’ Täter etc.
Anhand der deutschen Texte wurde festgestellt, dass die Erfahrungen der Soldaten während der Kampfhandlungen, also an der Front überwiegen, während die Hauptthemen der iranischen Texte das Leiden der Zivilisten, die Notsituation der Städte während der Luftangriffe und die Nöte und Sorgen der Mütter um ihre Söhne umfassen.
Diese Ergebnisse beruhen auf der textanalytischen Methodik. Die sorgfältigen Interpretationen bzw. das close reading der Texte wurden in erster Linie auf inhaltliche Aussagen des Textes in Bezug auf die Opferthematik und in zweiter Linie auf spezifische Strukturen und Gestaltungsmittel des epischen Textes ausgerichtet. Zur Bereitstellung der notwendigen Informationen und zeithistorischen Hintergründe vor allem im iranischen Teil wurde besonderes Augenmerk auf die autorenbiografische Dimension gelegt, da diese Kenntnisse die Erhellung der Thematik für die deutsche Leserschaft erleichtern.
Man kann die Gesamtkonzeption der Arbeit als komparativ im Sinne einer interkulturellen Germanistik bezeichnen. Der Autor versucht, eine gleichartige Problematik unter historisch, kulturell und auch religiös unterschiedlichen Bedingungen ohne wechselseitiges Verhältnis oder Berührungspunkte zu vergleichen. Dabei muss erwähnt werden, dass diese Konzeption nicht im Sinne einer westeuropäisch geprägten littérature comparée verstanden werden soll.