Jugendliche als 'Systemsprenger' - Kritische Analyse möglicher Entstehungsgründe und sozialarbeiterische Handlungsmöglichkeiten

Die Entwicklung von Jugendlichen ist stark geprägt durch vielfältige gesellschaftliche und persönliche Bedingungen, unter denen sie aufwachsen. Sie erfolgt stets im Kontext von institutionell-öffentlichen (Hilfe- und Unterstützungs-)Systemen (Schule, Arbeitsagentur/ Jobcenter, Kinder- und Jugendhilfe). Im Rahmen dieser erfolgt die Bezeichnung von Jugendlichen als Systemsprenger, wenn Jugendliche wiederholt die (Hilfe- und Unterstützungs-)Systeme vorrübergehend nicht für sich beanspruchen (können) und/oder von diesen drohen ausgeschlossen zu werden bzw. vorrübergehend ausgeschlossen werden.

Die vielfältigen gesellschaftlichen und persönlichen Bedingungen stellen das Gesamtsystem der Jugendlichen dar und bergen Vulnerabilitäten für deren Entwicklung. Sie lassen sich im Rahmen von sechs Indikatorgruppen zusammenstellen:

1. Die gesellschaftliche Teilhabe steht in einem Abhängigkeitsverhältnis von ökonomischen, sozialen, kulturellen und räumlichen Lebenslagen, welche durch die Integration der Menschen in den Erwerbsmarkt ermöglicht, erhalten und optimiert werden kann. Jugendlichen sind hierbei Risiken ausgesetzt, so dass ihnen im Rahmen ihres Bildungswegs unter Umständen eine Integration in den Arbeitsmarkt missling. Fehlende finanzielle Ressourcen sowie ein unbeständiger Wohnort beeinflussen bereits zu Anfang die Integration und verstärken negative Integrationsprozesse.

2. Eine Verantwortungsverschiebung innerhalb der Kinder- und Jugendhilfe oder das Ausweichen auf andere Rechtsrahmen können eine Zuständigkeitswahrnehmung verhindern oder legitimieren. Auf formaler Ebene kann die Erhaltung des Systems, ob Schule, Jugendamt oder Jobcenter, und dem, damit zusammenhängenden Auftrag gegenüber der jungen Menschen im Allgemeinen der individuellen Unterstützungsnotwendigkeit des einzelnen Jugendlichen vorgehen, so dass diesem in seiner spezifischen Situation eine bedarfsgerechte Unterstützung zur gesellschaftlichen Teilhabe verwehrt bleibt. Im Rahmen der institutionellen Handlungsfähigkeit wird dies durch systemlogisches Handeln legitimiert, welches oftmals das Sicherstellen und die Erhaltung von Arbeitsprozessen und -strukturen erzielt.

3. Phänomene wie abweichendes Verhalten, Kriminalität und Gesundheit stehen stets in Kontexten gesellschaftlicher Bewertungen und verfügen über keine Allgemeingültigkeit als formalisierte gesetzliche Bestimmung, sodass sie durch Jugendliche in Aushandlungsprozessen erfahren werden. Hierbei können sich Jugendliche in ihrem subjektiven Verlangen nach Wirkmächtigkeit nicht ernst genommen fühlen und stattdessen auf Normalitätsansprüchen, Erwartungshaltungen und Erklärungsweisen bestimmter Phänomene reduziert werden.

4. Erfahrungen im Rahmen der Herkunftsfamilie, des sozialen (außerfamiliären)Umfelds, migrationsbedingte Diversität, sexuelle Identitätsklärung, religiöse Identität und ethnische Ausrichtungen können für Jugendliche belastend erlebt werden und zu Orientierungsdefiziten führen. Ein kritischer Umgang mit Alkohol, Drogen und/ oder Medikamenten kann die gesellschaftliche Teilhabe erschweren.

5. Es bestehen Ambivalenzen in der Lebensrealität aufgrund unterschiedlicher Ressourcen und Teilhabechancen zwischen Jugendlichen innerhalb Europas und im Rahmen der zunehmenden Mediennutzung. Durch ihre Wahrnehmung verstärken sich die Ungleichheitsprozesse innerhalb der jeweiligen Lebensrealität. Die Nutzung medialer Dienste erfolgt in Abhängigkeit individueller Interessen, Fähigkeiten und finanzieller Ressourcen, sodass die Partizipation an demokratischen Prozessen und die soziale Teilhabe nur bedingt möglich ist.

6. Die intrapersonelle Bewältigung erlebter Erfahrungen und Lebenssituationen beeinflussen die Wahrnehmung der eigenen Lebensrealität. Negative Betrachtungsweisen und Bewertungen führen zu subjektschädigen Überzeugungen und Verhaltensweisen, sowie beeinflussen sie zukünftige Erfahrungen und Situationen.

Das Gesamtsystem der Jugendlichen bildet sich somit aus den Lebenserfahrungen und -situationen innerhalb der oben genannten Indikatorgruppen mit möglichen Risiken für das Aufwachsen der Jugendlichen. Daraus ergibt sich der psychische Sinn des Jugendlichen. Im Rahmen der institutionell-öffentlichen (Hilfe- und Unterstützungs-)Systemen erfahren die Jugendlichen einen Sozialisierungsprozess mit zugrundeliegendem sozialem Sinn. Eine hohe erlebte Diskrepanz zwischen dem psychischen Sinn und dem sozialen Sinn begünstigen (Selbst-)Ausgrenzungsprozesse, welche zur Entstehung von Systemsprengern in den (Hilfe- und Unterstützungs-)Systemen beiträgt. Die Soziale Arbeit kann auf diese Situation aufmerksam machen und die Hilfe- und Erziehungsbedürftigkeit der Jugendlichen darstellen, indem sie die Zusammenhänge bisheriger Vermittlungsleistungen zwischen dem psychischen und sozialen Sinn aufzeigt. Dies wird mithilfe des sozialarbeiterischen Blicks, als Interaktionsplattform (d.h. durch eine bestimmte Beobachtungs- und Kommunikationsweise) ermöglicht um daran anknüpfend sozialarbeiterische Handlungsmöglichkeiten zu entwickeln, die zur Teilnahme befähigen bzw. eine Reintegration ermöglichen.

The development of young people is defined by various social and personal conditions while growing up and embedded in the overall context and effect of institutional systems such as auxiliary systems and social services e.g. school job centre and child and youth welfare.

In relation to this, the term disconnected youth is used to describe young people, who repeatedly do not able/want to claim these systems and services for themselves or are even in the situation to be excluded from them. In this thesis, the various social and personal conditions were summarized into six indicator groups. These represent the overall system of life experience and living conditions in which young people find themselves and potential vulnerabilities for their personal development. Based on this is the mental sense of the youth. As part of the institutional auxiliary systems and social services, a socialization process with a certain social sense is tried to be realized for young people. A high discrepancy between the mental and social sense may lead to (self-)exclusion as a contribution to disconnected youth in auxiliary systems and support social services. Social work can point out these occurrences and present young people´s need of assistance and support, showing interrelationship of agency services between the mental and social sense.

With the help of the social work´s view as interaction platform, which means a certain way of observation and communication, enable to develop opportunities for action, helping and supporting young people to reintegrate into the system.

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