Integrative und interaktive Mechanismen bei der Entscheidungsfindung unter objektivem Risiko : Die Verarbeitung langfristiger Konsequenzen und ungefährer Zahlen

Das Treffen von Entscheidungen stellt in Abhängigkeit von der Situation und der Person unterschiedliche Anforderungen an kognitive Prozesse. Die Situation bedingt, welche Informationen zum Treffen einer Entscheidung zur Verfügung stehen. Die Person bedingt, wie diese Informationen verarbeitet werden. Die vorliegende Dissertation fokussiert Entscheidungssituationen unter objektivem Risiko, bei denen im Vorfeld explizite Informationen über mögliche Konsequenzen einer Entscheidung und deren Wahrscheinlichkeiten vorliegen. Sogenannte Dual-Prozess Theorien postulieren zwei Arten von Informationsverarbeitungsprozessen, die miteinander interagieren: emotionsbasiert-intuitive und analytisch-reflektierende Prozesse (für einen Überblick siehe z.B. Evans & Stanovich, 2013). Derartige Dual-Prozess Annahmen finden sich in verschiedenen Forschungsansätzen wieder, so auch bezüglich Forschung zur Abwertung verzögerter Konsequenzen, Zahlenverarbeitung und Entscheidungsfindung unter objektivem Risiko. Studien zeigen, dass bei objektiven Risikoentscheidungen jene kognitiven Funktionen bedeutsam sind, die der reflektierenden Verarbeitung zugeschrieben werden (Arbeitsgedächtnis, Exekutivfunktionen und Wahrscheinlichkeits-verarbeitung). Mechanismen des Zusammenwirkens dieser mit intuitiven Faktoren wurden jedoch in diesem Kontext bislang kaum empirisch untersucht. Hierfür mangelt es unter anderem an experimentellen Methoden zur Operationalisierung von Fähigkeiten, intuitive und reflektierende Verarbeitungsprozesse beim Treffen von Entscheidungen zu integrieren. Die vorliegende kumulative Dissertation adressiert ebendiese Forschungs-lücken. Dabei werden Dual-Prozess Annahmen über die Verarbeitung zeitlich unterschiedlicher Konsequenzen sowie über die Verarbeitung von Zahlen im Kontext objektiver Risikoentscheidungen betrachtet. Schrift 1 untersucht Entscheidungen, die eine Integration von Informationen über in Konflikt stehende kurzfristige (intuitive Verarbeitung) und langfristige Konsequenzen (reflektierende Verarbeitung) erfordern. Zusätzlich werden Interaktionen zwischen Eigenschaften der Person und der Situation (in Form von Feedback), welche jeweils mit intuitiver bzw. reflektierender Verarbeitung assoziiert werden, bei derartigen Entscheidungen untersucht. Um diese spezifischen Entscheidungssituationen abzubilden, wurde ein neues Instrument entwickelt, mit dem Feedback über kurz- und langfristige Konsequenzen im Rahmen objektiver Risikoentscheidungen systematisch variiert werden kann. Die Ergebnisse zeigen, dass die individuelle Neigung zu reflektierender Verarbeitung nur dann einen positiven Effekt auf die Entscheidungsleistung hat, wenn kein Feedback über langfristige Konsequenzen vorliegt. Schrift 2 und Schrift 3 untersuchen die Beteiligung intuitiver Zahlen-verarbeitungsprozesse (Approximation) beim Treffen objektiver Risikoentscheidungen. Schrift 2 prüft direkte Effekte von Fähigkeiten, ungefähre, approximierte Zahlen (intuitiv) zu verarbeiten und an verschiedenen Stufen des Entscheidungsprozesses adäquat zu integrieren. Zur Operationalisierung entsprechender Fähigkeiten bestand die Notwendigkeit der Entwicklung eines weiteren, neuen Instruments. Unter dessen Verwendung wird aufgezeigt, dass die Fähigkeit, von approximierten Zahlen präzise Risikoevaluationen ableiten zu können, die Entscheidungsleistung unter objektivem Risiko bedeutend mitbedingt, über den Einfluss reflektierender Kompetenzen hinaus. Daran anschließend prüft Schrift 3 Interaktionen zwischen ungefähren (intuitiven) und exakten (reflektierenden) Zahlenverarbeitungskompetenzen. Die Ergebnisse zeigen, dass eine hohe Approximationspräzision mit Fähigkeiten zur exakten Zahlenverarbeitung (Exekutivfunktionen und Numeracy) interagiert. Die Befunde deuten an, dass intuitive Verarbeitungskompetenzen Defizite in reflektierenden Kompetenzen zum Teil kompensieren können. Insgesamt bieten die Befunde der Schriften des vorliegenden Kumulus neue Erkenntnisse über das Zusammenspiel von intuitiv und reflektierend assoziierten Verarbeitungsprozessen im Rahmen der Entscheidungsfindung unter objektivem Risiko. Die Einordnung der Ergebnisse unter Einbezug multidisziplinärer Dual-Prozess Ansätze ermöglicht eine Konkretisierung und Erweiterung bisheriger Annahmen, wofür die vorliegende Arbeit Vorschläge anbietet. Die beiden neu entwickelten Instrumente stellen zudem wichtige Ansatzpunkte für Folgestudien zur Erforschung spezifischer kognitiver Teil-Prozesse der Entscheidungsfindung dar wie beispielsweise dem Abwägen von Konsequenzen oder dem (intuitiven) Evaluieren von Risiken.
Decision making places different demands on cognitive processes, depending on situational and individual factors. Decision situations under objective risk offer information about possible consequences and their probabilities, which enables a priori evaluations of the given options based on objective criteria. Research shows that advantageous decisions in such situations are associated with characteristics that favor reflective information processing (e.g. low impulsivity, high executive control, or ratio processing skills). A variety of theories postulate a dual-process approach with reflective (analytical) and intuitive (emotion-based) processes interacting. This is also assumed for decisions under objective risk. However, interactions between these processes have yet rarely been differentiated regarding the involvement of situational and individual factors in this context. Also, there is a lack of instruments for operationalizing respective individual abilities and manipulating situational factors. This dissertation fills these research gaps. Script 1 investigates decisions that require the integration of conflicting short-term (intuitive processing) and long-term consequences (reflective processing). Therefore, a new decision task was developed, which represents respective situations and allows systematic feedback variations. Using this, interaction effects between processing preference (individual factors) and feedback (situational factor) on these kind of objective risk decisions are analyzed. The results indicate that intuitive processing preferences lead to risky (short-term-oriented) decision making, but only in case feedback on short- but not on long-term consequences was present. Script 2 and script 3 look at the involvement of intuitive number processing (approximation) in decision making under objective risk. Script 2 investigates direct effects of different abilities to integrate approximate numbers in the decision making process. By using a newly developed task, the meaningful effects of approximative risk-evaluation skills are highlighted. Script 3 analyses interactions of exact and approximate number processing on decisions under objective risk. Interactions between executive functions, numeracy, and approximation skills are reported, suggesting compensatory effects of intuitive number skills in case of low reflective skills. Overall, the reported findings provide new insights on the interplay between reflective and intuitive processes with situational and individual factors in decision making under objective risk. The classification of the results by involving multidisciplinary dual-process approaches enables putting previous assumptions into concrete terms.

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