Die Verwendung des Alten Testaments in den Kindheitsgeschichten des Lukas

Fragen des Vorlagetextes und der Zitation bestimmen den Inhalt des Kapitels „Arten der Schriftverwendung". Es geht hier u.a. um Hebräische und Griechische Bibeltexte und ihre Verwendung durch neutestamentliche Autoren. Weder die heiligen Schriften auf Hebräisch noch die Übersetzung ins Griechische (Septuaginta) lagen zur Zeit des Lukas in einer normierten und verbindlichen Form vor. Die Texte waren jahrhundertelang in Bewegung und wurden erst in späteren Jahrhunderten kanonisiert. Die Identifikation eines Autors mit seinem Prätext läuft nicht nur über direkte Zitate, sondern auch über Anspielungen und die Verwendung biblischer Schemata ab. Dabei ist die Trennlinie zwischen bewussten Bezügen und der bloßen Verwendung von biblischem Vokabular nicht mehr genau zu ziehen. Von Bedeutung ist deshalb die genaue Definition von Zitaten, Anspielungen und Schemata. Untersuchungen zu den Verwendungsmöglichkeiten des Alten Testa-ments im Neuen, z.B. in typologischer oder allegorischer Art, sowie Erläuterungen zum Begriff „Intertextualität" und „Midrasch" beenden dieses Kapitel. In den Kindheitsgeschichten des Lukas spürt man deutlich, dass der Verfasser das „Alte Testament" nicht nur benutzt, sondern völlig aus dessen Glaubenswelt lebt und daraus die Texte des Neuen Testaments formuliert. Für ihn sind die jüdischen Wurzeln nicht aufgebbar, denn es geht ihm um die Kontinuität der Heilsgeschichte. Der christliche Glaube beruht nicht nur auf jüdischer Verheißung, sondern ist identisch mit dem wahren jüdischen Glauben. Das Christusereignis ersetzt nicht die bisherige jüdische Tradition, sondern ist deren Sinnspitze. In diesem Zusammenhang werden u.a. die Fragen nach der Ent-stehungssituation der Kindheitsgeschichten, nämlich nach Autor, Ent-stehungszeitraum und Verfassungsort erörtert. Lediglich zweimal bezieht sich Lukas auf Zitate aus dem Alten Testament, nämlich in Lk 2,23 (Darstellung im Tempel) und Lk 2,24 (Reinigung Marias). Die Anspielungen auf Texte des Alten Testaments sind zahlreicher, als solche aber nicht immer erkennbar und nur durch intensive intertextuelle Vergleiche feststellbar. Ihre Fülle macht es notwendig, sie auf die Prophetenbücher Daniel und Maleachi zu beschränken. Lukas übernimmt aus dem Alten Testament eine Reihe von Schemata, u.a. das Verkündigungs- und das Berufungsschema (Lk 1,5–17 und Lk 1,26–33). Diese werden alttestamentlichen Vorbildern gegenübergestellt: Hagarerzählung: Gen 16,1–12; Gideonerzählung: Ri 6,11b–22. Auch das lukanische Geburtsschema (Lk 1,57–80 und Lk 2,1–40) wird mit alttestamentlichen Geburts- und Rettungsgeschichten verglichen. Ausgangspunkte für Bezüge zum Alten Testament können z.B. das Kerygma, die Verkündigung: Jesus ist der Christus, sowie der Glaube an die Erfüllung alttestamentlicher Schriften im Neuen Testament sein. Denn was Gott bisher in der Geschichte Israels bewirkt hat, ist im Geschick Jesu an seinem Höhepunkt angekommen. Auch die typologische Zuordnung bestimmter Personen und Gegebenheiten des Neuen Testaments zu solchen des Alten spielt eine große Rolle, denn dadurch werden alt-testamentliche Ereignisse, wie etwa die Geburt des Moses und seine Flucht nach Ägypten, zum Typos des Christusgeschehens. Im Abschlusskapitel geht es um den Stellenwert der Textübernahmen sowie um heutige Leser und ihre Kontexte. Die Überwindung des Hyperpaulinismus durch Lukas und Überlegungen zur bleibenden Gültigkeit der Verheißungen des Gottes Israel beschließen die Arbeit.

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