Altersteilzeit weiterhin fördern, aber Option für Umgestaltung eröffnen
Stellungnahme zur öffentlichen Anhörung des Bundestagsausschusses für Arbeit und Soziales am 1. März 2010 zum Gesetzentwurf der Fraktion der SPD sowie einem Antrag von Abgeordneten der Fraktion DIE LINKE zur Fortsetzung der Förderung der Altersteilzeit
-
Zusammenfassung
- Die Altersteilzeit hat dazu beigetragen, das faktische Renteneintrittsalter an die gesetzliche Rentenaltersgrenze anzunähern, und sie hat damit die Wirksamkeit der Rentenreformen 1992 und 1996 unterstützt. Das entspricht den Zielen der 2006 von der Bundesregierung gestarteten "Initiative 50 plus" und den beschäftigungspolitischen Leitlinien der EU.
- Ein Instrument, das die Arbeitsbelastung in den Jahren vor dem Übergang in eine Altersrente verringert oder notfalls verkürzt, ohne dass es zu einer proportionalen Absenkung des aktuellen Arbeitseinkommens und insbesondere der späteren Alterseinkünfte kommt, wird angesichts des fortschreitenden demographischen Wandels, der in Kürze beginnenden Anhebung der gesetzlichen Regelaltersgrenze in Richtung auf die "Rente mit 67" und der zunehmenden Belastungen am Arbeitsplatz in Zukunft noch dringender erforderlich sein.
- Wegen des öffentlichen Interesses an einer Steigerung der Erwerbstätigenquoten Älterer, der Vermeidung von Altersarbeitslosigkeit und der Nutzung der Erfahrungen älterer Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer im Wirtschaftsprozess ist die öffentliche Förderung eines solchen Instruments gerechtfertigt. Seit dem 1.1.2010 besteht eine solche Förderung bei der Altersteilzeit nur noch in Form der Steuer und Abgabenbefreiung der Aufstockungsbeträge. Von dieser Form der Förderung geht wenig Anreiz und keinerlei Steuerungswirkung aus.
- Tarifvertragliche Rahmenregelungen und ihre Konkretisierung durch Betriebsvereinbarungen waren für die Umsetzung des Altersteilzeitgesetzes von entscheidender Bedeutung. Die meisten Altersteilzeit-Tarifverträge waren auf den Geltungszeitraum der Förderung durch die Bundesagentur für Arbeit befristet. Angesichts der geringen Zahl entsprechender tariflicher Neuregelungen ist davon auszugehen, dass die Zahl der jährlichen Neueintritte in Altersteilzeit ab 2010 deutlich zurückgehen wird. Eine solche Entwicklung wäre im Hinblick auf die langfristige Strategie zur Förderung der Alterserwerbsarbeit nicht wünschenswert, und sie würde die personalpolitische Bewältigung der aktuellen Wirtschaftskrise erschweren. Es bedarf daher eines Anreizes für die Tarifpartner, die Rahmenregelungen für die Altersteilzeit zu erneuern.
- Angesichts des dringenden Handlungsbedarfs, der für Debatten über eine grundlegende Umgestaltung des Instruments aktuell keinen Raum lässt, kann der Vorschlag der SPD-Fraktion befürwortet werden, weil er die Verlängerung der bisherigen Form der Förderung nur befristet vorsieht und sie auf die bisher bedeutendste Gruppe von ersatzweise Eingestellten konzentriert. Mit dieser Regelung kann das Instrument "Altersteilzeit" am Leben und das Fenster für künftige Gestaltungen offen gehalten werden.
- Die ganz überwiegende Inanspruchnahme von Altersteilzeit in der Form des so genannten Blockmodells entspricht nicht dem Ziel einer Verlängerung der wirtschaftlich produktiven Lebensphase. Eine der Ursachen für die Bevorzugung des Blockmodells dürfte die Regelung sein, dass die bisherige Arbeitszeit im Durchschnitt halbiert werden muss. Es wird daher empfohlen, auch die Reduzierung der bisherigen Arbeitszeit um durchschnittlich nur ein Viertel oder ein Drittel als Formen der Altersteilzeit zuzulassen. Hierdurch kann eine künftige Verschmelzung des Altersteilzeitgesetzes mit dem Teilzeit (und Befristungs ) gesetz vorbereitet werden, wobei der Altersübergang einen von mehreren Anlässen darstellen könnte, Teilzeitarbeit öffentlich zu fördern.
- Indem der Gesetzgeber 1996 die direkte Förderung der Altersteilzeit der Bundesagentur (damals " anstalt") für Arbeit anlastete und sie deshalb an die ersatzweise Einstellung von Arbeitslosen und Ausbildungsabsolventen koppelte, hat er in dieser Förderungslogik die überkommene Vorstellung verankert, dass Ältere "Platz machen" sollen für andere. Diese Logik steht im Widerspruch zum langfristigen Ziel, eine "Kultur der Altersarbeit" zu entwickeln. Deshalb sollte langfristig eine andere Förderungslogik und quelle gefunden werden als die Arbeitslosenversicherung.
- Die Daten und Forschungslage zur Altersteilzeit erweist sich als unbefriedigend, sobald man differenzierte Fragen nach der Funktion der Altersteilzeit im Altersübergang sowie nach der Veränderung dieser Funktion im Zeitablauf stellt. Die Bundesregierung sollte die Neugestaltung der Altersteilzeit durch entsprechende Forschungen vorbereiten lassen.