Untersuchungen zum Einfluss von Glycin auf die Schädigung des Dünndarms der Ratte durch absolute mesenteriale Ischämie und Reperfusion

Die akute mesenteriale Ischämie ist ein meist tödlich verlaufendes Krankheitsbild des klinischen Alltags. Die Aminosäure Glycin ist eine quasi ubiquitär vorkommende einfache Substanz. In vielen experimentellen Tiermodellen wurde demonstriert, dass Glycin die mesenteriale Ischämie- und Reperfusionsschädigung vermindern kann und somit ein potentieller Therapieansatz dieses schwerwiegenden Krankheitsbildes ist. Allerdings wurde dies bisher nur in experimentellen Tiermodellen der sogenannten low-flow-Ischämie nachgewiesen, bei der das betroffene Gebiet der Ischämie noch von einem minimalen Blutfluss versorgt wird ohne eine adäquate Sauerstoffversorgung aufrecht zu erhalten. Ob und wie Glycin die Schädigung des Dünndarms durch absolute mesenteriale Ischämie und Reperfusion beeinflusst, ist bisher nicht bekannt. Im Rahmen der vorliegenden Arbeit wurde zunächst ein neuartiges und gut reproduzierbares Modell der segmentalen absoluten mesenterialen Ischämie und Reperfusion des Dünndarms der Ratte etabliert. Die Ergebnisse der vorliegenden Arbeit zeigen, dass eine no-flow-Ischämie und Reperfusion zu einer stärkeren Schädigung des Dünndarms führt als eine low-flow-Ischämie und Reperfusion. Außerdem unterstützen die Ergebnisse größtenteils das Reflow-Paradoxon, einen pathophysiologischen Aspekt der Mikrozirkulation bei dem die Gewebeschädigung durch die Reperfusion paradoxerweise zunimmt, sowie das no-reflow-Phänomen, dass währenddessen die Kapillaren in der Reperfusion vermindert wiederdurchblutet werden. Das Hauptergebnis dieser Arbeit ist, dass die verwendete Glycindosis unter no-flow-Bedingungen die Schutzwirkung nicht so entfaltet wie unter low-flow-Bedingungen. Ein möglicher Erklärungsansatz ist, dass es während der langen no-flow-Ischämie von 60 Minuten zu einer Glycin-Depletion im Ischämie-betroffenen Gewebe und somit zu einem Wirkungsverlust nach einer längeren Ischämiezeit kommt. In einem low-flow-Ischämie-Modell dagegen kann Glycin weiterhin das betroffene Gewebe erreichen. Die im Rahmen der vorliegenden Arbeit applizierte Glycindosis könnte daher zu niedrig sein, um einen Schutzeffekt in diesem Tiermodell mit der vergleichsweisen hohen Ischämie-Reperfusionsschädigung zu bewirken. Ein anderer Erklärungsansatz ist, dass Glycin in Adenosin-triphosphat-depletierten Zellen antagonistisch an den Glycinrezeptoren wirkt. Um einen eventuellen Schutzeffekt von Glycin in der absoluten Ischämie nachzuweisen, müssten weitere Versuche durchgeführt werden. Beispielsweise könnte Glycin im Rahmen einer klinischen Studie bei einer Aortenaneurysma-Operation, die eine vollständige Unterbrechung der Dünndarmperfusion bedingt, infundiert werden. Wenn die Infusion von Glycin in der Spätphase der Erkrankung die Mortalität des Krankheitsbildes der akuten mesenterialen Ischämie reduzieren würde, würde dies einen enormen Fortschritt in der Therapie dieser meist tödlich verlaufenden Krankheit bedeuten.

Vorschau

Zitieren

Zitierform:
Zitierform konnte nicht geladen werden.

Rechte

Nutzung und Vervielfältigung:
Alle Rechte vorbehalten