Einfluss von Silber auf die Vitalität von Biofilmen klinisch relevanter Bakterien : Induziert Silber den „viable but nonculturable“-Zustand?

Diese Arbeit wurde im Rahmen eines vom Bundesministerium für Bildung und Forschung geförderten Projekts „Nanosilber – Wirkmechanismen und Untersuchungen ihrer möglichen Interaktionen mit Geweben, Zellen und Molekülen. Definition ihres relevanten Unverträglichkeitspotentials“ durchgeführt (www.nanosilver-project.info). Die antimikrobielle Wirksamkeit von Nanosilber (AgNPs) wurde in der vorliegenden Arbeit einerseits anhand von dispergierten AgNPs und andererseits anhand von AgNP-haltigen Medizinprodukten (Knochenzemente, Knochenimplantate und Kollagenfolien) untersucht. In den meisten Studien wird die antimikrobielle Wirksamkeit von Silber ausschließlich anhand von planktonischen Bakterien untersucht, ohne die Lebensform des Biofilms zu berücksichtigen. Da Biofilme jedoch für einen Großteil der Infektionen im Menschen verantwortlich sind, ist die Berücksichtigung von Biofilmen bei der Untersuchung der antimikrobiellen Wirksamkeit von Silber besonders wichtig. Aus diesem Grund wurde in der vorliegenden Arbeit die antimikrobielle Wirksamkeit von AgNPs und Silbernitrat anhand von planktonischen Bakterien und Biofilmen untersucht. AgNPs waren in der Lage das Wachstum der klinisch relevanten Bakterien Pseudomons aeruginosa, Staphylococcus aureus und Staphylococcus epidermidis vollständig zu hemmen. Zudem zeigten AgNPs das Potential, die Biofilmbildung dieser Bakterienstämme zu inhibieren. AgNPs zeigten auch eine inaktivierende Wirkung (Abnahme der Koloniezahlen) auf bereits etablierte Biofilme und planktonische Bakterien in der stationären Wuchsphase. Biofilme waren jedoch deutlich weniger empfindlich gegen AgNPs als planktonische Bakterien. Vergleicht man die Wachstumshemmung, die Hemmung der Biofilmbildung und die Inaktivierung von Biofilmen durch AgNPs mit Silbernitrat (beruhend auf theoretisch berechneter Silberbasis), dann ist die Wirksamkeit von AgNPs deutlich geringer als die von Silbernitrat. Die Tatsache, dass die Bakterien nach Silber-Exposition nicht mehr kultivierbar waren, muss nicht bedeuten, dass sie abgetötet wurden. Unter für sie ungünstigen Bedingungen können Bakterien in einen nicht kultivierbaren (viable but nonculturable (VBNC)-Zustand) übergehen. In diesem Zustand sind sie unter den Kultivierungsbedingungen, unter denen sie normalerweise wachsen, nicht mehr kultivierbar. Es ist jedoch nicht auszuschließen, dass sie wieder in den kultivierbaren Zustand zurückkehren, denn diese Bakterien sind nicht tot und weisen einen Erhaltungsstoffwechsel auf. Es gibt bisher keine Studie, in der ein silberinduzierter Übergang in den VBNC-Zustand untersucht wurde. Aus diesem Grund wurden in der vorliegenden Arbeit kulturelle und kultivierungsunabhängige Methoden eingesetzt, um den physiologischen Zustand von silberexponiertem P. aeruginosa, unter Berücksichtigung des VBNC-Zustandes, zu untersuchen. Es wurde festgestellt, dass P. aeruginosa in Gegenwart von Silber (AgNPs und Silbernitrat) in einen nicht kultivierbaren Zustand überging, in dem unterschiedliche Vitalitätsparameter, sowohl bei Biofilmen als auch bei planktonischen Bakterien, noch nachweisbar waren. Die silberexponierten Bakterien wiesen das Vorhandensein von DNA (DAPI-Färbung) und ribosomaler RNA (Fluoreszenz-in-situ-Hybridisierung), Erhalt der Membranintegrität (LIVE/DEAD-Färbung und Propidiummonoazid Real Time Quantitative TaqMan PCR (PMA-qPCR)), das Vorhandensein von ATP und eine nicht zerstörte Zellmorphologie (Rasterelektronenmikroskopie) auf. Betrachtet man die Vitalitätsfaktoren einzeln, dann ist keiner von ihnen allein aussagekräftig. Betrachtet man sie jedoch in der Summe, dann ergibt sich klar, dass diese Bakterien nicht abgetötet wurden, sondern sich im VBNC-Zustand befanden. Es wurde zudem untersucht, ob sich das Proteom von P. aeruginosa im silberinduzierten VBNC-Zustand gegenüber der silberfreien Kontrolle verändert hat. Sowohl bei den planktonischen Bakterien als auch bei den Biofilmen sind deutliche Unterschiede zu erkennen. Die zweidimensionale differentielle Gelelektrophorese (2D-DIGE) wurde in der vorliegenden Arbeit erstmals zur Charakterisierung des Proteoms von VBNC-Bakterien eingesetzt und stellte sich als geeignete Methode heraus, um die Veränderung des Protein-Fingerabdrucks von Bakterien im VBNC-Zustand zu untersuchen. Es wurden sowohl Proteine herauf- als auch herunterreguliert. Es gibt unterschiedliche Wirkmechanismen von Silber gegenüber Bakterien. Anhand von planktonischen Bakterien und Biofilmen von P. aeruginosa wurde untersucht, ob die Entstehung von reaktiven Sauerstoffspezies und die Interaktion mit Thiolgruppen im verwendeten Testsystem eine Rolle spielen. Hierzu wurden Scavenger für reaktive Sauerstoffspezies und SH-Gruppen enthaltene Substanzen zu silberexponierten Zellen gegeben. Die Entstehung von reaktiven Sauerstoffspezies wie Hydroxylradikalen und Wasserstoffperoxid scheint lediglich bei der Wirkung von AgNPs eine Rolle zu spielen. Die Interaktion von Silber mit Thiolgruppen (beispielsweise an Proteinen) scheint sowohl im Falle von Silbernitrat als auch im Falle der AgNPs eine wichtige Rolle bei der antibakteriellen Wirkung auf P. aeruginosa zu spielen. Zusätzlich zu den Versuchen mit AgNP-Dispersionen wurden AgNP-dotierte Medizinprodukte (Knochenzement mit und ohne Gentamicin, Titan und Kollagenfolien) bezüglich ihrer antimikrobiellen Wirksamkeit, der Hemmung der Biofilmbildung und des Einflusses auf die Vitalität von P. aeruginosa, S. aureus und S. epidermidis untersucht. Die in vitro ermittelten Ergebnisse der AgNP-dotierten Medizinprodukte in LB-Medium zeigten bei den drei Bakterienspezies keinen inhibierenden Effekt auf die Biofilmbildung. Zudem wurde kein bedeutender Einfluss auf die Vitalität der Biofilme im Vergleich zu den silberfreien Medizinprodukten festgestellt. In der Fachliteratur gibt es widersprüchliche Ergebnisse zur Wirksamkeit von (nano-)silberhaltigen Medizinprodukten. Dies gilt sowohl für in vitro als auch für in vivo Untersuchungen. Es fehlen, abgesehen von silberhaltigen Wundauflagen, bislang klinische Studien, die die Wirksamkeit von silberhaltigen Medizinprodukten, wie Knochenzementen oder Knochenimplantaten, nachweisen. Es gibt zudem Studien, die zeigen, dass das therapeutische Fenster von Silber sehr schmal ist und unter körperähnlichen Bedingungen weiter geschmälert wird. Aufgrund des silberinduzierten VBNC-Zustandes und der geringen Effektivität der AgNPs in den Medizinprodukten, sollte der Einsatz von AgNPs in Medizinprodukten kritisch betrachtet werden.

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