Der Einfluss von Ganzkörpervibrationen auf kognitive und motorische Leistungen

Ganzkörpervibrationsgeräte sind im heutigen Sport- und Gesundheitssektor weit verbreitet und werden immer häufiger auch in der Rehabilitation eingesetzt. Die Erkenntnis, dass Vibrationen einen positiven Einfluss auf den menschlichen Körper ausüben können, ist relativ neu (Rittweger, 2010), wohingegen negative Effekte in der Arbeitswissenschaft seit den 1960er Jahren bekannt sind (Costa et al., 2012). Sportwissenschaftliche Untersuchungen fokussieren sich auf die Effekte einer Vibrationswirkung auf die Kraftfähigkeit der unteren Extremitäten. In Studien mit Parkinson-Patienten konnten nach einer Ganzkörpervibration akute Verbesserungen der koordinativen Fähigkeiten und eine deutliche Reduktion des Tremors festgestellt werden (Haas & Schmidtbleicher, 2002). Fraglich ist, ob diese Effekte auch auf ein gesundes Probandenkollektiv übertragbar sind. In einer ersten empirischen Studie wurde dieser Fragestellung nachgegangen. 40 Sportstudenten der Universität Duisburg-Essen nahmen an dieser Cross-over Studie teil. An zwei Messtagen erfolgte zunächst eine 5-minütige Aufwärmung auf einem Fahrradergometer. Anschließend führten die Probanden einen Test zur Erfassung der Handkoordination aus. Dabei sollten sie mit einem Laserpointer ein Ziel in 10 Meter Entfernung anvisieren. Die Bewegung des Pointers wurde mit Hilfe einer Kamera aufgenommen und später mit einem Computerprogramm die Bewegung des Laserpunktes ausgewertet. Die Messung erfolgte dreimal in sitzender und dreimal in stehender Position auf einem Bein (Prä). Im Anschluss wurde eine 2-minütige Ganzkörpervibration mit 5 Hz und einer Wiederholung der Handkoordinationsmessung durchgeführt (Inter). Danach erfolgte ein zweites 2-minütiges Vibrationstreatment mit 25 Hz und darauf folgender Messung der Handkoordination (Post). Die Reihenfolge der Frequenzen wurde zwischen den beiden Testtagen getauscht und über die Probanden randomisiert. Der aufsummierte Weg und der aufsummierte Abstand vom Nullpunkt der Laserprojektion wurde für 15 Sekunden erfasst und statistisch ausgewertet. Eine Verbesserung der Testleistung konnte für dieses gesunde Probandenkollektiv gezeigt werden. Nach einer Vibrationseinwirkung mit 5 Hz reduzierte sich sowohl die aufsummierte Wegstrecke und der aufsummierte Abstand vom Nullpunkt in beiden Messsituation (sitzend und Einbeinstand). Nach dem Treatment mit 25 Hz zeigten sich für die aufsummierte, zurückgelegte Strecke in beiden Messsituationen eine Verbesserung der Handkoordinationsaufgabe. Für den aufsummierten Abstand vom Nullpunkt zeigte sich nur im Einbeinstand ein positiver Effekt. Hinsichtlich des Vergleichs mit der Studie von Haas & Schmidtbleicher (2002), kann davon ausgegangen werden, dass ein Vibrationstreatment in einem Frequenzbereich von 5 Hz bei Parkinson-Patienten sowie bei gesunden Probanden zu einer Verbesserung der motorischen Auge-Handkoordination führt. Da sich die Veränderungen in den oberen Extremitäten bemerkbar gemacht haben, das Vibrationstreatment aber über die unteren Extremitäten appliziert wurde, muss die Auswirkung der Vibrationsbelastung über die Beeinflussung der Muskulatur hinausgehen. Denkbar sind in diesem Zusammenhang Veränderungen der Neurotransmitterkonzentration im Cerebrum, wie sie auch in tierexperimentellen Untersuchungen gezeigt werden konnten (Nakamura et al., 1992), eine Reduktion des physiologischen Tremors oder eine optimierte Selektion der afferenten Signale und die damit einhergehende Verschiebung der Aufmerksamkeit auf bestimmte Reize (Ashton-Miller et al., 2001). Nach der 25 Hz Bedingung zeigten sich ebenfalls Verbesserungen in der Handkoordination. Fraglich bleibt hier, ob diese Effekte durch Veränderungen auf zentraler Ebene zu erklären sind. Durch die Wahl des Studiendesigns kann nicht abschließend geklärt werden, ob diese Verbesserungen durch Lerneffekte oder eine Placebowirkung zustande gekommen sind. In der ausgeführten Doppelaufgabe bleibt unklar, welche Komponenten (Einbeinstand oder Handkoordination) maßgeblich zur Verbesserung beigetragen haben. Diesen Fragen wurde in einer weiteren Studie nachgegangen, die die Gleichgewichtsfähigkeit und Aufmerksamkeit untersucht. An dieser Parallelstudie im Doppelblind Prä-Post Design nahmen 60 männliche Probanden teil. Das Probandenkollektiv setzte sich aus männlichen Teilnehmern zusammen, da Studien belegen, dass sich die kognitiven Leistungen von Frauen und Männern unterscheiden (Arbuthnott & Frank, 2000; Herlitz et al., 1997; Mekarski et al., 1996). Die Erfassung von Lern- und Placeboeffekten erfolgte über die Implementation einer Kontroll- und Placebogruppe. Die Übungen auf der Vibrationsplatte gestalteten sich in der Kontroll- und Vibrationsgruppe identisch und, um eine Vergleichbarkeit zu erreichen, erfolgten sie in Anlehnung an die Studie zur Handkoordination. Bei der Vibrationsgruppe wurde eine Frequenz von 5 Hz eingestellt und für die Kontrollgruppe war das Gerät ausgeschaltet. Damit die Probanden die Einstellungen an der Vibrationsplatte nicht sehen konnten, war das Bedingungspanel von ihnen abgewendet. Die Placebogruppe erhielt eine vegetarische Leerkapsel. Zu Beginn der Untersuchung führten die Probanden wieder eine 5-minütige Aufwärmung auf einem Fahrradergometer aus. Direkt im Anschluss wurde die Gleichgewichtsmessung mit zwei unterschiedlichen Aufgaben im Einbeinstand und die Erfassung der Aufmerksamkeit durch drei Tests durchgeführt. Danach erfolgte wieder eine Aufwärmung sowie im Anschluss daran das Treatment. Hiernach fand die Post-Messung der Gleichgewichtsfähigkeit und der Aufmerksamkeit statt. Aus Reliabilitätsgründen sollen zwischen den Prä- und Post-Messungen der Aufmerksamkeit eine konstante Zeitspanne für alle Probanden liegen. Dies wurde durch eine zwischengeschaltete Aufgabe realisiert. Auch führten die Probanden in dieser Zeit einen Test zur Beschreibung ihrer Persönlichkeit und zum kognitiven Schätzen durch. In der Studie konnten keine positiven Effekte des ausgewählten Vibrationstreatments auf die Aufmerksamkeit und die Gleichgewichtsfähigkeit mit geschlossenen Augen beobachtet werden. Bei der Gleichgewichtsaufgabe mit geöffneten Augen auf einer Airex Matte zeigte sich eine signifikante Verbesserung der Gleichgewichtsfähigkeit zwischen den beiden Messzeitpunkten. Der Erklärungsansatz und die daraus abgeleitete Hypothese, dass durch ein Vibrationstreatment die Aufmerksamkeit beeinflusst wird, konnte in dieser Studie nicht verifiziert werden. Dies könnte an den verwendeten Vibrationsparametern oder den verwendeten Aufmerksamkeitstests gelegen haben. Die Ergebnisse legen nahe, dass die Verbesserung in der Handkoordination bei der Ausführung der Doppelaufgabe nach einer Vibrationsbelastung mit 5 Hz nicht allein durch eine Veränderung in den oberen Extremitäten entstanden ist, sondern auch Effekte auf die Gleichgewichtsregulation mit eingeflossen sind. Ob ein Vibrationsreiz mit 25 Hz zu einer Verbesserung der Gleichgewichtsregulation bei der Ausführung der Doppelaufgabe in der Untersuchung zur Handkoordination beigetragen hat, kann durch die zweite Studie nicht geklärt werden. Durch die vielen unterschiedlichen Vibrationsparameter und Reaktionen des menschlichen Körpers ist es schwierig, eine übergreifende Aussage bezüglich der Effekte auf den menschlichen Körper zu formulieren. Zur Klärung der unterschiedlichen Einflüsse einer Vibrationsbelastung auf den menschlichen Körper sind weitere Grundlagenstudien notwendig.
Whole body vibration is widely used in today`s sports and health sector and is increasingly applied in rehabilitation. The finding that vibrations have a positive influence on the human body is relatively new (Rittweger, 2010), whereas negative effects given in work processes are known since the 1960s (Costa et al., 2012). Sport research focuses on the influence of vibration on the power of the lower extremities. In studies of Parkinson`s disease, acute improvements of coordination performance and a significant reduction of tremor could be detected after a treatment with whole body vibration (Haas & Schmidtbleicher, 2002). It is questionable whether these effects can be transferred to a healthy group of individuals. This question was investigated in a first empirical study. 40 physical education students from the University of Duisburg-Essen participated in this cross-over study on two different days. After a warm-up on a bicycle ergometer, the subjects performed a test to assess their hand coordination. They were instructed to point a laser pointer as accurately as possible at a target which was 10 m away. The movement of the pointer was recorded with a video camera and evaluated with a computer program. The measurement was performed three times in a sitting and three times in a standing position on one leg (pre). A two-minute whole body vibration treatment followed with a frequency of 5 Hz. A repetition of the hand coordination measurement was performed afterwards (Inter). Following this, a second two minute vibration treatment with a frequency of 25 Hz and subsequent measurement of the hand coordination (post) were carried out. The order of frequencies was changed between the two test days and randomized for the individual test subjects. The cumulative way and the accumulated distance from the zero point of the laser beam were analyzed for 15 seconds. An improvement of the test performance could be observed in this healthy volunteer sample. After a vibration exposure at 5 Hz, the cumulative way and the accumulated distance from the zero point in both measuring situations (sitting and one-leg stance) reduced. After the treatment with 25 Hz, an improvement in both measuring situations was observed for the accumulated way. A positive effect on the accumulated distance from the zero point was only found in the measuring situation for one leg and not in the sitting position. Since the changes were observed in the upper extremities, the effect of vibration stress must outrun the influence of the muscles. In this context, a change of neurotransmitter concentration in the cerebrum as it has been shown in animal testings (Nakamura et al., 1992), a reduction of physiological tremor or an optimized selection of afferent signals and a shift of attention to certain stimuli (Ashton-Miller et al., 2001) are conceivable. The 25 Hz condition also showed improvement of the hand coordination. The question remains whether these effects can be explained by changes on the central level. The study design also does not explain, whether these improvements occurred through learning or placebo effects. In the dual task it remains uncertain which components contributed (one-leg stance or hand coordination) to the improvement. These questions were investigated in a further study that examines balance ability and attention. 60 male subjects participated in this parallel study in a double -blind pre-post design. The sample consisted of male volunteers only, since studies showed that the cognitive performance of women and men differs (Arbuthnott & Frank, 2000; Herlitz et al., 1997; Mekarski et al., 1996). The assessment of learning and placebo effects was carried out by the implementation of a control and a placebo group. The exercises on the vibration plate were designed identically in the control and vibration group and were performed in accordance to the study of hand coordination to achieve the necessary comparability. Within the vibration group, the vibration frequency was set at 5 Hz whereas the vibration plate was switched off for the control group. The panel of the vibration plate was turned away so that the subjects could not see its settings. The placebo group received an empty, vegetarian capsule. At the beginning the subjects performed a five-minute warm up on a bicycle ergometer. Subsequently, the balance measurement including two different tasks on one leg and the detection of attention by three tests was performed. This was followed by another warm-up and the treatment. Thereafter, post-measurement of balance and attention took place. For ensure reliability, an identical time buffer between the pre- and post-measurement of attention was set for all subjects. This was realized with the help of an intermediary task. The subjects also performed tests at this time to describe their personality and ability of cognitive estimating. The selected vibration treatments displayed no positive effects on attention and the ability to maintain balance. A significantly decreased test performance in the balance task with eyes closed can be shown for the vibration group in the post-measurement. The explanation and the derived hypothesis that attention is influenced by a vibration treatment could not be verified in this study. A reason for this could be the used vibration parameters or the attention tests. The results suggest that the improvement of hand coordination during the execution of the dual task after exposure to vibration at 5 Hz is solely caused by a change of the upper extremities and not by improving the ability to maintain balance. The second study cannot determine whether a vibration stimulus at 25 Hz has contributed to an improvement in postural control during the double task in the investigation of hand coordination. Due to the number of different parameters and vibration responses of the human body, it is difficult to formulate one main statement regarding the effects on the human body. To clarify and elucidate the different effects of a vibration exposure on the human body, further basic research and studies are needed.

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