Türkische Lehrkräfte “der ersten Stunde“ in Nordrhein-Westfalen – Zur unerforschten Erkenntnislage einer Berufsgruppe – Eine empirische Analyse

Die erziehungspolitisch Verantwortlichen der Bundesrepublik Deutschland aber auch Nordrhein-Westfalens verfolgten bei der Beschulung der Migrantenkinder mit dem Ende der 1960er sowie dem Beginn der 1970er Jahre eine Schulpolitik, die auf historisch gewachsenen, konservativen Leitideen basierte. Hierdurch entstand ein bildungspolitisches Spannungsfeld, in das die Kinder der ausländischen Arbeitnehmer verortet waren. Formell waren sie zwar in die allgemeine Schulpflicht miteinbezogen und sollten am Regelunterricht teilnehmen, doch parallel hierzu versuchte man die seitens der Bildungsminister als aufoktroyierte Notwendigkeit empfundenen Richtlinien des EG-Rates zur Beschulung dieser Schülerschaft gerecht zu werden. Diese Richtlinien zielten darauf ab, die Migrantenkinder auf eine baldige Rückkehr in ihre Heimatländer vorzubereiten. Dies geschah in Nordrhein-Westfalen zum einen durch die Separation dieser Schüler in den sogenannten Vorbereitungsklassen, in denen unter dem Vorzeichen der Förderung eventuell vorliegende Defizite in der deutschen Sprache abgebaut werden sollten, um sie somit offiziell für den Regelunterricht vorzubereiten. Ab der Mitte der 1980er Jahre wurde innerhalb der nordrhein-westfälischen Schullandschaft der Muttersprachliche Ergänzungsunterricht installiert, der zwar auf der einen Seite den Vorbereitungsunterricht ablöste, im Kern weiterhin von der Annahme einer baldigen Rückkehr der Arbeitsmigranten und ihrer Familienmitglieder in die Ursprungsländer ausging, und deswegen ebenfalls die Schüler auf ihr zukünftiges Leben vorbereiten sollte. Die Arbeit soll einen Beitrag dazu leisten, dem Leser die Geschichte der Frauen und Männer zu vergegenwärtigen, die als Lehrkräfte “der ersten Stunde“ im Rahmen des Muttersprachlichen Ergänzungsunterricht Türkisch in Nordrhein-Westfalen tätig waren, um sie hierdurch als einen Teil der bundesrepublikanisch-pädagogischen Historie in das Bewusstsein der Öffentlichkeit zu rücken. Um dieses bis dato unvermessene Gelände zu kartographieren, wird hierbei das Ziel anvisiert, dem Leser einen historisch orientierten, deskriptiv-analytischen Zugriff auf die berufliche Arbeitssituation von türkischen Lehrkräften im Rahmen des Muttersprachlichen Ergänzungsunterrichts zu präsentieren. Hierfür soll dem Leser zunächst ein darstellender Überblick vorgestellt werden. Diese Deskription bildet im zweiten Schritt wiederum die Grundlage für erkenntnisinduzierende Kausalitäten. Sie dienen dazu, anhand eines analytischen Zugriffs verschiedener berufspädagogischer Aspekte sowie differenzierender Gruppenbetrachtungen eine Verdichtung des Datenmaterials herbeizuführen, um somit eine weitergehende Schärfung der Konstitutionsbedingungen von Beruflichkeit der türkischen Lehrkräfte “der ersten Stunde“ herbeizuführen. Im Mittelpunkt des Forschungsinteresses dieser Studie liegt die Erarbeitung all jener arbeitsweltlichen Konstitutionsbedingungen, die die Gruppe der türkischen Lehrkräfte “der ersten Stunde“ kennzeichnete Diese leisteten eine nicht zu unterschätzende Pionierarbeit und hatten in den 1970er und 1980er Jahren eine wichtige Rolle und Funktion im Rahmen des Akkulturationsprozesses der türkischen Kinder und Jugendlichen. Hierbei wurden sie vor große Auf-gaben gestellt, denn sie waren es, die zwischen Gesellschaft und Kultur der Türkei und der Bundesrepublik sowie zwischen den Erziehungsvorstellungen der türkischen Familien und den Ansprüchen der deutschen Schulen vermitteln mussten. Speziell wenn man sich vor Augen führt, dass diese Lehrkräfte ohne große Vorbereitung für diese schwere Aufgabe, größtenteils ohne geeignete Bücher sowie Unterrichtsmaterialien für die Kinder, ohne transparente Richtlinien für diesen Unterricht, ohne große Hilfe seitens der Eltern und stellenweise unter Geringschätzung seitens ihrer deutschen Kollegen ihrer pädagogischen Arbeit nachkommen mussten.

In the late 1960s and early 1970s the authorities responsible for educational politics in the Federal Republic of Germany, as well as in North Rhine-Westfalia (NRW) pursued a school policy concerning the teaching of migrant children, that was based on historically grown, conservative ideas. This created an area of conflict in educational policy, with the children of foreign workers caught in the middle. These children were formally included in compulsory schooling and supposed to partake in regular lessons, but simultaneously education authorities tried to meet the directives of the European Counsil, beeing imposed on them by the ministry of Education. These directives aimed at preparing the migrant children for a quick return to their home countries. In NRW these pupils were seperated in socalled preliminary classes (Vorbereitungsklassen), where, under the premise of promotion, potential deficits regarding the German language should be reduced in order to officially prepare them for regular teaching. As depicted in this paper, the concept of preliminary classes resulted in a parallel school system with nationally uniform classes which rather had excluding than including characteristics. Since the mid-1980s supplementary native language lessons (Muttersprachlicher Ergänzungsunterricht) had been implemented in the school system of NRW. These supplementary native language lessons replaced the preliminary classes, but were still based on the false assumption that the migrant workers and their families would return to their home countries. Thus, the content of the mother tongue courses also focused on preparing the pupils for their imminent departure and their future lives outside of Germany. Within the aforementioned historical and institutional framework, the present study attemps to give access to a scientifically widely unexplored area of historical research in education. The focus of interest is on outlining and mapping the working environment and working conditions of the first Turkish teachers, who gave lessons in preliminary classes and supplementary native language lessons in the 1970s and 1980s in NRW. To meet the research interest, a descriptive-analytical approach was chosen, which presents empiricism as well as coherences to the reader, that improve knowledge and draw conclusions about the conditions in the working world of this group of people, who defined the educational work with Turkish pupils during the given time period. With regards to the institutional and organisational framework pointed out in this paper, it becomes clear that the first Turkish teachers performed pioneer work which should not be underestimated, because they played an important role in the process of acculturation of Turkish children and adolescents. The Turkish teachers were faced with a challenging situation, since they served as a link between the society and culture of Turkey on the one hand, and Germany on the other hand, and they had to meet the requirements of German schools as well as the expectations of Turkish families. Furthermore, one has to bear in mind that these teachers were unprepared for this difficult task, they lacked suitable school books and teaching material, guidelines for teaching the native language classes were not transparent, the childrens' parents often did not support their effort, neither did their German collegues, who frequently showed contempt and disregard, but the Turkish teachers still had to fulfill their pedagogical work day after day.

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