Quantenmechanische Untersuchungen der Photoisomerisierung von Retinal Modellchromophoren
Im Rahmen der vorliegenden Arbeit wurde mit Hilfe quantenmechanischer Methoden die Photoisomerisierung des Retinals simuliert. Sowohl statische als auch dynamische Simulationen wurden durchgeführt, um den Mechanismus der hoch¬effizienten Reaktion auf der molekularen Ebene zu verstehen.<br><br>
Eine Trajektorie des Retinalmodells mit vier Doppelbindungen wurde erhalten, in der die beiden mittleren Doppelbindungen ähnlich wie im Bicycle-Pedal-Mechanismus isomerisierten. Außerdem wurde festgestellt, dass es zwei Permu¬tationen gibt für den Rotationssinn der isomerisierenden Doppelbindungen: in die gleiche Richtung, konrotatorisch, oder in die entgegengesetzte Richtung, also dis¬rotatorisch. Relaxierte Pfade haben schließlich gezeigt, dass beide Möglichkeiten keine Energiebarriere haben und realisiert werden können. Allerdings wurde keine Trajektorie gefunden mit der disrotatorischen Rotation der Doppelbindungen.<br><br>
Mit Hilfe dieser statischen Berechnungen mit festgehaltenen Diederwinkeln konnte eine Vielfalt von Reaktionspfaden für das Chromophormodell unter isolierten Bedingungen demonstriert werden. Mittels dynamischer Simulationen wurden im nächsten Abschnitt Produktausbeuten und Verweilzeiten im angeregten Zustand bestimmt. Dazu wurde das im Rahmen dieser Arbeit entwickelte und in MOLCAS-Programmpaket implementierte Modul DYNAMIX verwendet. Drei Gruppen von Fünfdoppelbindungsmodellen wurden untersucht.
Die erste Gruppe bestand aus den vier Isomeren 9-cis, 11-cis, 13-cis und all-trans. Es wurde gezeigt, dass bereits im Vakuum das 11-cis-Isomer eine erhöhte Selektivität aufzeigt und ausschließlich um die cis-Bindung rotiert. Auch bei den Quantenausbeuten wurde eine grobe Übereinstimmung mit den entsprechenden Retinal-Isomeren eingebettet im Opsin gefunden. Daraus folgt, dass sowohl die Selektivität als auch die Effizienz der Retinalisomerisierung eine intrinsische Eigenschaft ist, d.h. bereits ohne Protein vorhanden ist.<br><br>
Sechs verschiedene methylsubstituierte Chromophore bildeten die zweite Gruppe von Modellen. Durch gezielte Manipulation der intramolekularen sterischen Wechselwirkungen konnten die Quantenausbeute, die Selektivität des Produktes und die Reaktionszeit abgestimmt werden. Durch eine zusätzliche Methylgruppe am C10-Kohlenstoffatom konnte beispielsweise die Reaktionszeit drastisch verkürzt und eine unidirektionale Isomerisierung erzwungen werden. Die Substitution aller Methyl¬gruppen durch Wasserstoffe führt zur vollständigen Umsetzung zum trans-Produkt. Diese Erkenntnisse sind besonders von hohem Interesse, um künstliche Photo-Schalter mit maßgeschneiderten Eigenschaften zu entwerfen.<br><br>
Die letzte Gruppe umfasste drei 11-cis-verbrückte Modellchromophore bestehend aus einem 5-, 7- und 8-Ring. Der kleinste Ring zeigte keine Tendenz zur Photoisomerisierung und alle Trajektorien verblieben während der gesamten Simulationszeit im angeregten Zustand. Beim siebengliedrigen Ring wurden Isomerisierungen um die drei zentralen Doppelbindungen beobachtet: C9-C10, C11-C12 und C13-C14. Am häufigsten wurde die Isomerisierung um die Bindung C9-C10, die außerhalb des Rings liegt, beobachtet. Durch die Erweiterung des Ringes um eine Methyleneinheit wird eine größere Flexibilität erreicht, sodass im 8-Ring alle Isomerisierungen um die im Ring liegenden Doppelbindungen C11-C12 ablaufen. Die Verweildauer im angeregten Zustand wird deutlich kürzer, da der Ring eine Vorverdrillung der C11-C12 Bindung mit sich bringt. Die beiden letztgenannten Modelle haben gemeinsam, dass der Rotationssinn durch die Ringkonformation bestimmt wird. Damit wird ein ähnlicher Effekt erreicht wie die Methylsubstitution, die in einigen Retinalmodellen zu erhöhter sterischer Wechselwirkung führt.<br>
Im letzten Abschnitt der Arbeit wurde mit QM/MM MD Simulationen der Einfluss der Proteinumgebung auf die Photoisomerisierung der Retinals untersucht. Aufgrund des enormen Zeitaufwands wurde jeweils eine Trajektorie für drei Photopigmente berechnet, nämlich: Rhodopsin, Bathorhodopsin und Isorhodopsin. Zwischen den Trajektorien und den experimentellen Untersuchungen wurde eine Korrelation gefunden. So entspricht die relative Verweilzeit im angeregten Zustand den Ergebnissen aus zeitaufgelösten Transienten-Absorptionsspektroskopie Messungen. Ebenfalls sind die erfolgreichen Isomerisierungen von Rhodopsin und Bathorhodopsin sowie die gescheiterte Isomerisierung des Isorhodopsins konsistent mit experimentell bestimmten Quantenausbeuten. Die Photoisomerisierung des Rhodopsins und des Bathorhodopsins erfolgt nach dem abgebrochenen Bicycle-Pedal-Mechanismus, bei dem die Rotation um die C11-C12 Bindung durch die Rotation der beiden benachbarten Doppelbindungen unterstützt wird. Dadurch wird eine raumsparende sowie ultraschnelle Isomerisierung des Retinals ermöglicht.
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