Lernaufgaben im Unterricht : Instruktionspsychologische Analysen am Beispiel der Physik

Eine angemessene Gestaltung von Lernaufgaben als Voraussetzung für effizientes Lernen ist von herausragender Bedeutung für den Unterricht. Lernaufgaben sind in dieser Arbeit als inhaltsbezogene und ergebnisorientierte Leistungsanforderungen des Lehrers an die Schüler definiert. Sie bieten Schülern eine Möglichkeit zur intensiven Auseinandersetzung mit den zu lernenden Inhalten, sie fördern ein besseres Verständnis und haben einen positiven Lerneffekt (vgl. Häfele, 1995; Hamaker, 1986). Zwar ist der Nutzen von Lernaufgaben für die Lernleistung empirisch belegt, zu den vom Lehrer im Unterricht eingesetzten Aufgaben und deren Schwierigkeit gibt es jedoch bislang kaum Studien . Daher wird in der vorliegenden Arbeit der Zusammenhang zwischen der Schwierigkeit von Lernaufgaben und der Schüler-leistung untersucht. Eine bislang ebenfalls kaum erforschte Untersuchungsfrage bezieht sich auf die Pas-sung zwischen der Schwierigkeit der eingesetzten Unterrichtsaufgaben und den Fähigkeiten der Schüler. Auch diesem Zusammenhang wird in dieser Arbeit nachgegangen. Dazu wurde zunächst in Studie 1 systematisch erfasst, was für Aufgaben im Physikunterricht eingesetzt werden und welche Schwierigkeit sie für die Schüler aufweisen. Im Anschluss daran stand die Frage, wie Lernaufgaben unterschiedlicher Schwierigkeit – operationalisiert über die für die Aufgabenbearbeitung erforderlichen kognitiven Prozesse – konstruiert werden können. Dazu wurden in je 15 Gymnasial- und Hauptschulklassen aus einstündigen Unterrichtsvideos die Unterrichtsaufgaben identifiziert. Eine Woche später wurde den Schülern ein Leistungstest vorgelegt. Dieser setzte sich aus wiederholten Unterrichtaufgaben und neu konstruierten Auf-gaben unterschiedlicher Schwierigkeit sowie TIMSS-Aufgaben zusammen. Es wurde eine Skalierung der Aufgaben und Schülerleistungen (Fähigkeitsparameter ) auf der Grundlage der Item-Response-Theorie (IRT) durchgeführt, um die Ergebnisse über die unterschiedlichen Unterrichtsinhalte hinweg miteinander vergleichen zu können. Im Ergebnis korreliert das mittlere Schwierigkeitsniveau der Unterrichtsaufgaben mit dem mittleren Fähigkeitsniveau der Schüler über die 20 Klassen hinweg moderat positive (r=.26). Jedoch zeigten sich be-trächtliche Unterschiede bzgl. der Passung der Aufgabenschwierigkeit und der Schülerfähig-keit zwischen den untersuchten Klassen. Des Weiteren konnte in Studie 1 gezeigt werden, dass die entwickelte Methode zur Konstruktion von Lernaufgaben unterschiedlicher Schwie-rigkeit somit eine valide Möglichkeit darstellt, a priori die Aufgabenschwierigkeit zu variie-ren. Aufgrund der in Studie 1 nachgewiesenen z.T. großen Diskrepanzen zwischen der Aufgabenschwierigkeit der Unterrichtsaufgaben und der Schülerfähigkeit wurde in der an-schließenden Studie 2 eine Möglichkeit untersucht, diese Diskrepanzen zu verringern. Dies erfolgte auf der Grundlage der Idee des adaptiven Testens. Den Schülern wurden zu zwei Ü-bungszeitpunkten Aufgaben vorgelegt, welche individuell an die jeweilige Schülerfähigkeit angepasst waren. Dabei wurden drei Untersuchungsgruppen verglichen, die sich in der mittle-ren Lösungswahrscheinlichkeit der zu bearbeitenden Aufgaben unterschieden. Eine Gruppe erhielt Aufgaben mit einer 30%-igen Lösungswahrscheinlichkeit (LW), welche als mäßig schwierig definiert werden, die anderen Gruppen Aufgaben mit 50%iger (mittel-schwierige Aufgaben) bzw. 80%iger Lösungswahrscheinlichkeit (leichte Aufgaben). Es zeigte sich, dass die Fähigkeitsparameter mit Hilfe mäßig schwieriger Lernaufgaben (30%ige LW) signifikant erhöht werden konnten, während die Bearbeitung der Aufgaben mit 50% und 80%iger LW zu keinen Veränderungen der Schülerfähigkeit führte. Die Bearbeitung von mäßig schwierigen Aufgaben, welche individuell an die jeweili-ge Schülerfähigkeit angepasst wurde, scheint nach den vorliegenden Befunden eine sinnvolle Möglichkeit zu sein, die Leistungen bzw. Fähigkeiten der Schüler in besonderer Weise zu erhöhen. Die Ergebnisse lassen sich hinsichtlich der Befunde zur Wirksamkeit der Aufgaben-schwierigkeit auf die Leistung diskutieren. Andere Studien (vgl. Nussbaum & Leutner, 1986) konnten im Gegensatz zu der vorliegenden Studie zeigen, dass Personen mit sehr leichten Aufgaben (95%ige LW) die besten Lernergebnisse zeigen. Auch die Forschungsbefunde von Huber (1966) und Sweller (1977) sind konträr zu den vorliegenden Ergebnissen, daher sollte die Untersuchung der Lernwirksamkeit der Aufgabenschwierigkeit weiter vorangetrieben werden. Erste theoretische und auch praktische Implikationen lassen sich jedoch bereits ablei-ten. So lässt sich die Wirksamkeit der mäßig schwierigen Lernaufgaben mit Hilfe Wygotskys (1978) Zone der proximalen Entwicklung erklären. Demnach befindet sich die Aufgaben-schwierigkeit etwas oberhalb des aktuellen Wissens- und Fähigkeitsniveaus des Schülers und hat eine herausfordernde und lernförderliche Wirkung auf die weitere Entwicklung der Schü-ler. Als schulpraktische Implikation kann die Schlussfolgerung gezogen werden, dass eine vermehrte Binnendifferenzierung innerhalb der Klasse bzgl. der Passung zwischen Aufgaben-schwierigkeit und Schülerfähigkeit notwendig erscheint. Dabei sollte aufgrund des Ergebnis-ses, dass auch leistungsschwächere Schüler von individuell mäßig schwierigen Aufgaben pro-fitieren, gewährleistet werden, dass anspruchsvolle, jedoch nicht wie sich z.T. in Studie 1 ge-zeigt hat, übermäßig schwierige und überfordernde Unterrichtsaufgaben eingesetzt werden.
Until now there have been only a few empirical studies on cognitive standards and characteristics of learning tasks in physics classrooms. This work examines cognitive standards and levels of difficulty students are confronted with when working on learning tasks. The focus is on physics at the end of secondary school in two German types of schools. The revision of Bloom´ s taxonomy of educational objectives is taken into account (Anderson & Krathwohl, 2001). This taxonomy will be used to categorize learning tasks found in classroom instruction. Furthermore it serves for constructing new tasks as well, which are used in content- specific achievement tests in order to examine the correlations between task characteristics and student achievement.

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