Determinanten der Lebensqualität von Multiple-Sklerose-Betroffenen
Multiple Sklerose ist eine häufige chronische neurologische Erkrankung, die mit einer deutlich reduzierten Lebensqualität verbunden ist. Studien zu Determinanten der Lebensqualität liefern widersprüchliche Ergebnisse. Insbesondere die relative Bedeutung einzelner Determinanten bei simultaner Betrachtung verschiedener Faktoren ist wenig untersucht. Ziele dieser Studie waren deshalb der Vergleich der gesundheitsbezogenen Lebensqualität einer großen deutschen Stichprobe von MS-Betroffenen mit der Lebensqualität der Gesamtbevölkerung und die Untersuchung der Determinanten der Lebensqualität der MS-Erkrankten unter Berücksichtigung einer großen Zahl verschiedener Variablen. Alle 7050 MS-betroffenen Mitglieder der Deutschen Multiple Sklerose Gesellschaft, Landesverband Nordrhein-Westfalen, erhielten einen Fragebogen. Dieser enthielt eine deutsche Fassung des Multiple Sclerosis Quality of Life (MSQOL)-54 (eine Erweiterung des Short-Form (SF)-36 zur krankheitsspezifischen Erhebung der gesundheitsbezogenen Lebensqualität), soziodemographische und krankheitsbezogene Daten und die Kurzform des Freiburger Fragebogens zur Krankheitsverarbeitung (FKV-LIS). Fragebögen von 3157 Personen wurden ausgewertet (Rücklaufquote 44,8%). Die MS-Betroffenen wiesen auf allen Skalen des SF-36 signifikant niedrigere Werte auf als eine im Rahmen des Bundes-Gesundheitssurveys 1998 untersuchte Stichprobe aus der Gesamtbevölkerung. Ein Großteil der untersuchten krankheitsbezogenen und soziodemographischen Daten und der Krankheitsverarbeitungsstile zeigte signifikante, wenn auch zum Teil schwache Zusammenhänge mit der körperlichen und der psychischen Summenskala des MSQOL-54. In schrittweisen multiplen linearen Regressionsanalysen wurde die körperliche Summenskala am besten vorhergesagt durch Fatigue (starke Erschöpfung/ Ermüdung), depressive Krankheitsverarbeitung, Gehfähigkeit und Muskelschwäche (Varianzaufklärung insgesamt 79%). Die bedeutsamsten Prädiktoren der psychischen Lebensqualität waren depressive Krankheitsverarbeitung, ein Krankheitsverarbeitungsstil des Bagatellisierens und Wunschdenkens, kognitive Beeinträchtigungen und Fatigue (Varianzaufklärung insgesamt 65%). Die Ergebnisse von Kreuzvalidierungen sprachen für eine hohe Stabilität dieser Ergebnisse. Fatigue und ein depressiver Verarbeitungsstil scheinen also von großer Bedeutung für die reduzierte körperliche und psychische Lebensqualität von MS-Betroffenen zu sein, und zwar unabhängig vom Grad der körperlichen Beeinträchtigung. Die Ergebnisse unterstreichen die Forderung nach stärkerer Beachtung und sorgfältiger Erhebung dieser Symptome bei MS-Patienten. Sie legen nahe, dass eine effektive Behandlung von Fatigue, Depressivität und auch kognitiven Beeinträchtigungen zu einer deutlichen Verbesserung der Lebensqualität der Betroffenen führen kann.
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