Modellierung ökologischer Zusammenhänge bei Mittelgebirgsbächen unter Berücksichtigung von Gewässermorphologie und Landnutzung im Hinblick auf die biozönotische Bewertung mittels Makroinvertebraten

Fließgewässer wurden in der Vergangenheit zahlreichen anthropogenen Einflüssen unterworfen. Die im Dezember 2000 in Kraft getretene EU-Wasserrahmenrichtlinie (WRRL) hat zum Ziel, diesen Prozess umzukehren, das heißt, die Gewässer möglichst in den guten ökologischen Zustand zurückzuführen, wobei die Beurteilung des ökologischen Zustandes erstmalig primär anhand organismischer Gruppen erfolgen soll. Vor diesem Hintergrund verfolgte die Arbeit im Wesentlichen zwei Ziele: - Erstellung eines Systems zur Bewertung struktureller Degradation für den Fließgewässertyp 5 (grobmaterialreiche, silikatische Mittelgebirgsbäche) anhand des Makrozoobenthos, - Quantifizierung des Einflusses von Landnutzung im Einzugsgebiet und Strukturen an einer Probestelle auf die organismische Bewertung. Die Erstellung des Bewertungssystems wurde auf Grundlage qualitativ hochwertiger, einheitlicher Datensätze vorgenommen, die aus dem Forschungsvorhaben AQEM und STAR stammten. Darin wurden quantitative Aufsammlungen des Makrozoobenthos an insgesamt 31 Gewässerabschnitten im Rheinischen Schiefergebirge durchgeführt (multi-habitat-sampling nach AQEM). Parallel dazu wurde eine Vielzahl gewässermorphologischer Parameter aufgenommen, um die strukturelle Ausstattung der Abschnitte numerisch zu dokumentieren. Die Probestellen deckten dabei eine Degradationsreihe von naturnah über mäßig bis schlecht ab – keine der Stellen war saprobiell belastet. Die aus den Aufsammlungen gewonnenen biologischen Kenngrößen (Metriks) wurden mit den Strukturparametern korreliert, um diejenigen Metriks zu ermitteln, die am besten den morphologischen Zustand der Gewässer widerspiegelten. Die am besten geeigneten Metriks wurden anschließend in verschiedenen Zusammenstellungen kombiniert, miteinander verrechnet und das Ergebnis erneut mit den Strukturen korreliert. Das endgültige Bewertungssytem enthält insgesamt sechs Metriks: Anteil Steinfliegen, Deutscher Faunaindex, Margalef-Diversität, Anteil Krenal, Anteil Phytal und Anteil Sedimentfresser. Die Ergebnisse dieser Metriks werden standardisiert, in eine Skala von 0 bis 1 überführt und über einfache Mittelwertbildung verrechnet. Zur Ermittlung des Einflusses der Landnutzung wurden die Einzugsgebiete kategorisiert nach den Nutzungsarten Siedlungsflächen, landwirtschaftliche Flächen und Waldflächen. Mittels digitaler Karten des Landesvermessungsamtes NRW wurden die jeweiligen Anteile der Nutzungskategorien ermittelt, und zwar auf drei verschiedenen räumlichen Betrachtungsebenen: zum einen auf der Fläche gesamter Einzugsgebiete, zum anderen innerhalb schmaler Korridore entlang der Gewässerläufe: entlang aller Hauptzuläufe (bis zu ihren Quellen) und in einem Streifen bis zu 2 Kilometer oberhalb einer Probestelle. Mittels der Methode der multiplen Regression (in Kombination mit multivariaten Verfahren) wurden unabhängige Größen (Struktur- und Nutzungsvariablen) mit einer abhängigen Größe (Bewertungsergebnis) zu einem Modell verrechnet. Innerhalb der Strukturen stellten sich die folgenden Parameter als am bedeutsamsten für die strukturelle Situation einer Probestelle heraus: Anteil Uferlinie mit Gehölzbestand, Eintiefung und Anteil unbefestigter Ufer. Innerhalb der Nutzungen stellte sich heraus, dass die folgenden Kategorien die Bewertungsergebnisse am wirksamten beeinflussen: Siedlungsflächen (bis zu 2 km oberhalb einer Probestelle), Waldflächen (bis zu 2 km oberhalb einer Probestelle) und Waldflächen (gesamter Gewässerkorridor). Mit 37 % besitzen Strukturparameter den größten Einfluss auf ein Bewertungsergebnis; Nutzungsparameter beeinflussen dieses zu 31 % und die Quellhöhe, als zusätzlich wirksamer Faktor, zu 22 %. Lediglich 10 % der Varianz im Bewertungsindex konnten nicht erklärt werden. Die Ergebnisse zeigen, dass die alleinige Betrachtung lokaler Gegebenheiten nicht ausreicht, um die Effizienz beispielsweise von Renaturierungsmaßnahmen abzuschätzen, sondern dass eine gesamtheitliche Betrachtung des gesamten Fließgewässersystems vonnöten ist, da Nutzungen eine mitentscheidende Einflussgröße in der Ökologie von Fließgewässern spielen können.

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