Auswirkungen physiotherapeutischer Maßnahmen auf die Struktur und Funktion des Fußes vor dem Hintergrund einer Verletzungsprophylaxe

Hintergrund: Die "Hyperpronation" des Fußes gilt als eine Ursache für Überlastungsschäden der unteren Extremität im Langstreckenlauf. In der Vergangenheit wurde durch spezielles Schuhwerk und durch Orthesen versucht, das Pronationsausmaß beim Laufen einzuschränken. Eine zufrieden stellende Verletzungsprophylaxe wurde jedoch nicht erreicht, da nur unzureichend auf die speziellen Bedürfnisse des einzelnen Läufers eingegangen werden konnte. Die Maßnahmen zur Verletzungsprophylaxe müssen also die Individualität des Läufers in den Mittelpunkt stellen und auf die interne Verbesserung der Leistungsfähigkeit des anatomischen Systems "Fuß und Unterschenkel" zielen. Die Literatur weist in diesem Zusammenhang auf die generelle Bedeutung der Muskelaktivität für die Struktur und Funktion des Fußes hin. Es ist zu vermuten, daß eine Kräftigung der Fuß- und Unterschenkelmuskulatur zu einer individuellen Verringerung des Pronationsausmaßes führen könnte. Schlüssige Nachweise für diesen Zusammenhang existieren bisher jedoch nicht. Ziel der Studie: In der Studie sollte der Frage nachgegangen werden, ob eine physiotherapeutische Kräftigung der Fuß- und Unterschenkelmuskulatur zu einer Stabilisierung der Fußgelenke führt und so zu einer Normalisierung der Fußstruktur im Stand und zu einer Verminderung der "Hyperpronation" beim Gehen und Laufen führen kann. Methoden: 75 Probanden nahmen an der Studie teil. Eine Trainingsgruppe führte ein vierwöchiges klassisches Krafttraining mit dem Theraband durch, eine zweite absolvierte funktionelle Kräftigungsübungen. Eine dritte Probandengruppe diente als Kontrolle. Um die Trainingseffekte zu dokumentieren, wurden mit Hilfe einer Kistler-Kraftmeßplattform die erste vertikale Kraftspitze, die Kraftanstiegsrate und die Kontaktzeit für den Abrollvorgang des Fußes bestimmt. Die Fußgeometrie, die Kontaktfläche, der Spitzendruck und die relative Lastverteilung wurden unter Verwendung einer EMED-Druckverteilungsplattform erfaßt. Um das Bewegungsausmaß des Rückfußes, die maximale Pronation und die Pronationsgeschwindigkeit zu ermitteln, wurde ein Elektrogoniometer eingesetzt. Ein Beschleunigungsaufnehmer wurde auf die Haut oberhalb des medialen Malleolus geklebt, um weitere Informationen über die Fußkinematik zu erhalten. Die Daten wurden im beidbeinigen Stand und beim Gehen und Laufen barfuß und im Schuh erfaßt. Die Laufgeschwindigkeit von 3,3m/s wurde über eine Lichtschrankenanlage kontrolliert. Resultate: Das Training führte zu einer Verlagerung des Körperschwerpunktes auf die Ferse im Stehen und zu einer Lateralisierung des Abrollvorgangs beim Gehen. Es zeigten sich außerdem Abhängigkeiten der Trainingseffekte von der Fußform. Probanden mit einem Pes planus wiesen infolge des Trainings signifikante Veränderungen der Fußgeometrie im Vergleich zu den übrigen Probanden auf. In beiden Trainingsgruppen zeigten sich systematische aber nicht signifikante Trainingseffekte für die Parameter der Rückfußbewegung im Sinne einer Einschränkung der Pronation beim Gehen und Laufen. Unterschiede zwischen den Effekten in den beiden Trainingsgruppen wurden nicht deutlich. Diskussion: Die Resultate bestätigten den Einfluß der Muskelaktivität auf die Stabilisierung der Fußgelenke im Stehen vor allem bei einer höheren Beanspruchung der anatomischen Struktur (Pes planus). Die laterale Verschiebung der relativen Lasten ist als muskuläre Aufrichtung des Fußes und damit als Indiz für eine verringerte Pronationsbewegung zu interpretieren. Die Parameter der Rückfußbewegung zeigten aufgrund der hohen Individualität der Bewegung und der Trainingseffekte nur tendenzielle aber keine signifikanten Veränderungen im Sinne einer Verringerung der Pronation infolge des Trainings. Aus dem gleichen Grund konnten vermutlich auch keine unterschiedlichen Trainingseffekte für die verschiedenen Therapieprogramme dokumentiert werden. Relevanz: Aufgrund der Resultate dieser Studie kann Langstreckenläufern eine physiotherapeutische Kräftigung der Fuß- und Unterschenkelmuskulatur empfohlen werden, um Überlastungsschäden der unteren Extremität zu vermeiden. Vor allem Läufer mit Fußdeformitäten können von einem solchen Trainingsprogramm profitieren. Eine Empfehlung für ein entweder funktionell oder klassisch orientiertes Übungsprogramm kann nicht gegeben werden.

Preview

Cite

Citation style:
Could not load citation form.

Rights

Use and reproduction:
All rights reserved