Weiterentwicklung eines in vitro Embryotoxitätstests mit murinen embryonalen Stammzellen : Verwendung molekularer Marker zur Erfassung verschiedener Differenzierungsendpunkte
Erstmalig wurde ein in vitro Embryotoxizitätsmodell vorgestellt, das auf der Expressionsanalyse molekularer Markergene verschiedener Differenzierungsendpunkte beruht. Dieses experimentelle Modell benutzt zwei permanente Zelllinien, embryonale Stammzellen und 3T3 Fibroblasten, so dass keine schwangeren Tiere zu seiner Durchführung getötet werden müssen. Basierend auf dem klassischen Embryonalen Stammzell Test (EST) nach Spielmann et al. [1997], der die Zytotoxizität einer Substanz der Störung der Differenzierung embryonaler Stammzellen zu Kardiomyozyten, basierend auf der mikroskopischen Auswertung der kontrahierenden Kardiomyozyten, gegenüberstellt, wurde zusätzlich die Störung anderer Differenzierungswege zu Nervenzellen, Osteoblasten und Chondrozyten analysiert. Die Übertragung der semiquantitativen mikroskopischen Auszählung der kontrahierenden Areale auf die quantitative Expressionsebene macht den EST sensitiver und objektiver. Die Testdauer verkürzte sich für den klassischen Endpunkt Herz von 10 auf 8 Tage, denn zu diesem Zeitpunkt war die Expression des als herzspezifisches Markergen identifizierten ?Myosin Heavy Chain? (MHC) am höchsten.
Die Betrachtung von Nervenzellen, Osteoblasten und Chondrozyten im erweiterten EST, erforderte die Entwicklung von Differenzierungsprotokollen für diese Zelltypen.
Die Induktion von Nervenzellen über Retinolsäure wurde der Induktion über Linienselektion gegenübergestellt, um die geeignetere Induktionsmethode zu identifizieren. Die entstandenen Nervenzellen wurden mit immunhistochemischen und molekularbiologischen Methoden nachgewiesen. Das Protokoll über Linienselektion bietet den Vorteil, dass zur Induktion keine per se teratogene Substanz benutzt wird. Das als neuronales Markergen identifizierte NFM zeigt an Tag 14 der Kultur die höchste Expression, so dass die Zellen für den Embryotoxizitätstest (Endpunkt Nervenzellen) zwei Wochen kultiviert wurden.
Die Entwicklung neuer Differenzierungsprotokolle zur Osteoblasten- und Chondrozyteninduktion zeigten, dass exogene Faktoren für die Ausbildung charakteristischer Zelleigenschaften notwendig waren. Es konnte nachgewiesen werden, dass die ES Zellen zu Osteoblasten differenzierten, wenn das Medium ab Tag 5 der Kultur b-Glycerophosphat, Ascorbinsäure und VD3 enthielt, und dass die chondrogene Differenzierung unter Gabe von BMP-2 (Tag 3 bis zum Ende der Kulturdauer), TGFb1 (Tag 3-5), Insulin und Ascorbinsäure (jeweils ab Tag 5 bis zum Ende der Kulturdauer) stattfand. Histochemische Färbungen wie Alizarinrot S und von Kossa zeigten die Anwesenheit mineralisierter Zellen und mit Alcian Blau Färbung ließen sich knorpelspezifische Proteoglycane nachweisen. Immunhistochemisch ließen sich Osteopontin, Osteonectin, Bone Sialoprotein und Osteocalcin in Osteoblasten und Kollagen Typ II und Aggrecan in Chondrozyten über Antikörper nachweisen. Als Markergene konnten Osteocalcin für Osteoblasten und Aggrecan für Knorpel identifiziert werden, denn ihre Expression war auf das jeweilige Gewebe limitiert. Als Zeitpunkt der Auswertung des EST unter Anwendung der Differenzierungsprotokolle für Knochen- oder Knorpelgewebe, wurden die Kulturtage 30 und 32 festgelegt, denn die Markergene zeigten dort ihre höchste Expression.
Mit sechs ausgewählten Modellsubstanzen konnte eine erste Einschätzung des Potentials des erweiterten EST gemacht werden. Die Einführung der neuen Endpunkte konnte die Sensitivität des Embryotoxizitätstests erhöhen und die quantitative Expressionsanalyse machte den Test objektiver. VPA und Thalidomid, die mit dem klassischen Modell falsch negativ eingestuft wurden, wurden auf Grund ihrer Wirkung auf spezifische Endpunkte mit dem erweiterten Testmodell richtig eingestuft. Die Analyse der Störung spezifischer Differenzierungslinien erlaubt Aussagen über die Mechanismen der embryotoxischen Wirkung und könnte Vorraussagen über das teratogene Schädigungsbild ermöglichen. Somit wurde ein Ausgangspunkt für die weitere Entwicklung eines aussagekräftigen in vitro Embryotoxizitätstest geschaffen.
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